Stille

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Stille...

Alles ist ruhig.

Endlich kann ich den Lärm und alles um mich herum vergessen.

Jeden Tag waren sie da,

Menschen, die nur mein Bestes wollten,

ja sie wollten mein Geld, meine Hilfe und mein Vertrauen.

Ich habe ihnen nichts davon gegeben.

Bin ich egoistisch?

Ja vielleicht.

Aber vielleicht bin ich einfach nur stark und klug genug gewesen, um nein zu sagen.

Meine Ruhe wird nun gestört.

Ich höre Stimmen.

Sie sind mir vertraut und dennoch gibt es nur einen Menschen, den ich hier dulde.

Er war es, für den ich kämpfte

Nicht, weil er mich als einziger ein Leben lang kannte,

nein, er war der Einzige, der wirklich mein Wohlergehen wollte.

Ich höre nun, wie sie alle reden, schluchzen und seufzen.

„HEUCHLER!"

Ich will es ihnen in ihre Gesichter schreien,

doch meine Lippen bleiben Stumm.

Wie oft haben sie mich um Hilfe angefleht?

Wenn ich ihnen half, bekam ein anderer den Dank.

Und wenn ich nein sagte,

beleidigten sie mich.

Für sie war ich ein Egoist, ein Arschloch und ein feiner Pinkel.

Nichts mehr.

Ich hätte ihnen mein wahres Ich zeigen können, aber wozu?

Was geht sie meine Gefühlswelt an?

Warum sollte ich ihnen meine Gefühle zeigen und von meiner Vergangenheit erzählen?

Ich will kein Mitleid, so was brauchen nur schwache.

Und ich war niemals schwach.

Ich war ich selbst.

Was ist das?

Ich kann mich nun bewegen und schaffe es, meine Augen zu öffnen.

Ich stelle mich hin und sehe meinen Bruder und die Anderen.

Er weint und es zerreißt mein Herz, ihn so zu sehen.

Er ist anders als ich.

Er war immer fröhlich, hilfsbereit und hat auch eher jemandem vertraut,

dennoch oder vielleicht gerade weil wir so verschieden waren, mochte er mich und ich ihn.

Ich will meine Hand auf seine Schulter legen,

doch ich greife durch ihn hindurch.

Ich spreche ihn an,

doch er kann mich nicht hören.

„Ich bin ein Nichts..."

„Warum?"

Ich sehe zu meinem Bruder, welcher mit zitternden Händen eine Rose auf mich legt.

„Es tut mir Leid..."

Wieder höre ich die Anderen.

„Er war noch so jung....das hat selbst er nicht verdient..."

Ich will, dass sie leise sind.

Wo waren sie, als ich allein war?

Als sie mal keine Hilfe brauchten,

oder als ich jemanden brauchte?

Nach einer Weile gehen sie.

Nur mein Bruder und ich sind noch da.

Für einen Moment treffen sich unsere Blicke.

Und es ist, als würde er mich sehen.

Doch wir schweigen.

Kein Wort verlässt nun unsere Lippen.

Ich sehe zu dem Gegenstand in seiner Hand.

Ich will ihn zurück halten und schaffe es nicht.

Ein lautloser Schrei durchbricht die Dämmerung vor der Nacht

Stille...

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