ONE

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01:: after the storm

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01:: after the storm

Das Salz des Meeres, welches sich so fest in der kalten Januarluft manifestiert hatte, dass es fast schon bitter auf Yoongis Zunge schmeckte, ließ seine Augen tränen, als er über die knirschende von Seepocken besetzte Planke auf den aus klobigem Kalkstein gebauten Pier trat. Der Wind peitschte ihm zusammen mit der hoch spritzenden Gischt ins Gesicht, ließ seine dunklen Haarsträhnen unablässig vor seinen Augen tanzen und er konnte nur ganz entfernt den Duft von Rosmarin, Zypressen und Pinien ausmachen, der ihn mit einer warmen Nostalgie erfüllte.
Ah, wie lange war es jetzt schon her?

»Lass dich bloß nicht ins Wasser zerren«, riss ihn der Kapitän des winzigen, gerade so noch seetauglichen Fischerboots aus seinen Gedanken und Yoongi konnte nur mit zusammengebissenen Zähnen nicken, denn seine Kleidung klebte klamm an seinem Körper, der dünne Träger seines lächerlich zerbeulten Seesacks schnitt in seine Handinnenfläche und er hatte wesentlich größere Probleme als die zweideutig hinter diesen Worten zu erfassen.
Es war Nachmittag und ein Sturm zog mit einer solchen Schnelligkeit heran, dass der erste Blitz bereits den Himmel erhellte, als er den ersten Schritt aufs Festland trat.

Müdigkeit machte seine Glieder schwer, ließ ihn durch den heftigen Wind nur taumelnd vorankommen, doch der Schwarzhaarige presste widerspenstig die Zähne aufeinander und setzte seinen Weg durch die engen Gassen der Hafenstadt fort.
Es war schwer sich gegen die Dunkelheit zu wehren, die sich wie ein weiches Kissen in seinem Kopf ausbreiten wollte, doch Yoongi kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt auf ein verdrecktes Straßenschild, welches durch die Windböen gefährlich schwankte. Wo waren sie damals lang gegangen? Erschöpft rieb er sich über das Gesicht. Es fiel ihm schwerer als sonst, sich zu erinnern.

Ein besonders bissiger Windstoß zerrte an seiner schmalen Gestalt und Yoongi musste ein Zittern unterdrücken, denn der kalte Regen hatte ihn bis auf die Knochen durchnässt und er-
Oh, er wollte einfach nur lange, lange schlafen.

Die letzten Tage hatte er fast gar nicht zur Ruhe kommen können; das laute Brüllen der Fischer war bis in seine Koje vorgedrungen und nachts hatte in das stetige Plätschern der Wellen wach bleiben lassen. Er hatte zum ersten Mal Probleme damit gehabt, dass ihn keine erdrückende Stille umgab, obwohl er sie sonst so verabscheute.
Zudem warteten auf seinen geschlossenen Lidern Alpträume, die ihm bis in den Wachzustand folgten und je länger er sich durch die kalte Dunkelheit kämpfte, desto stärker begannen die Ränder seines Sichtfelds zu verschwimmen.
Seine Augen brannten vor Müdigkeit und von den Regentropfen, die sein Gesicht hinabliefen, und er war kurz davor an der nächsten Straßenecke die Nacht abzuwarten, doch-
Doch er hatte es endlich geschafft.

Epiphany war in das hölzerne Schild über seinem Kopf eingeritzt und er lächelte mild, als er lautes Lachen hinter der Tür hören konnte.
Yoongi wurde wieder einmal schmerzlich bewusst, dass seine Welt vielleicht untergegangen sein möge, aber dass sie sich für alle anderen weiter gedreht hatte.

silver tongue; ymWhere stories live. Discover now