"Jeden Tag eine Erkenntnis
Jede Stunde ein Bekenntnis
Jed' Minut' ei' G'ständnis
Je Zenter Zucker zwei Sekunden", stand auf Roberts Pausenbrot, als er hineinbeißen wollte, aber nachdem er reingebissen hatte, waren an den Bissstellen Teile der Schrift verschwunden. Komisch. Dabei hatte Robert weder großartig Lust zu lesen, noch konnte er es.
Er war, wie es auf Altmittelneudeutsch heißt, Analphabet, genau wie die anderen Kinder in seiner Klasse.
Und er hatte die Augen seiner Mutter. Sie waren silber-glänzend und matt-grau und technisch gesehen waren sie überwiegend Mutter; sein Vater hatte sie ihm aus der Werkstatt mit den Worten: "Dad Audo fährd in neun von zehn Fäll'n schon unfallfrei, da machen de Müdder da auch nimmer so viel aus!" geschenkt.
Und das war auch noch zufälligerweise an seinem Geburtstag geschehen, ein herrausragend mittelmäßig guter Tag für Robert, seitdem er nur noch durch die Augen seiner Mutter sah.
Auch seine Mutter hatte ihm mal ihre Mutteraugen geliehen, die waren aber so ölig und schleimig, dass sie ihm durch die Finger gerutscht und unter das Bett gekullert waren, was seine von Geburt an blinde Mutter weniger erfreute, denn sie bekam ihre Mutteraugen nie mehr zu sehen.
Der erste Vers auf Roberts Pausenbrot ist hier Programm:
jeden Tag soll es mindestens eine einzigartige und persönliche Erkenntnis hageln und eventuell mit schnödem Beiwerk in Form mindestens eines Textes verziert sein.
𝘮𝘦𝘦𝘳𝘦𝘴𝘳𝘢𝘶𝘴𝘤𝘩
{𝑛𝑜𝑢𝑛.} 𝑑𝑎𝑠 𝑟𝑎𝑢𝑠𝑐ℎ𝑒𝑛 𝑣𝑜𝑚 𝑚𝑒𝑒𝑟 𝑤𝑒𝑙𝑐ℎ𝑒𝑠 𝑒𝑖𝑛𝑒 𝑏𝑒𝑟𝑢ℎ𝑖𝑔𝑒 𝑤𝑖𝑟𝑘𝑢𝑛𝑔 ℎ𝑎𝑡
»jeder hat vor irgendetwas angst 𝑒𝑙𝑖𝑠𝑎𝑏𝑒𝑡ℎ.«
»nein ich nicht.«
»selbst vor dem tod nicht?«
»selbst vor dem tod nicht.«
»wieso?«
»warum sollte man angst vor etwas haben, wenn man es noch nichtmal sieht? sterben tun wir alle irgendwann, manche früher als andere. ich gehöre zur ersten sorte. manchmal gibt es eben keinen ausweg.«
𝑎𝑙𝑙𝑒 𝑟𝑒𝑐ℎ𝑡𝑒 𝑙𝑖𝑒𝑔𝑒𝑛 𝑎𝑛 @meeresportrait