Kapitel 1 [Daisy]

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Meine Hände waren kalt und weiß, und ich konnte meine Finger kaum noch spüren, als ich schwer atmend die letzte Stufe erklommen hatte

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Meine Hände waren kalt und weiß, und ich konnte meine Finger kaum noch spüren, als ich schwer atmend die letzte Stufe erklommen hatte. Meine rote Daunenjacke, die ich letztes Jahr für meinen Urlaub in Alaska gekauft hatte, war nicht einmal ansatzweise warm genug und auch meine gefütterten Stiefel hatten meine Füße nicht wirklich vor dem Frieren bewahrt. Deshalb machte mein Herz einen Freudensprung, als ich die lange Hängebrücke erblickte, die über dem tiefen Abhang ragte und geradewegs zu dem großen Haus mit dem lustigen, spitzen Dach führte.

Es hatte inzwischen aufgehört zu schneien, doch überall wo ich hinblickte lag Schnee, so hoch, dass es vermutlich unmöglich war, abseits der geräumten Wege zu gehen. Trotz der klirrenden Kälte verweilte ich einige Sekunden auf der Stelle, um die weite, schöne Schneelandschaft zu betrachten. Der Himmel war blau, ohne auch nur eine einzige Wolke, und der Wind sauste über die Bergwipfel wie der Atem eines höheren Wesens.

Mein schwarzes Haar flatterte wild umher und fiel mir über die Augen, weshalb ich mir die Zeit nahm, es mit einem roten Haarband nach hinten zu binden. Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, doch bei diesen Temperaturen schmerzte jede Bewegung, weshalb es rasch erstarb. Die Stille war so unglaublich, dass mir zum ersten Mal bewusst wurde, was wahre Stille wirklich bedeutete.

Es war eine gute Idee von Celine, dass wir uns ein paar Wochen in den Bergen ausruhen und alles vergessen können.

Ich horchte in die Stille, in der nichts außer dem Sausen des Windes zu hören war. Doch das Bewundernswerte war vermutlich der eingefrorene See, der wie ein Kristall in der Tiefe unter der Hängebrücke ruhte. Die Stille und das reglose, eingefrorene Wasser des Sees erweckte den Anschein, die Zeit wäre stehengeblieben.

Als ein kalter Luftzug über mein Gesicht streifte, erschauderte ich und packte den großen Rucksack, den ich auf dem Boden abgestellt hatte, um ein wenig zu verschnaufen. Entschlossen betrat ich die lange Hängebrücke, die mich zu dem Gasthaus führen sollte, und auch wenn ich anfänglich immer wieder nervöse Blicke in den Abgrund auf den kalten See warf, gewöhnte ich mich mit jedem weiteren Schritt immer mehr an die Höhe.

Letztlich war es nicht nur die Kälte, sondern auch der Hunger, der mich anspornte, denn abgesehen von dem Butterbrot, das ich am Bahnhof gekauft hatte, hatte ich seit vielen Stunden nichts mehr zu mir genommen. Die letzten Schritte rannte ich und als ich endlich vor dem kleinen Zaun stand, der das Grundstück des Gasthofes von der Außenwelt abtrennte, seufzte ich erleichtert auf. Meine Beine schmerzten von der langen Wanderung und ich wünschte mir nichts sehnlicher als eine heiße Tasse Salbei-Tee mit Zitrone.

Mit zitternden Händen drückte ich das rostige Tor auf, das knarzend aufschwang, und den Blick auf einen schmalen, vom Schnee freigeräumten Kieselsteinpfad freilegte.

Während ich über den Weg stapfte, betrachtete ich die große, voll beschneite Wiese, auf der nicht ein einziger Baum zu finden war und die nach etwa zehn Metern steil nach unten in einen Abgrund verlief. Mitten auf dieser freien Fläche thronte das Gasthaus mit dem Spitzdach, aus dessen Schornstein Rauch quoll und sich mit dem Dunst des Nebels vermischte.

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