Sidestory von Marie-
Als Marie zur Welt kam, war ihre Umgebung von Dunst durchzogen - Rauch, schwere Parfüms, leises Lachen im Halbdunkel. Stimmen, die kamen und gingen, wie Schatten an den Wänden. Sie wuchs zwischen Polstern auf, auf denen zu viele Menschen gesessen hatten, zwischen Frauen, die warteten, und Männern, die suchten.
Ihre Mutter, Anna, war eine Erscheinung aus Gold und Seide, ihr Lächeln so echt wie eine gut gespielte Lüge. Ihre Hände waren warm, ihre Blicke weit entfernt. Sie sprach wenig über die Vergangenheit, doch wenn Marie mit ihren kleinen Fingern über das verborgene Tattoo auf Annas Rippe strich, wusste sie, dass es Dinge gab, die niemand wissen durfte.
Die Jahre vergingen, und Marie beobachtete, wie Schönheit nachließ, wie Stimmen leiser wurden, wie die Welt ihrer Kindheit langsam verblasste - bis ihre Mutter eines Tages einfach nicht mehr da war. Kein Abschied, kein letzter Blick. Nur ihr Duft blieb, ein Hauch von Rosenöl in der Dunkelheit.
Marie blieb zurück - zwischen den Schatten, zwischen den Geheimnissen, zwischen der Erinnerung an eine Frau, die nie ganz zu greifen war. Und so lernte sie, sich selbst ungreifbar zu machen. Sie wusste, wie man Menschen an sich band, wie man sie in den Bann zog, ohne jemals selbst gefangen zu sein. Namen bedeuteten nichts, Gesichter verschwammen. Doch in den stillen Momenten, wenn der Rauch sich legte und die Stimmen verstummten, hörte sie das Echo ihrer Kindheit:
Ein Flüstern im Dunkeln.
Ein verborgenes Tattoo.
Ein Duft von Rosenöl, der niemals ganz verschwand.