- 25.12. -
- Lola -
„Oh nein!“, ich kann förmlich sehen, wie sich die schmale Sorgenfalte auf der Stirn meiner Mutter abzeichnet, „und wie geht es Zoes Mutter jetzt?“
„Besser.“ Ich drücke das Handy etwas fester an mein Ohr und lehne mich gegen den Türrahmen der Terrassentür, während ich Amélie und Thibault zuschaue, die kichernd im Garten herumtollen und die noch vorhandenen Schneereste aufsammeln, um den schon schmelzenden Monsieur Neige ein bisschen aufzufrischen. „Wir sind heute Morgen zu ihr ins Krankenhaus gefahren und da hat sie bereits ihre erste Infusion Kortison bekommen, die sie zum Glück auch sehr gut vertragen hat. Morgen und übermorgen bekommt sie noch eine weitere Infusion und wenn sie sich dann entsprechend gut fühlt, kann sie auch wieder nach Hause.“
„Verstehe, deshalb bleibt ihr also auch länger bei Zoes Eltern als ursprünglich gedacht.“
Ich nicke leicht. „Ja, genau. Wie gesagt, Elodie geht es ja jetzt schon etwas besser und sowohl die Ärzte als auch wir sind optimistisch, dass es ihr in ein paar Tagen nach den notwendigen Infusionen auch wieder einigermaßen gut gehen wird.“
„Sehr schön, das ist beruhigend zu hören“, sagt meine Mutter und atmet tief und erleichtert durch, „richte bitte trotzdem Zoes Mutter eine gute und vor allem schnelle Besserung aus.
Einen solchen Schub zu erleiden ist ja mit Sicherheit schon belastend genug, aber dann auch noch an Weihnachten...“
„Ja, ich weiß, was du meinst“, seufze ich, „Elodie hat sich auch ziemliche Vorwürfe gemacht und die ganze Zeit über behauptet, dass sie uns das Weihnachtsfest verderben würde.“
„Was? Aber sie kann doch nichts für ihren Schub!“
Ich seufze erneut. „Das haben wir ihr auch gesagt, aber sie macht sich trotzdem Vorwürfe. Und jetzt macht sie sich obendrein noch Gedanken darum, dass Zoe und ich hier länger bleiben und ich gar nicht dazu komme, Weihnachten mit euch zu verbringen."
„Also, diesen Unsinn kann sich die Gute ja mal gleich aus dem Kopf schlagen“, entgegnet meine Mutter und ich höre an ihrer Stimme, dass sie verärgert den Kopf schüttelt, „selbst wenn ihr die Weihnachts-Silvester-Party bei Xenia verpassen solltet und erst im Januar wiederkommt, ist das überhaupt kein Problem. Die Gesundheit und das Wohlergehen einer geliebten Person gehen schließlich immer vor und da ist es absolut verständlich und nachvollziehbar, dass ihr beiden erst mal bei Zoes Eltern bleiben wollt, bis ihr absolute Gewissheit über den gesundheitlichen Zustand ihrer Mutter habt. Und außerdem lassen sich so ein Weihnachtsfest oder eine Silvesterparty doch auch noch jederzeit später nachholen. Das kannst du Zoes Mutter auch noch ausrichten.“
„Mach ich, aber wenn das so weitergeht, muss ich mir gleich noch ein paar Notizen machen, damit ich auch nicht vergesse, was ich Zoes Mutter alles ausrichten soll“, scherze ich und muss kichern, als meine Mutter genervt und amüsiert zugleich aufstöhnt.
„Sehr witzig, du kleiner Frechdachs“, entgegnet sie, vermutlich mit einem vielsagenden Schmunzeln, als ich im Hintergrund Dannys Stimme rufen höre.
„Ich hab doch gar nichts gemacht!“
Das lässt sowohl mich als auch meine Mutter auflachen, bis ich mich wieder ein wenig beruhigt habe und leicht räuspere.
