Kapitel 2

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Jasper

Ich war gerade dabei mit meinem besten Freund Will zu reden, als ein Mädchen direkt vor meiner Nase ausrutscht und nun vor uns auf dem Boden liegt. Im Flug hat sie mir auch noch mein Bier aus der Hand geschlagen. Na gut, das war eh schon halb leer gewesen. Alles ging ziemlich schnell, aber ich bin mir sicher dass hier nur ein weiteres Fangirl meine Aufmerksamkeit haben möchte. Was geht denn bei der schief.

Seit ich in einem Film meine erste Hauptrolle gespielt habe, ist mein ganzes Leben wie ein Traum. Ich bekomme massenhaft Nachrichten von Regisseuren und Produzenten. Alle wollen mit mir Filme machen. In der Öffentlichkeit kann ich mich schon lange nicht mehr frei bewegen, denn sobald ich ohne Cap und Sonnenbrille unterwegs bin, kommen Scharen von Menschen, die alle ein Autogramm von mir haben oder ein Foto mit mir machen wollen. Ja, ich bin berühmt. Und ich finde es schön. Hier im Club habe ich halbwegs meine Ruhe, es ist dunkel und die wenigsten hier achten auf mich, außerdem gibt es hier so viel Prominenz, dass ich nur einer von vielen bin.

Mit hochgezogener Augenbraue betrachte ich das Mädchen auf dem Boden. Sie sieht süß aus in ihrem viel zu großen Hemd und der löchrigen Hose. Gar nicht so aufgetakelt wie die anderen Frauen hier im Club. Ihre gewellten, braunen Haare stehen verwuschelt von ihrem Kopf ab, was einfach nur lustig aussieht.

Verzweifelt steht sie auf. "Oh Gott, das wollte ich nicht, die Pfütze war auf einmal da und ich konnte mich einfach nicht mehr bremsen... und, oh nein, dein Bier habe ich auch noch verschüttet? Es tut mir so leid. Ich kaufe dir ein neues, in Ordnung?"

Ich muss grinsen, und auch Will neben mir grunzt leise vor sich hin. Sie erkennt mich wohl nicht. "Alles gut, ich wollte eh nichts mehr trinken, geht es dir gut?"

"Jaja, mir geht es prima!", antwortet sie, aber ich kann in ihrem Gesicht sehen, dass sie Schmerzen sie hat. "Ich zahle dir trotzdem ein Neues, warte nur eine Sekunde." Sie tastet ihre Hosentaschen ab und verzieht dann das Gesicht zu einer Grimasse. "Neeeeeiiin", stöhnt sie genervt. "Ich bin gleich wieder da, bleib wo du bist.", befiehlt sie mir und humpelt davon. Ich schaue ihr nach und frage mich ob sie vielleicht verrückt ist. Oder einfach nur betrunken.

"Was war denn das?", fragt Will und kämpft damit nicht laut los zu lachen.

"Ich glaube die hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.", überlege ich halbherzig. Aber eigentlich wirkte sie einfach nur verplant und tollpatschig.

"Ja, ich meine, wer geht denn ohne Geldbeutel zu feiern?", macht sich Will über sie lustig.

"Das wundert mich überhaupt nicht.", antworte ich lächelnd. Wer so verplant ist, sollte besser keine Wertsachen bei sich tragen.

Nach einer viertel Stunde, ich hatte die Hoffnung dass sie wieder kommt schon aufgegeben, kam sie, mit einem Fünf Euro Schein wedelnd, zurück. "Huhu, da bin ich schon wieder!"

"Schon ist gut...", sagt Will leise zu mir, und ich verdrehe innerlich die Augen. Er beschwert sich immer, egal was passiert, es passt ihm nicht.

Das Mädchen nimmt mich am Arm und zieht mich hinter sich her, dabei plappert sie unaufhörlich vor sich hin. "Also weißt du, ich hatte das Geld ja bei meiner Schwester, die hat nämlich eine Handtasche dabei, das ist viel praktischer und ich verliere mein Zeug ja sowieso immer. Nur leider habe ich sie jetzt nicht sofort gefunden, sie ist nämlich echt klein, also kleiner als ich, und das ist echt cool weil so kann ich sie immer ärgern, dass sie älter ist aber kleiner ist und so. Naja letztendlich hat sich dann heraus gestellt dass ich sie gar nicht finden konnte, sie war ja auf dem Klo und ich kann ja nicht durch Wände schauen. Oh was willst du eigentlich trinken? Und will dein Freund auch was?"

