Wie sich die Dinge ändern (2)

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Mit 13:
Er hat dich fest in seiner Gewalt. Er hat sich bei dir eingenistet, wie eine Zecke. Er ist nicht lebensbedrohlich. Angeblich. Aber was heißt das schon? Würde ich es schaffen, das Leben zu meistern, ohne dich? Was ist wenn du stirbst? Du darfst nicht sterben. Was soll ich denn ohne dich machen. Ich will nicht zu Hause bleiben, während du im Krankenhaus bist. Nicht mit Ihm. Und sowieso, er ist doch überhaupt erst an dem ganzen Schuld. Er hat dir so viel Stress gemacht und macht es immer noch. Wie oft habe ich ihm versucht zu erklären, dass du Abstand von ihm brauchst. Er will es einfach nicht verstehen. Ich habe Angst, dass du stirbst. Ich fühle mich so alleine. Ich will, dass niemandem in der Schule auffällt wie es mir geht. Ich will meine Ruhe haben. Ich will hier weg. Warum du? Nachdem schon deine Schwester, deine Tante, dein Vater an ihm gestorben sind. Ich habe Angst. Der Krebs hat dich in seiner Gewalt, Mami. Und ich frage mich, frage mich, wie du das schaffst so positiv zu sein. Immer wieder zu sagen: "Ich werde nicht sterben!" Was soll ich denn ohne dich bloß tun?

Mit 17:
Das war so ein schöner Sommer. Einmal für eine Weile frei sein. Weniger Sorgen haben. Und jetzt? Jetzt hast du schon wieder Krebs. Und du bist schon wieder so zuversichtlich. Und beim letzten Mal hattest du ja auch Recht. Trotzdem bin ich wie in Trance. Gar nicht richtig anwesend. Im nachhinein werde ich mich an wenig erinnern was in diesem einen Monat passiert ist. Du hast wieder eine OP. Wieder Reha. Ich fühle mich ausgelaugt. Was soll denn noch alles passieren? Ich versuche optimistischer zu sein. Dinge anders zu machen. Mehr zu reden. Aber ehrlich gesagt: Es ist schwer. Ich schaffe es mit meinen engsten Freunden und meinem Herzensmenschen zu reden. Aber mit meinen Mannschaften schaffe ich es erst kurz vor deiner Op zu sprechen. Weil es einfach aus mir herausbricht. Und weil ich nicht mehr kann. Und weil ich diesen Schock immer noch nicht überwunden habe. Ich hangele mich von einem Tag zum nächsten. Es geht mir nicht gut.
Und dann sind wir in Reha, weil ich nicht zu Hause bleiben will, während du weg bist. Und irgendwie ist das ganze auch schon wieder vorbei. Die Op ist gut verlaufen. Du und die Ärzte sind optimistisch. Und ich?
Ich bin vollkommen überfordert. Habe noch gar nicht richtig realisiert, was da eigentlich passiert ist. Aber ich weiß jetzt, dass es nicht seine Schuld ist. Niemand kann etwas dafür und trotzdem frage ich mich, warum. Warum gerade du Krebs bekommen musstest.
Auf dem Rückweg von der Reha fragt mich mein Cousin nach dem schlimmsten Moment in meinem Leben und mir fallen sofort deine Krebsdiagnosen und der Tod meiner Tante ein und ich frage mich was da noch so kommen wird.
Und dann fragt er mich noch, was der schönste Moment in meinem Leben sei.
Und ich sage: "Der Tag an dem ich mit meiner Freundin zusammengekommen bin."
Da wird mir klar, was ich unterbewusst schon immer wusste.
Egal wie scheiße und hoffnungslos etwas gerade ist, es wird immer Lichtblicke geben. Es wird immer Gründe geben glücklich zu sein. Und es wird immer wieder möglich sein einen Weg zu finden. Und das erleichtert mich. Aber gleichzeitig weiß ich auch, dass es nicht einfach wird.
Es gibt 1 Millionen Gründe aufzugeben, aber unendlich viele um weiter zu machen!

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 27, 2021 ⏰

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