The Gift

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Dieser Koala war so hässlich. Ganz ehrlich, so ein Monstrum konnte ich doch unmöglich herschenken! Was habe ich mir nur dabei gedacht, ein Kuscheltier für ihn zu nähen? Abgesehen davon, dass mir der ganze Nähprozess totale Kopfschmerzen bereitet hat, weil diese verdammte Nähmaschine anfangs nicht funktionierte. Am liebsten hätte ich sie hochkant aus dem Fenster geschmissen. Doch im Endeffekt hatte ich dann den Dreh raus und nun saß vor mir das schirchste Kuscheltier, welches ich je in meinem Leben gesehen hatte.

Die Knopfaugen waren auf verschiedenen Höhen, obwohl ich mir einbildete, dass ich extra abgemessen habe, wo die angenäht gehört hätten. Die Ohren hatten unterschiedliche Größen, da ich vergessen habe bei einem eine Nahtzugabe dazu zu rechnen und mir dachte, das würde schon nicht so schlimm aussehen. Falsch gedacht. Immerhin der Körper und die Arme waren ganz passabel, doch die Perfektionistin in mir schrie und die Pessimistin seufzte verzweifelt auf, denn wer so ein „Ding” lieb haben konnte, der musste wahrlich Wahrnehmungsstörungen haben. Oder verrückt sein.

Wie blöd nur, dass der Beschenkte mein bester Freund war, der trotz seines gesellschaftlichen Statuses raus schlagen konnte eine Bäcker- und Zuckerbäckerausbildung anzufangen und daher ein wirklich gutes Augen hatte, was Ästhetik und ähnliches anging, war es doch seine Aufgabe, Desserts zu backen, gestalten und zu verzieren und er das wirklich gut machte. Mich haute es jedes Mal aufs Neue vom Hocker, wenn er mir ein Bild der neuesten Torte schickte. Er ging in der Rolle wirklich auf.

Und sie passte auch viel besser zu ihm, als die Rolle des Landesverwalters, die seit Jahrhunderten in den Händen seiner Familie lag. Als Prinz hatte man nun mal so seine Verpflichtungen, denen er aber gekonnt entkam. Hatte aber auch so seine Vorteile, wenn man nicht der Älteste der Kinder war. Ganz im Gegensatz zu mir, hatte man als Erstgeborene doch gewisse Erwartungen der Familie zu erfüllen. Eine Rolle, die mir vermehrt auf die Nerven ging. Doch man lebte und arrangierte sich damit. Immerhin ließen mir meine Eltern die Freiheit selbst über meinen Bildungsweg zu entscheiden und so fristete ich als Jurastudentin und Assistentin in einer Anwaltskanzlei mein Dasein.

So hatte ich auch Florian kennengelernt. Der um zwei Jahre jüngere damalige Schüler stand im Büro seines Anwalts vor mir, erst vor kurzem frisch eingeschulte Assistentin, die nachts kein Auge zutat, weil sie die ganze Zeit am büffeln für die Klausuren war. Beim Anblick seines Pokerfaces musste ich schlucken. Ich wusste damals nicht, wer er war, doch sein Blick schüchterte mich ein. Im Nachhinein musste ich schon sagen: man sah ihm die Ähnlichkeit zum König an, der seine Gesichtszüge wiederum von seinem Vater geerbt hatte. Hohe Wangenknochen, die sein schmales Gesicht mit dem ausgeprägten Kiefer nur kantiger wirken liesen. Eine schmale, perfekt gerade, lange Nase. Seine schmalen Lippen, die sich nicht bewegten und denen dennoch unausgesprochene Urteile über mich entkamen. Und zu guter Letzt seine tiefliegenden grau-blauen Augen, die so kalt und bedrückend wirkten, wie ihre Farbe. Dennoch war einer meiner ersten Gedanken, dass er schön war. Doch seine ganze Haltung wirkte auf mich arrogant und von sich eingenommen. Und meine innere Bitch wurde davon getriggert. Ich musste meine Lippen zusammenkneifen, damit keine Worte entkommen konnten, die ich später bereuen und mich den Job kosten würden. Dementsprechend zwang ich mich zu einem Lächeln und begrüßte den neu eingetroffenen Klienten.

„Guten Tag! Herr Sodolski ist leider gerade auswärts im Dienst. Er sollte bald wieder kommen. Haben Sie einen Termin?”, ratterte ich die antrainierten Worte runter. Doch der junge Mann, der mich um eineinhalb Köpfe überragte, starrte mich nur an und in dem Moment, als mein Geduldsfaden am reißen war und ich schon den Mund aufmachen wollte, um etwas nicht so Nettes zu sagen, drang seine melodische Stimme an mein Ohr, die so überhaupt nicht zu seinem Auftreten passte.

„Mann, das sind ja mal tiefe Augenringe!” Diese Aussage nahm mir die gesamte Luft aus den Segeln und nun starrte ich ihn meinerseits an. „Schlafen Sie vielleicht schlecht? Also wenn ich nicht schlafen kann, mache ich mir einen Baldriantee und so schnell kann man gar nicht schauen, penne ich wie ein Baby! Wenn Sie wollen, bringe ich nachher den Tee vorbei, den ich mir immer kaufe.” Keine Ahnung, was in dem Moment über mich kam, aber ich nickte einfach nur, komplett perplex aufgrund seiner Reaktion. „Super! Ich nehme an, Sie haben um 18 Uhr aus. Mein Onkel sollte wirklich mal nicht so knausrig sein und noch eine Assistentin einstellen. Seine Assistentinnen so zu überarbeiten, das geht gar nicht.” Enttäuscht schüttelte er den Kopf und es kam wieder Leben in mich. Wild gestikulierte ich mit den Armen.

The Gift|OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt