Weg

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Ich rannte aus der Küche und in mein Zimmer. Hinter mir schloss ich blitzschnell die Tür, damit er nicht hineinkommen konnte. Mein Herz raste. Mit zitternden Händen schob ich eilig einen Stuhl unter die Türklinke, damit sie nicht runtergedrückt werden konnte. "Cassie! Du kannst dich nicht vor mir verstecken! Ich werde dich finden! Komm her, mein süßes Mädchen", hörte ich die Stimme meines Vaters bedrohlich immer näher kommen. Ich drückte meinen Rücken noch stärker gegen die Tür und schloss die Augen. Heute nicht. Heute würde er mich nicht bekommen. Nicht schon wieder. Ich musste hier weg.

Mein Blick schweifte durchs Zimmer. Ich erblickte einen verstaubten Rucksack. Dies war mal mein Schulranzen gewesen. Als noch alles gut war und ich mich nicht vor ihm verstecken musste. Als meine Mutter noch lebte.
Gedankenfetzen jagten durch meinen Kopf.

𝑊𝑖𝑒 𝑒𝑟 𝑠𝑖𝑒 𝑠𝑐ℎ𝑙𝑢𝑔, 𝑏𝑖𝑠 𝑠𝑖𝑒 𝑎𝑢𝑓 𝑑𝑒𝑚 𝐵𝑜𝑑𝑒𝑛 𝑙𝑎𝑔. 𝑊𝑖𝑒 𝑖𝑐ℎ 𝑑𝑎𝑧𝑤𝑖𝑠𝑐ℎ𝑒𝑛 𝑔𝑒ℎ𝑒𝑛 𝑢𝑛𝑑 𝑚𝑒𝑖𝑛𝑒 𝑀𝑎𝑚𝑎 𝑏𝑒𝑠𝑐ℎ𝑢̈𝑡𝑧𝑒𝑛 𝑤𝑜𝑙𝑙𝑡𝑒, 𝑎𝑙𝑠 𝑒𝑟 𝑚𝑖𝑐ℎ 𝑑𝑎𝑣𝑜𝑛 𝑠𝑐ℎ𝑢𝑏𝑠𝑡𝑒. 𝐷𝑖𝑒 𝐿𝑖𝑐ℎ𝑡𝑒𝑟 𝑢𝑛𝑑 𝑙𝑎𝑢𝑡𝑒𝑛 𝑆𝑖𝑟𝑒𝑛𝑒𝑛 𝑑𝑒𝑠 𝐾𝑟𝑎𝑛𝑘𝑒𝑛𝑤𝑎𝑔𝑒𝑛𝑠. 𝑈𝑛𝑑 𝑤𝑖𝑒 𝑚𝑒𝑖𝑛 𝑉𝑎𝑡𝑒𝑟 𝑖ℎ𝑛𝑒𝑛 𝑒𝑟𝑧𝑎̈ℎ𝑙𝑡𝑒, 𝑑𝑎𝑠𝑠 𝑒𝑠 𝑎𝑛𝑔𝑒𝑏𝑙𝑖𝑐ℎ 𝑒𝑖𝑛 𝑈𝑛𝑓𝑎𝑙𝑙 𝑤𝑎𝑟.

Ich schüttelte den Kopf. Weg mit den fiesen Erinnerungen! Ich musste mich jetzt erst einmal darauf konzentrieren, dass er mir nicht dasselbe antut, wie ihr. Ich lief zu meinem Bett, unter dem der Rucksack lag und schnappteihn mir. "Cassie... mein liebes Kind. Ich dachte, du würdest wissen, dass du dich nicht mit einem Jungen treffen darfst"
Die Schritte wurden lauter. Er kam immer näher. Haarbürste, Kleidung und eine Flasche - flink packte ich alles ein und sah mich noch einmal um. "Sabine hat mir alles erzählt. Das ihr ein Eis gegessen habt... euch zum Abschied umarmt habt... dabei weißt du doch, dass du nur mir Nähe zeigen darfst. Schon vergessen?"
Er drückte die Türklinke runter und der Stuhl wackelte. Ich riss die Augen auf, die Angst überkam mich.

Ich bückte mich unters Bett, um meine Spardose hervorzukramen. All das Geld, das meine Mutter mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hatte, habe ich darin verstaut. Als Vorbereitung für genau diesen Moment. "Fuck, Cassie, öffne endlich diese scheiß Tür!", schrie er plötzlich. Ich schraubte den Deckel der Dose ab und schob die wenigen Scheine in meinen Rucksack. Mein Vater wurde immer aggressiver und rüttelte nun an der Tür. Ich stand auf und lief zum Fenster, öffnete es und blickte nach unten. Dritter Stock.
Ein Blick auf die Regenrinne neben dem Fenster genügte. Ich wusste, wie ich hier raus kommen würde.
"Ich hoffe für dich, dass sich unsere Nachbarn nicht wieder wegen der Lautstärke beschweren! Dann droht dir nämlich noch viel mehr als nur Schläge!"

Ich umklammerte die Regenrinne und ließ mich an ihr hinunter gleiten. In dem Moment hörte ich, wie eine Tür aufgerissen wurde und ein Möbelstück umfiel. "Scheiße, wo ist diese Schlampe bloß hin?!" war alles, was ich hörte. Ich sah noch ein letztes Mal nach oben, der Kopf meines Vaters schaute aus dem Fenster. Zornig schrie er. Ich fing an, zu rennen. Blitzschnell sprintete ich los. Mir war es egal wohin, Hauptsache weg. Weg von dem kleinen verlassenen Örtchen namens Oertelbach, wo nur alte Menschen lebten, die es nicht interessierte, was hinter verschlossenen Türen bei den Nachbarn geschah.
Einfach nur weg.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 12, 2022 ⏰

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