Prolog

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„Tess! Tess, hier drüben!" Die helle Stimme meiner besten Freundin Payzleigh, die von allen nur Pixie gerufen wurde, schallte durch die riesige Wartehalle, in der wir auf unseren Zug warten mussten.

Ich kämpfte mir meinen Weg durch die Menge anderer Jugendlicher zu ihr, was sehr schwer war. Weder ich noch Pixie waren sonderlich groß und ich erkannte sie nur an ihrem Afro, der immer wieder über den Köpfen der anderen auftauchte. Der Marmorboden war durch uns alle schon ganz schmuddelig, aber die Wände und Säulen – ebenfalls aus Marmor – strahlten hell und weiß.

„Da bist du ja endlich!", sagte sie mit ihrem typischen vorwurfsvollen, aber nicht unfreundlichen Ton und strahlte mich mit weißen Zähnen an. Pixie war mit ihrer dunkelbraunen Haut, den symmetrischen Gesichtszügen und den vollen Lippen ein sehr schönes Mädchen. Neben ihr fühlte ich mich immer ein wenig hässlich. Meine Nase war nicht so symmetrisch wie ihre, sondern neigte sich zur Seite und meine Haut war nicht so rein. Außerdem waren meine Knie knubbelig und die Pubertät hatte meinen Körper eine seltsame Form gegeben.

„Ja", sagte ich überflüssigerweise. Im Gegensatz zu ihr, war ich nicht so begeistert von der Situation. Ich mochte keine Menschenmassen und auf den Vibe Check freute ich mich erst recht nicht.

„Komm schon", sagte Pixie, die meine Gedanken immer zu erraten schien, „das wird großartig! Wir werden bestimmt in denselben Vibe eingeteilt!"

Ich war mir da nicht so sicher und der Gedanke daran, irgendwann nicht immer bei Pixie sein zu können, ließ meinen Magen zu Eis erstarren. Wir hingen zusammen seitdem wir Kleinkinder gewesen waren. Jetzt könnte alles anders werden. Wir wurden beide nächsten Monat 16, was hieß, dass wir alt genug waren, um in einen der Vibes eingeteilt zu werden und sobald wir das waren, würden wir in diesem leben müssen. Ein Zurück gab es nicht und ein Hinaus bedeutete den sicheren Tod.

Und da es fünfzehn Vibes gab, war es nicht sehr wahrscheinlich, dass wir zufällig in denselben kamen. Vor allem, da wir sehr unterschiedlich waren.

„Hm", sagte ich also.

„Tess", sagte Pixie streng, „wir haben immer alles zusammengemacht, wieso sollte es jetzt anders sein?"

„Wir haben uns immer entschieden, alles zusammen zu machen, aber darum geht es ja nicht bei den Vibe Check", gab ich zu bedenken.

Pixie zog eine Schnute. „Jetzt sei nicht so negativ. Denk einfach daran, dass wir endlich Nemo entkommen könnten!"

Damit hatte sie Recht. Der Vibe, in dem wir geboren worden waren, Nemo, war so ziemlich der furchtbarste Vibe, in den man landen konnte. Wir waren die, die keinerlei besondere Eigenschaften hatten und ... nun ja, ganz normal waren. Für uns blieb nur die Arbeit über, die sonst keiner machen wollte und das war zumeist die schwerste und die, die uns schon mit fünfzig einen kaputten Rücken garantierte. Es war furchtbar langweilig und Geld verdienten wir auch kaum. Dennoch waren wir mit Abstand der größte Vibe und, so sagte uns die Elite immer wieder, der wichtigste. Das Herz von Covidrona. Doch so behandelt wurden wir nie.

„Und unsere Familien?", fragte ich.

„Hm", machte jetzt Pixie, „wir dürfen sie ja zu den Feiertagen sehen und jetzt tu nicht mal so, als würde dein Dad dich vermissen."

Das saß und Pixie schien es zu bemerken. Also wechselte sie das Thema: „Das ist doch jetzt egal, lass einfach alles auf uns zu kommen! Und außerdem, hast du gesehen, wie dich Rowan anschaut?"

Sie piekste mich mit ihrem spitzen Ellenbogen in die Seite.

Ich verdrehte die Augen. „Rowan ist nur ein Freund, das weißt du."

„Ja, ja", sagte sie lachend.

„Pixie." Ich sah sie mahnend an. Rowan war ein hübscher Junge. Blond, strahlend blaue Augen und groß, aber wir waren Freunde. Nicht mehr. Ich spielte ja auch sowieso nicht seiner Liga.

Pixie lachte noch mehr. „Immer wenn du das sagst, wirst du rot."

„Gar nicht!", gab ich ein wenig zu schnell zurück.

„Doch." Pixie verschränkte die Arme vor ihrer Brust.

„Er ist genauso ein Freund von mir wie du. Wir kennen uns alle schon Ewigkeiten", wich ich aus. Plötzlich schien die riesige Uhr, die in digitalen Lettern 10:56 zeigte, mir furchtbar interessant.

Pixie fuchtelte mit der Hand vor meinem Gesicht. „Und genau deswegen weiß ich, was ihr denkt."

Sie stemmte die Hände in die Hüfte.

„Ach Pixie", murmelte ich. Die Uhr sprang auf 10:57.

„Was?"

„Nichts, nichts." Ich grinste sie an und schubste sie.

Pixie taumelte dramatisch zurück. Sie lachte und ich lachte mit.

Die Uhr sprang von 10:59 auf 11:00 und die Sirenen dröhnten.

„Vibe Nemo, steigt in die Züge. Der Vibe Check erwartet euch!"

Pixie und ich wechselten erschrockene Blicke. Dann setzten wir uns in eine unbekannte Zukunft in Bewegung.

Ich griff nach Pixies Hand. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 10, 2021 ⏰

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