Schiefergrau

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Schwindelfrei.

Das müsste ich in meinem Leben sein.

Es geht rasend von Tag zu Nacht, von Nacht zu Tag und ich kann nicht schnell genug bemerken, dass es passiert ist, bevor es sich wieder ändert.

Ich kenne mich in der Mechanik nicht wirklich aus und fühle mich doch wie ein Zahnrad, das sich fügen muss, wie ein Motor, der nicht aufhören darf zu laufen, wie eine Kerze, die langsam abbrennt.

Ich fühle von plötzlicher Freude, zu Leid, zu Trauer und wieder zu Glück. Oder ist es doch Erleichterung, dass noch ein Tag geschafft ist? Und beginnt danach nicht einfach wieder ein neuer?

So schnell nacheinander, dass sich meine Tränen mit meinem Lachen vereinen.

Meine Sonne geht nicht unter, meine Nacht ist viel zu kurz. Ich rechne Stunden, Minuten, sogar Sekunden und takte durch. Ich komme nicht zur Ruhe, muss funktionieren, muss funktionieren, muss funktionieren, muss alles tun, damit ich mich nützlich fühle.

Wenn ich so recht überlege, ist nicht nur meine Nacht zu kurz, sondern auch mein Tag. Aber habe ich die Zeit, um darüber nachzudenken? Sind es nicht sowieso schon zu wenige Momente, die ich habe? Kann ich mir eine Auszeit leisten?

Ich denke nicht.

Es beginnt wieder von vorne...

Schwindelfrei.

Das müsste ich in meinem Leben sein.

Menschen nehmen keine Rücksicht auf mich und wenn doch, dann sagen sie "Mach langsamer", "Ruh' dich aus" und danach ist es ihnen doch wieder egal, denn sie kennen meine innere Uhr nicht. Sie sehen meinen Untergang, aber statt zu helfen, ziehen sie sich zurück, waren es ja irgendwann mal enge Freunde.

"Du ärmste, mit deinem Stress könnte ich nicht leben", höre ich so oft und frage mich, ob ich nicht vielleicht bereits tot bin.

Ich laufe bis zu meinem unendlichen Ziel, weiß, dass ich es nie erreichen werde und laufe trotzdem. Was soll ich auch anderes tun? Erwartet die Gesellschaft nicht genau das von mir? Ich werde gleichgültig wie ein stumpfes Schiefergrau. Die anderen Farben des Lebens ziehen an mir vorbei und hinterlassen keine Spuren. Alles was mir bleibt ist Grau.

Und der einzige Gedanke, der mich bis in den Schlaf begleitet, mich sogar in traumlosen Nächten verfolgt und sich in meinem Kopf einnistet, nachdem ich Morgens wieder die Augen öffne;

Ich bin nicht schwindelfrei

Und die Zeit holt mich ein...

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