"Ein Desperados bitte." Ich bin geplättet von ihrem Vortrag eben. Wie schnell redet die bitte? Hat sie von ihrer kleinen oder großen Schwester erzählt? Ich konnte nur einzelne Satzteile aufschnappen und bin dementsprechend dezent verwirrt. Auch Will schaut blöd aus der Wäsche und meint dann: "Das selbe für mich."

Dass ich mich von einem Mädchen zum trinken einladen lasse ist noch nicht oft vorgekommen, und wahrscheinlich hätte ich auch etwas dagegen gesagt, aber ich bin so überfordert mit der ganzen Situation, dass ich darauf nicht mit meiner betont coolen Art reagiere.

"Ja Despo trinke ich auch ganz gerne, wenn ich nicht sofort betrunken sein möchte.", plappert das Mädchen weiter, sagt der Barfrau kurz was sie will und dreht sich wieder zu uns. "Ich hab aber heute schon genug getrunken. Ich bin übrigens Kira, ich komme von hier. Also ich meine mit hier nicht den Club, sondern München, ist ja klar oder?"

Ah, Kira also. Passt irgendwie zu ihr.

Die Frau an der Bar schiebt und die zwei Flaschen rüber und sagt: "Sechs Euro macht das dann."

Kira reißt die Augen auf und schaut auf ihren Fünfer. Sie hat schöne, haselnussbraune Augen mit dichten schwarzen Wimpern. Ich kenne Mädchen die für solche Wimpern töten würden.

"Ich hab aber nur fünf." Sie schaut die Barfrau schockiert an.

Geistesgegenwertig zückt Will sein Portmonee und gibt Kira den fehlenden Euro. "Gern geschehen." Er schüttelt den Kopf als könnte er nicht fassen wie man so schusselig sein kann.

Kira errötet beschämt und bezahlt schnell. Ich grinse in mich hinein. Sie ist mir sympathisch. Lange habe ich kein Mädchen mehr getroffen, dass nicht nur mit mir reden wollte weil ich berühmt bin. Ihre natürliche, freundliche Art gefällt mir und ihre gute Laune steckt an.

"Oh man danke, du hast mich davor gerettet vor Peinlichkeit zu sterben. Wie heißt ihr eigentlich?" Da haben wir es, sie weiß also wirklich nicht wer ich bin.

"Das ist Will und ich bin Jasper. ", stelle ich uns vor.

"Hallo Will und Jasper, euch habe ich ja noch nie hier gesehen. Ach ja ich war ja auch noch nie hier. Egal ich muss jetzt wieder zu meiner Schwester, wir gehen glaube ich bald, wie viel Uhr ist es denn? Ich hab leider auch mein Handy bei ihr." Sie lächelt entschuldigend.

Ich schaue auf mein Handy. "Es ist halb zwei."

"Okay, tschüss Will und Jasper!", verabschiedet Kira sich und winkt uns, während sie humpelnd in der Menge verschwindet.

Ich schaue ihr nach und frage mich ob ich sie je wieder sehen werde. Krieg dich mal wieder ein, du kannst jede haben, da wirst du es schon aushalten wenn du sie nie wieder triffst, rufe ich mir ins Gedächtnis und blicke zu Will.

Er nickt wissend. Natürlich. Er kennt mich besser als sonst irgendwer auf der Welt. Seit meine Exfreundin mich verlassen hat um mit irgendeinem stinkreichen Sack auf Mallorca zu leben habe ich die Finger von Frauen gelassen. Um mich selbst zu schützen, aber auch einfach, weil ich keine Zeit für soetwas habe. Beziehungen... wo soll das auch hinführen, beruflich bin ich ständig unterwegs.

Wir trinken aus und brechen dann auf. Morgen in der Früh bin ich mit meinen Eltern zum Frühstücken verabredet und möchte davor noch etwas schlafen. Immer wenn ich in der Stadt bin treffen wir uns in unserem Stammcafé, dank seiner abgelegenen Lage sind wir dort meistens unter uns.

Wir sind durch den Hintereingang hinaus gegangen und dann hat mein Chauffeur erst Will und dann mich heimgefahren. Das ist echt angenehm, früher musste ich immer U-Bahn fahren und das war oftmals eher unschön.

Ich schließe die Tür zu meiner Wohnung auf und freue mich zuhause zu sein. Ich esse noch kurz was, gehe dann aber ins Bett. Doch ich kann nicht wirklich einschlafen, meine Gedanken kreisen um den heutigen Abend und um Kira. Ich hatte nicht erwartet heute Abend jemanden kennenzulernen, und kennengelernt habe ich Kira ja auch nicht. Diese flüchtige Begegnung hat aber gereicht um mich vollkommen aus dem Konzept zu bringen.

Kamera KiraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt