Leise schloss ich die Wohnungstür hinter mir und zog lautlos meine Schuhe aus. Das Tropfen des Regens von meiner Jacke füllte als einziges Geräusch den dunklen Flur und löste in mir eine Unruhe aus. Schnellstmöglich zog ich diese ebenfalls aus und trug sie in das Badezimmer, wo ich lediglich ein kleines Licht einschaltete und sie anschließend aufhing. Ich schritt an das Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf. Das warme Wasser in meinem Gesicht wärmte mich auf. Draußen schüttete es bereits seit dem Nachmittag. Als ich mich auf dem Weg nach Hause machte, hatte es immer noch nicht aufgehört, sondern wurde eher schlimmer. Demnach war ich nach kurzester Zeit komplett durchnässt. Die Tatsache, dass es bereits spät abends war, machte den Heimweg nur noch ungemütlicher. Zögern schaute ich auf und blickte in das Gesicht, das mich durch den Spiegel anstarrte. Der heutige Tag hatte Spuren hinterlassen. Ich schnappte mir das Handtuch, das neben dem Waschbecken hing, und trocknete mein Gesicht grob ab. Den Blickkontakt mit meinem Spiegelbild unterbrach ich dabei keine Sekunde. Ich strich über meine erschöpften und schmerzenden Augen, die heute schon viel zu lange offen waren. Wahrscheinlich war es nicht nur der vergangene Tag, sondern die gesamte letzte Zeit, die nicht nur an meinen Nerven zerrte. Die Anstrengung war klar an meinem ganzen Körper zu spüren. Angespannte Muskeln, hochgezogene Schultern und die Zunge, die an die Oberseite meiner Mundhöhle gedrückt war. Ich löste den Blickkontakt und trocknete mich weiter ab, darunter meinen Hals und mein Dekolltee. Die kaltnassen Klamotten klebten förmlich an mir wie eine zweite Haut und erschwerten es, sie auszuziehen. Ich hängte sie zu meiner Jacke und schlüpfte augenblicklich in meine Schlafklamotten. Der weiche Stoff schmiegte sich um meinen Körper und die Wärme durchdrang ihn nach und nach. Tapsend verließ ich das Badezimmer wieder und versuchte, möglichst unversehrt das Schlafzimmer zu erreichen. Vorsichtig schlich ich durch den Flur und ließ das Licht dabei extra aus, um keine Aufmerkamkeit auf mich zu ziehen. Dies ging aber deutlich schief, denn nach kurzer Zeit wurde die Tür vom Schlafzimmer geöffnet und eine große Person trat mir gegenüber. "Ich wollte dich nicht wecken.", nuschelte ich flüsternd in seine Richtung. "Hast du nicht, ich habe auf dich gewartet." "Wieso? Du wusstest doch, dass es spät wird." Verständnislos stand ich gute zwei Meter von ihm entfernt und blickte ihm fragend entgegen. Er wusste, dass ich heute viel Arbeit zutun hatte und bereits heute Mittag hatte ich ihm geschrieben, dass er nicht auf mich warten soll. "Hast du dir das Wetter draußen angesehen? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und wollte einfach wissen, dass du im Ganzen hier ankommst." "Ja, irgendwie musste ich ja von der Bahnstation hierher kommen.", antwortete ich ihm und spielte dabei mit einer Strähne von meinem immer noch feuchten Haaren. Mittlerweile hatte er den Abstand zwischen uns verkürzt. Das Licht aus dem Schlafzimmer schien von hinten auf seinen Körper und betonte seine braunen, lockigen Haare, die zerzaust seine Gesicht einrahmten. "Du siehst fertig aus, geh schonmal ins Bett. Ich mache dir einen Tee, okay?" Langsam nickte ich und ging an ihm vorbei. Ich hörte, wie sich seine sanften Schritte Richtung Küche entferten. Er war jedoch noch nah genug, um mein gehauchtes "Danke" zu hören. Auf der Stelle blieb er stehen und drehte sich zu mir um. Ich spürte seinen liebevollen Blick auf meinem Rücken. Wir beide wussten, dass es um weitaus mehr ging, als den Tee, den er mir gerade zubereiten wollte. Ich drehte mich ebenfalls um und erschreckte mich keines Weges, als er direkt vor mir stand. Ich blickte ihm tief in die Augen und sah in ihnen so viel Führsorge und Liebe, wie ich es noch nie zuvor bei jemandem tat. Schnell schlung ich meine Arme um ihn und er legte seine um mich. Er zog mich noch näher an sich heran. Die ganze Last viel von mir ab, genauso wie all die Anspannung. Ich lehnte meinen Kopf an seine Brust, hörte sein Herz beruhigend schlagen und zog seinen vertrauten Durft tief ein. Zufrieden schloss ich meine Augen, als mir bewusst wurde, was er für mich war.
Er war mein Zuhause.
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Kurzgeschichten
Short StoryEine kleine Ansammlung meiner Kurzgeschichten, die ich dank einer one-word-challenge schreibe, um ein bisschen Inspiration und Übung zu sammeln. Kritik und Vorschläge sind herzlich willkommen. :)