April April Teil2

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April April

Es gibt Dinge, die sich wohl nie ändern werden. Eines davon, dass dieser Vogel namens Pech seine Krallen in meine Schultern geschlagen hat und nicht so schnell vorhat, mich wieder zu verlassen.
Nun wie man es auch nimmt, die Sonne geht unaufhaltsam auf und mit ihr beginnt der Tagesverlauf.
Decke zurückschlagen. Füße auf den Boden stellen und schon beginnt der Morgen wunderprächtig. Der Läufer vor meinem Bett hatte beschlossen, mir den Weg zum Bad zu verkürzen.
Warum nicht. Dann habe ich ein paar Minuten mehr für die Morgentoilette.
Der Bartschatten verdeckt grazil den blauen Fleck an meinem Kinn. Nun, wenn man geradewegs in einem Bären von einem Mann rein läuft, der gerade megamäßige schlechte Laune hat, sollte man lieber den Kopf einziehen und das Weite suchen. Natürlich war meine Klappe eigenständig und musste wissen, ob ihm was Schlimmes widerfahren wäre. Man könnte doch nicht mit einem solchen sauren Gesicht vor die Kunden treten.
Ich vergaß zu erwähnen, dass es sich bei dem Mann um einen Motorradhändler handelte. Und leider stieß ich ungeschickterweise eines der megateuren Gefährte um. Harley Davis Liebhaber wissen, welches Übel ich da angerichtet habe.
Nun, das ist jetzt Geschichte. Vor mir lag ein normaler Tag im Büro. Innerlich kotzte mich jetzt schon die Stimme von meinem PC an. Unerbittlich erinnerte sie mich daran, was ich in welcher Zeit zu schaffen hätte.
Wäre es eine weibliche, warme und liebliche Stimme, wäre ich nicht so genervt. Nein, es musste eine Männerstimme sein, die mich auf eine extrem penetrante Weise nervte.
Und ratet mal, wer die weibliche Stimme genießen darf. Natürlich mein Kollege einen Tisch weiter.
Sobald ich einen Fuß in diesen Glasbunker von einem Büro setze, nutzte dieser die Tatsache genüsslich aus, der Liebling vom Boss zu sein.
Ich will erst gar nicht wissen, was dieser im verdunkelten Büro vom Chef trieb. Wer käme nicht auf dumme Ideen, wenn ständig die Jalousien geschlossen wurden, sobald er durch die Tür ging.
Zur Info, der Chef ist keine Frau.
Was fast schon wieder schade ist. Hin und wieder einen kleinen Lichtblick am Tag zu haben wäre nicht schlecht.
Wobei, wenn ich so an meine Nachbarin denke. Halleluja.
Zu Schade dass ich bei ihrem Einzug ihren wertvollen Spiegel zerbrochen habe. Die Suche auf dem Zettel für den Schadenersatz war nicht ohne. Fast als ob das Ding aus puren Gold wäre. Interessanterweise befand sich direkt unter der Zahl ihre Telefonnummer.
Natürlich nahm ich an, dass es eine Aufforderung war, bei ihr durch zu klingeln. Ihr Freund war nicht sonderlich begeistert. Sein Besuch bescherte mir einen Grund für meine Kollegen sich ausgelassen zu amüsieren.
Ich hatte nie wirklich ein Händchen für Schminke. Also stellte ich mein Veilchen zur Schau.
Mittlerweile hatte die Haut um meinem rechten Auge wieder die normale Farbe.
Der Bartschatten kaschierte den Fleck. Gut, dann lieber eine Rüge dafür, dass ich nicht gestriegelt und geschniegelt am Arbeitsplatz erschien.
Nach der Tatsache, dass die Dusche ein weiteres Mal eiskalt blieb, konnte der Tag eigentlich entspannt beginnen.
Guter Dinge wollte ich mir eine Tasse Kaffee genehmigen, bis mein Blick am Kalender hängen blieb.
Rot leuchtend eingekreist, wies die Zahl 1 darauf hin, dass dieser Tag besser im Bett verbracht werden sollte.
Warum? Weil am ersten April die Bevölkerung dieser Stadt beschlossen hatte, Personen mit nicht vorhanden sein von einem Fitzelchen Glück, das Leben zur Hölle zu machen.
Die Uhr zwitscherte mir fröhlich entgegen, dass es längst Zeit war, den Weg in Angriff zu nehmen.
Seufzend ergab ich mich in mein Schicksal. Viel schlimmer konnte es nun wirklich nicht mehr kommen.
Zu früh gefreut. Bereits zu Anfang dieses elenden Monats beschloss mein Wohnungsschlüssel, abzubrechen. Oh, mein Vermieter wird Freudensprünge machen. Ist ja bereits das fünfte Mal in diesem Jahr. Welcher Vermieter war da nicht begeistert, wenn er zum x-mal den Schlüsseldienst rufen musste.
Bis zur Haustür erwiesen die zwei Stockwerke überraschenderweise keine Probleme. Auch der Fußmarsch ins Büro blieb ereignislos. Für jemanden der quasi von einer Katastrophe in die nächste schlitterte, war das mehr als verwunderlich. Man konnte fast paranoid werden. Oder es gab wirklich einen Gott, der erbarmen mit mir hatte. Falls es dieser Spagettinudelngott war, von dem in letzter Zeit soviel zu hören war, sollte ich ihm am Abend ein Dankesopfer darbieten. Oder reichte da ein Gebet?
Wie dem auch sei. Die glorreichen Hallen des Glasgefängnisses betretend, konnte ich ohne ins Schlingern geraten den Fahrstuhl erreichen. Ja, dieser wurde sogar von der einen Person offengehalten, von der ich es am wenigsten erwartet hätte. Ihr wisst schon wer, derjenige der immer ins Büro vom Chef verschwand und eine halbe Stunde später wieder mit einem Grinsen rauskam.