„Keine Sorge, Mama. Ich richte Zoes Mutter das alles schon aus und ich halte euch auch auf dem Laufenden, wie es ihr gesundheitlich geht.“
„Gut, danke“, sagt meine Mutter mit einem leisen Seufzen und ich erkenne an dem dezenten Knarzen, dass sie sich gerade in ihrem Stuhl ein wenig zurückgelehnt hat, „und was macht ihr sonst noch so heute?“
„Nicht viel.“ Ich lehne mich ebenfalls etwas bequemer gegen den Terrassentürrahmen, zumindest sofern das eben möglich ist. „Bodo, also Zoes Vater, ist noch im Krankenhaus geblieben und wird heute Abend von Constantin, dem Mann von Zoes Schwester, mit dem Auto abgeholt. Er hat nämlich die vergangene Nacht im Krankenhauszimmer von Elodie verbracht, aber das war eine absolute Ausnahme, weshalb er heute Nacht wieder hier bei sich zu Hause schlafen muss. Ansonsten bereiten Constantin, Zoes Schwester Marie und Zoe gerade das Mittagessen vor und ich passe auf die Zwillinge Amélie und Thibault auf, die gerade damit beschäftigt sind, ihrem Schneemann im Garten das Leben zu retten.“
„Das klingt doch ganz gut“, erwidert meine Mutter kichernd und räuspert sich kurz darauf ein wenig, „aber…ähm, Lola…also…kann es vielleicht sein, dass es da noch etwas gibt, von dem du mir erzählen möchtest?“
Verwundert halte ich für einen Moment inne und schaue dann langsam auf den Verlobungsring an meinem Finger.
Hat Zoe meiner Mutter etwa gesagt, dass sie mir einen Antrag machen wollte?
Und befürchtet sie, dass Zoe es aufgrund des Zwischenfalls mit Elodie nicht getan hat?
„Lola?“, die Stimme meiner Mutter reißt mich wieder aus meinen Gedanken, „bist du noch dran?“
„Ja, ähm...ja, bin ich“, stammle ich und schüttle immer noch ein wenig verwirrt den Kopf, „also…ähm…also, weißt du etwa davon, Mama?“
„Wovon soll ich was wissen?“, fragt meine Mutter und ich bin mir sicher, dass ich in diesem Moment tausende von Fragezeichen in ihrem Blick ablesen könnte, „ich hatte vorhin nur den Eindruck, dass es da noch irgendetwas gibt, was du mir noch nicht erzählt hast. Zumindest hast du dich manchmal so gedankenverloren angehört.“
Das waren vermutlich die Momente, in denen ich meinen Verlobungsring betrachtet habe…
Ich seufze leise und schüttle mit einem leisen Lachen erneut den Kopf.
Dann hat Zoe meiner Mutter also doch nichts von ihrem Vorhaben erzählt…
„Ist irgendetwas passiert, Lola?“, fragt meine Mutter, wobei ein doch recht besorgter Tonfall in ihrer Stimme mitschwingt, „stimmt etwas nicht? Geht es dir gut?“
„Ja, keine Sorge, Mama“, sage ich und lache erneut, „es geht mir gut. Sehr gut sogar. Und ja, es ist etwas passiert…aber das…das sag ich euch lieber persönlich, wenn Zoe und ich wieder zu Hause sind.“- 27.12. -
- Zoe -
„So, das war’s“, sage ich und schließe den Reißverschluss der kleinen Tasche, in welcher ich die Sachen meiner Mutter verstaut habe, die wir ihr nach der ersten Nacht im Krankenhaus vorbeigebracht hatten, „bist du dir sicher, dass du heute schon entlassen werden möchtest, maman?“
„Oh oui, absolument!“, erwidert meine Mutter und an der Art, wie sie mich dabei ansieht, während sie ihre Bluse zurechtzupft, lässt mich auflachen, „ich werde bestimmt nicht noch eine weitere Nacht in diesem Zimmer verbringen, ma petite. Die Ärzte und Schwestern sind zwar très sympa, aber ich ziehe da doch mein eigenes Bett vor. Und außerdem fühle ich mich schon viel besser als noch vor ein paar Tagen und die letzte Infusion von heute Morgen habe ich auch gut vertragen, n’est-ce pas?“
„Ja, das stimmt“, ich seufze leise und umfasse den Griff der kleinen Tasche, bevor ich sie vom Krankenhausbett hebe und mich vollständig zu meiner Mutter im Rollstuhl drehe, „ich wollte nur sicher gehen, dass du das Krankenhaus nicht frühzeitig verlässt, nur damit Lola und ich morgen nach Hause fahren können.“
„Mais non“, sagt meine Mutter und schüttelt lachend den Kopf, bevor sie mir vielsagend zuzwinkert, „sei mir nicht böse, ma petite, aber du kannst mir glauben, dass ich das Krankenhaus ausschließlich aus egoistischen Gründen so schnell wie möglich verlassen möchte und dabei nicht unbedingt an dich oder meine zukünftige Schwiegertochter denke.
