Kapitel 1

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„Das ist Peaches. Wir haben ihn selbst großgezogen. Seine Mutter Melania hat den armen Kleinen, doch glatt verstoßen. In der Hundeschule, aber ist er komplett aufgeblüht. Er ist so ein artiger Hund. Schreiben Sie das mit?"

Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch.

"Wie? Oh ja, ja natürlich, alles sehr interessant Frau..."

Ich überfliege schnell meine unsauberen Notizen.

"Frau Baltimoor", entziffere ich.

Frau Baltimoor lächelt zufrieden und schaut mich mit fast genauso großen Augen an, wie ihre Hunde. Wahrscheinlich freut sie sich, dass sich jemand ernsthaft für ihre Hundesammlung interessiert.

"Gut, also wir sollten vielleicht noch einmal durchgehen, wie viele verschiedene Rassen sie haben", sage ich gelangweilt.

Die Hundemama scheint meine verhaltene Begeisterung nicht zu bemerken, nickt und klatscht freudig in die Hände, wie ein kleines Mädchen. Sie führt mich zu ihrem pinken Plüschsofa, muss drei Hunde umbetten und bedeutet mir danach Platz zu nehmen.

"Also Peaches ist ein Zwergspitz, wie man ja sieht."

Sie zieht den kleinen Köter auf ihren Schoß und strubbelt ihm durchs Fell. Ich nicke. Eigentlich habe ich keine Ahnung von Zwergspitzen, geschweige denn von Hunden im Allgemeinen. Aber was tut man nicht alles, um den Artikel fertig zu bekommen. Katie war so begeistert gewesen, als sie mir die neue Story aufgebrummt hatte, sie wäre wohl am liebsten selber hier. Die größte Hundesammlung in ganz Neustadt, sehe ich die Schlagzeile schon vor mir. Wäre doch nur Katie an meiner Stelle hier, ich hätte meinetwegen, auch den Typen mit der Kaktus-Phobie genommen.

Aber nun sitze ich hier, eingepfercht auf einem super weichem Plüschsofa und neben mir ein nackter (!) Hund. Als ich an dem Kaffee nippe spüre ich ein feines Haar auf der Zunge und ich würge den Schluck so unauffällig wie nur möglich hinunter. Höflich nicke ich, während Frau Baltimoor mir eine unglaublich lange Liste an komplizierten Hunderassen Namen um die Ohren haut.

Nach einer Stunde raucht mir der Kopf, aber wir sind endlich fertig. Ich verabschiede mich zügig und sauge die frische Nachmittagsluft vor der Tür gierig ein. In einer winzigen Wohnung mit über zwanzig Hunden, bleibt nicht viel Platz zum Atmen.

Erleichtert schlendere ich über den Bürgersteig vorbei an unzähligen Mehrfamilienhäusern aus rotem Backstein, hinein in die Freiheit - meinen wohlverdienten Feierabend. Da klingelt plötzlich mein Handy. Das blöde Ding hat sich mal wieder selbst laut gestellt und so schmettert mir ein alter Song, dessen Namen ich längst vergessen habe, in einer ohrenbetäubenden Lautstärke entgegen. Endlich bekomme ich es in den unendlichen Weiten meiner Handtasche zu fassen. Dabei fällt mir ein längst verloren geglaubter Kugelschreiber gleich mit hinaus.

„Hallo?", melde ich mich mit gepresster Stimme, weil ich versuche den Stift vom Boden aufzuheben, ohne mich großartig weit hinunter beugen zu müssen.

„Hey Mama."

Da ist er ja! Der Kuli wandert gleich wieder in das Handtaschen Nirwana zurück. Ich hoffe wir werden uns in diesem Leben wenigstens noch einmal wiedersehen.

„Nein, ich habe das Familien-Grillen nicht vergessen", beantworte ich die Frage meiner Mutter im Gehen.

„Ja, ich bringe mir die vegetarischen Würstchen selber mit."

Ich klemme mir das Handy zwischen die Schulter, um mein rostiges Fahrradschloss aufzubekommen.

„Gut, ja, dann bis später."

Erleichtert lege ich auf. Meine Mutter denkt wirklich immer noch, dass ich nichts alleine auf die Reihe bekomme. Dabei bin ich mittlerweile 26, habe meine eigene Wohnung, einen festen Job und komme außerdem prima im Leben klar.

Erwachsen sein ist doch nicht so leichtWhere stories live. Discover now