Eigentlich sollte ich auf meine Alarmglocken hören, die penetrant in meinem Hinterkopf schrillten.
Entspannt, mit perfekt sitzender Krawatte und schwarzen Anzug stand also mein Kollege neben mir und hatte seinen Blick auf die Anzeige gerichtet.
Nicht falsch verstehen, ich habe absolut nichts dagegen, wenn dieser schwieg. Aber genau diese Stille sorgte für einen kleinen Perlentanz von Schweiß auf meiner Stirn.
Wenn er sich schon so merkwürdig verhielt, wie würden sich dann die anderen verhalten?
Unauffällig atmete ich tief ein und aus. Vermutlich sah ich Gespenster, wo keine waren.
Mit einem lieblichen Ping wurde die Ankunft im 13 Stockwerk angekündigt. Leise surrend glitt die Fahrstuhltür zur Seite.
Mit einer einladenden Geste ließ mir der Kollege den Vortritt.
Normalerweise hatte dieser seinen persönlichen Spaß daran, mir den Fahrstuhl vor der Nase wegzuschnappen. Worauf ich aus Zeitnot, die Feuertreppe nehmen muss.
Ihr seht, das alles ist höchst suspekt.
Und noch dazu lächelte er mich freundlich an.
Meine Nackenhaare bildeten eine stramme aufrechte Haltung.Dummerweise durfte ich mir nichts anmerken lassen. Freundlich lächelnd, nickte ich ihm dankend zu. Was kam als Nächstes? Eine Beförderung?
Wobei, ein paar Stockwerke tiefer würde ich in der Tat vorziehen. Es wäre dann ein noch lausiger bezahlter Job, aber mir würde diese arrogante Haltung einiger Kollegen erspart bleiben.
Innerlich zitternd wie ein Blatt im Wind, trete ich den Gang durch den Flur an. Der knallrote Teppich verschluckte meine Schritte. Wären die Wände nicht ebenfalls aus Glas, wäre es fast ertragbar gewesen diese skurrile Stille zu ertragen. Kein lautes Gespräch über die letzten Aktien abstürzte. Kein unnötiges Geprahle darüber wer am besten sein Wochenende verbracht hatte. Es wirkte fast, als ob meine Kollegen vor mir flohen.
Langsam machte sich ein fetter Kloß in meinem Magen bemerkbar.
Hochkonzentriert saßen Männer und Frauen vor ihren Schreibtisch und bearbeiteten die Tastatur, als ob ihr Leben davon abhinge.
Dabei war der offizielle Arbeitsbeginn erst in zehn Minuten. Zu allem Übel spürte ich überdeutlich den Blick von meinem werten Arbeitskollegen im Nacken, der hinter mir ging. Hinter mir!
Man könnte sagen, Panik wäre zu gutem Recht angebracht. Weiter nicht darüber nachdenken. Einfach mit Scheuklappen am Schreibtisch platz nehmen. Der wie üblich von Akten überging, die ich bis Ende dieses Tages bearbeitet haben muss. Wann der Tag endete, stand damit schon fest. Irgendwann kurz vor Mitternacht.
Mein Finger schwebte bereits über den Knopf, um meinen PC aus seinem Schlaf zu wecken.
Ein kurzes Grunzen durchbrach die Stille. Stille?
Keiner klapperte mehr auf seiner Tastatur.
Die leichte Sintflut unter meinen Achseln ließ ein kleines Biotop unter meinem Hemd entstehen.
Behutsam drückte ich den Einschaltknopf. Angespannt hielt ich den Atem an.
Der Rechner fuhr ganz normal hoch. Der beste Zeitpunkt, um diese paranoiden Gedanken zu verscheuchen.
Kaum jedoch gab ich mein Passwort ein, ertönte eine schrille Stimme. „Guten Morgen Mister immer zu spät einreichender nicht attraktiver Mitarbeiter der GmbH."
Brüllendes Gelächter übertönte die nächsten quäckende Töne, die aus dem Lautsprecher kamen.
Mein Mundwinkel fing verdächtig nach oben zu zucken an. Das war in der Tat ein Scherz, den ich nicht erwartet hatte. Nun vielleicht würde das, was jetzt kam, ihnen genauso gefallen.
Die Schublade von meinem Schreibtisch öffnend, entnahm ich das Schreiben, dass ich sehr sorgfältig vorbereitet hatte.
Mit einem Kuli fügte ich noch schnell ein paar Zeilen hinzu und meine Unterschrift.
Entspannt erhob ich mich. Immer noch wurde der Scherz als amüsant empfunden. Zwischen den Gelächtern konnte ich ein spöttisches April April du Loser hören.
Seltsamerweise fühlte ich mich richtig erleichtert, als ich die Tür zu meinem Chef öffnete.
Er hatte das verfolgt und konnte kein ernstes Gesicht zu Stande bringen.
Breit lächelnd, legte ich den Zettel auf seinen Tisch und drehte mich um, ohne auf seine Reaktion zu warten.
Ach, es fühlte sich so befreiend an die verwirrten Gesichter meiner Kollegen zu sehen. Ich packte in der Tat kurz vor Arbeitsbeginn meine Aktentasche mit meinen wenigen Habseligkeiten.
Überlaut wurde mein Name aus dem Büro vom Chef gerufen. Aber das ging mir sowas von, am ihr wisst schon was vorbei.
Falls ihr wissen wollt, was das Schreiben war.
Es enthielt meine Kündigung. Ich hatte noch ein paar nette Zeilen hinzugefügt.

April April.

Nein, doch nicht.

Mit keinen freundlichen Grüßen. Anton Meyer

Mr. PechvogelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt