Ränke des Bösen

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Disclaimer: Die Charaktere gehören J.K.Rowling: Ich leihe sie mir nur aus.


Harry war auf einem Friedhof, das wurde ihm jetzt klar. Sein Knie pochte und unter dem Schmerz knickte es beinahe ein. Harry konnte kaum etwas sehen. Einige Meter entfernt stand ein großer Kessel. Ein schwaches Leuchten ging von ihm aus und tauchte den Friedhof in ein mattes Dämmerlicht. Als er zur Seite blickte, sah er neben sich Cedric lächeln. Aber warum lächelte er? Bevor er sich weiter darüber wundern konnte, schallte eine verängstigte, zitternde Stimme über den Friedhof: „Meister, sie sind hier!" Die Person, die gesprochen hatte, kam näher und trat nun langsam ins Licht. Voller Schrecken erkannte Harry, wer dort verschüchtert und mit einem Bündel in den Armen vor ihm kauerte: Es war Wurmschwanz. Harry hatte mit vielem gerechnet, aber damit nicht. Augenblicke später ertönte eine andere, eiskalte und gnadenlose Stimme. Und diese Stimme schien aus dem Bündel in Wurmschwanz Armen zu kommen: „Tu es!" Harry lief es eiskalt den Rücken hinunter. Was würde nun geschehen? Zu seiner Überraschung zog Cedric ein Messer und kam ihm damit bedrohlich nahe. Harry wollte rückwärts laufen. Aber nach nur einem halben Meter stolperte er und lag wehrlos auf dem Boden. Er hatte das Gefühl, sein Körper würde explodieren. Alles tat ihm weh. Cedric beugte sich über ihn – der nette, hilfsbereite und liebenswürdige Cedric. Mit einem irren Lächeln, wie er es bis jetzt nur von Professor Moody kannte, schlitzte Cedric mit dem Messer Harrys linken Arm auf. Der plötzliche Schmerz verdrängte alles um ihn herum, jede Bewegung und jede wahnsinnige Stimme. Doch Harry wusste: Jetzt war keine Zeit, um Schwäche zu zeigen. Er öffnete die Augen, die er vor Schmerz zugekniffen hatte, und sah Cedrics Augen, die sonst so freundlich strahlten. Aber jetzt waren sie eiskalt und finster. Cedric schwang seinen Zauberstab. Ein schwarzes Seil kam zum Vorschein. Damit band er Harrys Arme hinter dem Rücken fest. Harry hatte keine Kraft, sich wirksam zu wehren. Verzweifelt rang er um sich. Aber es half alles nichts. Sein Zauberstab, der neben ihm auf dem Boden lag, wurde von Cedric begutachtet, aufgehoben und eingesteckt.
Harry fühlte sich, als würde er jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Beinahe wünschte er es sich sogar. Aber sein Körper verweigerte ihm den Gefallen. Er sah, wie Cedric sich umdrehte und ihm den Rücken zuwandte. Cedric war nun nur noch mit einem seltsamen großen Kessel beschäftigt und schenkte Harry keine große Beachtung mehr. Aber Harry wollte mehr sehen, seine Neugierde trieb ihn voran. Er nahm alle seine Kraft zusammen und drückte sich ein wenig zur Seite. Nun konnte er beobachten, wie Cedric das Messer an Wurmschwanz weitergab. Dieser ließ das daran klebende Blut in den Kessel tropfen. Mit jedem weiteren Tropfen Blut, der in den Kessel fiel, zischte der Inhalt des Kessels lauter. „Gib mir den Dolch!" Wurmschwanz' Stimme übertönte das Zischen aus dem Kessel. Während er sprach, deutete er auf einen großen, scharfen Dolch, der auf einem Grab lag. Daneben lag noch etwas anderes, aber Harry konnte nicht erkennen, was es war. Cedric hob den Dolch auf und bewegte sich langsam auf Wurmschwanz zu. Bei jedem seiner Schritte raschelten die Blätter auf dem Boden. Als Cedric neben Wurmschwanz stand, hob er den Dolch in die Luft. Was hatte er vor? Was tat er da? So viele unbeantwortete Fragen schwirrten durch Harrys Kopf. In dem Moment, da der Dolch auf Wurmschwanz' Brust zuraste, erkannte Harry dessen ungläubigen und entsetzten Gesichtsausdruck. Sekunden später erschlaffte sein Gesicht; leblos stürzte Wurmschwanz nieder. Das Bündel, das er in seinen Armen getragen hatte, fiel neben ihm zu Boden. Der Dolch steckte noch in Wurmschwanz' Brust. Mit einem widerwärtigen Geräusch zog Cedric den blutverschmierten Dolch aus Wurmschwanz' Körper. Blut tropfte vom Dolch auf Wurmschwanz' erblasstes Antlitz. Jeder Tropfen Blut, der niederfiel, machte ein leises Geräusch, dass die eiskalte Stille unterbrach.
Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte sich Cedric zu Harry um und begann zu lachen. Es war ein Lachen, wie Harry es von Cedric nicht kannte. Aber wie Harry jetzt klar wurde, kannte er Cedric überhaupt nicht. Dieser lachte so laut, dass Harry dachte, es wäre noch meilenweit zu hören. Eine Stimme hob an und Cedrics Lachen erstarb: „Du Narr!" Es war die unmenschliche Stimme, die Harry bereits kannte: die Stimme Lord Voldemorts. Cedric blickte auf das Bündel hinab. Erst jetzt wurde Harry bewusst, was darin lag. Es war der verstümmelte Rest von Voldemort. „Ohne jemanden, der dich bemuttert und behütet, wirst du in deiner jämmerlichen Existenz, verrotten. Nun ist meine Zeit gekommen, die Muggel zu knechten und das reinblütige Zauberertum zu neuer Größe zu führen!" Cedric schien vollkommen wahnsinnig, wie er dastand. Er nahm das protestierende Bündel und trug es achtlos in einen Schuppen, der wenige Meter entfernt stand. Es schien ihn nicht weiter zu kümmern, was mit dem, was einst Lord Voldemort gewesen war, passierte.
Als Cedric zurückkam, schaute er Harry ins Gesicht. „Du möchtest sicher erfahren, was hier los ist, nicht wahr?" Harry schwieg. „Antworte!" Harry hielt Cedrics Blick stand. „Antworte!" Doch Harry schwieg abermals. Cedric strich einmal über seinen Zauberstab und richtete ihn dann auf Harry: „Crucio!" Als der Schmerz Harry durchfuhr, wollte er nur noch, dass Cedric aufhörte. Er übermannte Harry wie tausend Blitze, die gleichzeitig auf ihn niederfuhren. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, ließ der Schmerz endlich nach. Als er da so wehrlos auf dem Boden lag, drängte es Harry, Cedric zu antworten, doch etwas hielt ihn zurück. Cedric zielte mit dem Zauberstab auf Harrys Hals. Harry erwartete, er würde ihn erneut mit dem Cruciatus-Fluch belegen, doch dann wurde ihm klar, dass Cedrics Zauber nur bewirkte, dass er nickte – er sollte einfach nur nicken! Und das tat er. Egal wie sehr Harry sich bemühte, den Kopf unbewegt zu halten, er spürte wie sein Genick sich quälend langsam nach vorne beugte. „Na also, geht doch!"
Erneut setzte Cedric das wahnsinnige Lächeln auf, das Harry so hasste. „Lord Vodemort ist Geschichte. Er selbst hat mir die Macht zu Füßen gelegt, ohne die Gefahr auch nur zu ahnen. Ich musste nur zur rechten Zeit Cedrics Gestalt annehmen. Voldemort hatte alles perfekt geplant. Seine Rückkunft sollte makellos funktionieren. Meine Aufgabe war es, mit Hilfe des Vielsafttrankes Moodys Gestalt anzunehmen und so für deine Teilnahme und deinen Erfolg im Turnier zu sorgen. Während der dritten Runde apparierte ich ins Labyrinth, tötete Cedric Diggory und nahm seine Gestalt an. Meine letzte Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass du mit mir gemeinsam den Pokal berührst. Hier auf dem Friedhof sollte ich nur noch als niederer Helfer dienen. Doch ich wollte mehr – von Anfang an. Dafür musste ich nur seine Wiederkunft verhindern. Oder zumindest so lange herauszögern, bis die Todesser mich als ihren wahren Herrn annehmen würden." Er machte eine Pause. „Ich sehe deine unkontrollierten, wirren Gedanken." Harry spürte es. Es fühlte sich an, als ob irgendwer in seinen Kopf herumpfuschte. Es nervte. „Du willst wissen, wer ich bin?" Cedric schaute auf seine Armbanduhr. „Du musst nicht mehr lange warten." Harry verstand. Die Wirkung eines Vielsafttrankes ließ nach einer Stunde nach. Und ehe er alle seine Gedanken zu Ende denken konnte, verwandelte sich ein Körperteil Cedriks nach dem anderen in das eines jungen Mannes: Barti Crouch junior.
Jetzt hatte Harry genug. Er musste Dumbeldore Bescheid sagen. Aber um zurück nach Hogwarts zu gelangen, brauchte er den Portschlüssel. Und um an den heranzukommen, musste er seine Hände befreien. Während Barty Crouch junior sich abwandte und damit zu schaffen machte, den Kessel auszuleeren, suchte Harry verzweifelt einen scharfen Gegenstand, mit dem er seine Fesseln zerschneiden konnte. Doch auf dem Boden lagen nur Erde und Laub. Dann erinnerte er sich: Nach seinem Sieg über den Knallrümpfigen Kröter hatte er einen kleinen, im Kampf abgebrochenen Splitter von einer dessen Panzerplatten mitgenommen. Im Nachhinein kam es Harry fürchterlich dumm vor, aber als er sie einsteckte, hatte er daran gedacht, dieses Zeugnis seiner Ruhmestat Cho zu schenken. Doch jetzt war dieses Panzerstück genau das, was er brauchte. Er zwängte seine gefesselte Hand in die Hosentasche. Die Schnur schnitt in seine Haut. Dann spürte er an seinen Fingerspitzen die geriffelte Oberfläche des Splitters. Er nahm ihn zwischen seinen Mittel- und Zeigefinger und zog ihn vorsichtig aus der Tasche hervor. Langsam begann er, sich durch das Seil zu ritzen. Gerade als Barty denn Kessel mit aller Kraft umstieß und die hell schimmernde Flüssigkeit aus dem Kessel lief, konnte Harry seine Arme befreien. Das Seil hinterließ einen tiefen, roten Abdruck auf seinen Handgelenken.
Leise legte er den Splitter auf den Boden. Vorsichtig, immer darauf achtend, dass die Blätter unter seinen Füßen nicht raschelten, erhob er sich. Barty war gerade damit beschäftigt, den Kessel in die Hütte zu tragen. Harrys ganzer Körper zitterte. Dann erreichte er sein Ziel: Er wusste, dass er nicht an seinen Zauberstab gelangen würde, da Barty ihn ja eingesteckt hatte. Also hob er einen der Zauberstäbe auf, die neben Wurmschwanz auf dem Boden lagen. Er vermutete, dass es derjenige Voldemorts war. Es handelte sich um einen außerordentlich schönen Zauberstab, und als er seine Hand um ihn schloß, überkam ihn ein Gefühl unerwarteter Vertrautheit. Dann sammelte Harry all seinen Mut, richtete den Zauberstab auf Barty Crouch Junior und rief: „Expelliarmus!" Zwei Zauberstäbe kamen auf Harry zugeflogen. Sein eigener und derjenige von Barty. Dieser erschrak und wandte sich blitzschnell um. Er hatte nicht mit Harry gerechnet. Mit einem lauten Klirren ließ er den Kessel vor sich fallen. Doch ehe Barty reagieren konnte, hatte Harry schon den Aufrufezauber benutzt, um schneller an den Portschlüssel-Pokal zu gelangen. Es kam Harry vor, als käme er in Zeitlupe auf ihn zugeflogen. Dann endlich konnte er ihn berühren. Er begann, sich in rasendem Tempo um sich selbst zu drehen. Schließlich landete er liegend auf dem Stück Wiese zwischen dem Irrgarten und der Tribüne. Die drei Zauberstäbe waren ihm aus der Hand gefallen und lagen neben ihm auf dem taunassen Boden. Man hörte lautes Jubeln und Gejohle. Dann verstummte die Menge zu plötzlicher Stille. Dumbledore kam zu Harry geeilt. Sein silberner Bart wehte hinter ihm im Wind. „Was ist geschehen?", fragte er aufgewühlt. Doch Harry fand keine Worte, um das Geschehene zu erklären.

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