Apropos…habt ihr euch schon Gedanken bezüglich eurer Hochzeit gemacht?“
„Ach, maman“, kopfschüttelnd stelle ich die kleine Tasche vorsichtig auf ihrem Schoß ab, sodass sie die Tasche mit beiden Händen festhalten kann, und trete hinter ihren Rollstuhl, „wir sind doch gerade erst mal seit ein paar Tagen verlobt.“
„Was ist das denn bitte für ein Argument, Zoe?“, fragt meine Mutter in ihrem typischen halb strengen, halb amüsierten Mutter-Tonfall und ich bin wirklich froh, dass sie nicht sehen kann, wie ich leicht die Augen verdrehe, als ich die Griffe ihres Rollstuhls umfasse. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dich zu dieser Laissez-faire-Einstellung erzogen habe. Zumal du schon einmal geheiratet hast und wissen solltest, wie umfangreich so eine Hochzeit werden kann, non? Der Termin, der Ort, die Trauzeugen, die Hochzeitskleider, die Ringe, die
Gästeliste, die Blumen, das Essen…“
„Das übernimmt Pierre“, unterbreche ich sie und setze den Rollstuhl in Bewegung, um zur halbgeöffneten Zimmertür zu gelangen.
„Na, wenigstens etwas“, erwidert meine Mutter mit einem theatralischem Seufzen und dreht sich anschließend mit einer hochgezogenen Augenbraue zu mir um und sowohl mahnend als auch belustigt den Zeigefinger hebt, „ich erwarte ein bisschen mehr Engagement von dir, ma petite. Nicht dass Lola am Ende noch die ganze Planung übernehmen muss oder sie aus Frustration eine andere Frau heiratet.“
„Détends-toi, maman“, seufze ich und verdrehe erneut die Augen, nachdem meine Mutter sich wieder nach vorne gedreht hat, „glaub mir, ich habe alles unter Kon-“
Den Rest des Satzes verschlucke ich, als ich unsanft mit einem Rollstuhlrad gegen eine Ecke des Türrahmen knalle und dadurch sowohl meine Mutter als auch mich etwas durchschüttle.
Da hatte ich wohl die Breite der halbgeöffneten Tür ein wenig zu optimistisch eingeschätzt…war ja klar…
Es dauert einen Moment, bis meine Mutter sich erneut zu mir umdreht und mich ein weiteres Mal mit einer hochgezogenen Augenbraue betrachtet. „Vielleicht sollten wir auch noch über eine zusätzliche Unfallversicherung nachdenken. Für den Fall, dass du nicht in einem Stück am Altar ankommen solltest.“
„Sehr witzig“, brumme ich und lehne mich vor, um die Tür ein Stück mehr zu öffnen, während meine Mutter sich mit einem amüsierten Lachen wieder umdreht.
„Nicht grummeln, ma petite. Das gibt nur Falten und du willst doch nicht wie eine Oma neben deiner hübschen Lola aussehen, n’est-ce pas?“
„Man merkt eindeutig, dass es dir wieder besser geht“, murmle ich und seufze tief, aber lächelnd auf, „na komm, dann wollen wir mal Papa und Marie aus der Cafeteria abholen.“
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Weihnachten Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 2) (girlxgirl; christmas)
Romance- Fortsetzung zu "Liebe Auf Französisch" - Weihnachten. Das Fest der Liebe und der Familie. Und damit der perfekte Zeitpunkt, um endlich die Familie der Partnerin kennenzulernen. Das denken auch Lola und Zoe, die das Weihnachtsfest zusammen mit...