Kapitel 1

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Der Sonnenball, der wie jedes Jahr den Sommer einleitet, war auch in diesem Jahr wieder ein voller Erfolg. Wie von der Familie Flamegard zu erwarten, empfing uns an diesem Abend ein prachtvoller Saal, geschmückt mit Gestecken aus blauen Veilchen und Goldregen, die das Sommerthema perfekt unterstrichen. Auch durften wir wieder die zahlreichen jungen Damen bewundern, die in ihren prachtvollen Kleidern aus den Kutschen stiegen. Allen voran natürlich die wunderschöne Lady Taraneh Flamegard in einem rückenfreien Traum aus Gold und gelb, die an der Seite des Gastgebers, ihres Vaters Lord Flamegard, das Fest betrat.  Das Kleid passte im Ton nicht nur hervorragend zu ihren hochgesteckten goldblonden Locken, sondern die kleinen blauen Diamanten, die zwischen den Goldglöckchen und Sonnenblumen eingearbeitet waren, sollten sicher an ihre fabelhaften saphirblauen Augen erinnern. Dieses Jahr stammt ihr Kleid übrigens von dem berühmten Designer Ernestolio, der es nicht nur hervorragend geschafft hat, ihre anmutige Figur mit diesem Meisterwerk zu betonen, sondern das Farbthema perfekt zu dem des Ballsaals abgestimmt hat ...

Was für ein Gesülze! Genervt verdrehte ich die Augen und warf mit einem Schnauben die Zeitung auf den Tisch. Abfällig starrte ich auf den Artikel. Immer das Gleiche! Egal ob es sich um einen Ball, eine Soiree oder auch nur um einen einfachen Kaffeeklatsch handelte. Jedes verdammte Mal prangte danach sofort ein ausladender Artikel über mich in der Zeitung, in dem es nur darum ging, wie toll ich ausgesehen hatte und was für eine Schönheit ich doch war. Als gäbe es nichts Wichtigeres für eine junge Dame auf dieser Welt.

Auf der Titelseite prangte ein Bild, das mich in besagtem Kleid zeigte. Von allen Seiten und Winkeln. Weiterhin lobpreiste mich der Artikel als Königin des Abends und beschrieb das Kleid, meine Frisur und meinen Schmuck bis ins kleinste Detail. Als analysierte ein Sachverständiger ein Kunstwerk. Ich verstand nicht, wie der Autor es schaffte, drei ganze Seiten damit zu füllen. Doch das war es wohl, was die meisten in mir sahen. Ein bildschönes, verwöhntes Mädchen der Flamegardfamilie.

Nun gut, ich könnte mir ab sofort Hosen anziehen und wild mit einem Degen herumfuchtelte, um zu rebellieren. Dann wäre mir die Aufmerksamkeit der Reporter erst recht sicher und wahrscheinlich würden sie auch dann noch schreiben, dass ich selbst in Hosen gut aussah. Bei der skurrilen Vorstellung eines Fotos von mir, breitbeinig dastehend, die eine Hand in die Hüfte gestemmt und in der anderen einen erhobenen Degen, musste ich schmunzeln.

Letztendlich war es mir doch egal. Sollten sie doch über mich schreiben, was sie wollten.

Etwas anderes als Abendgesellschaften, Soireen und Teekränzchen würde es in meinem Leben nicht geben. Das hieß auch, dass ich mich langweilen würde, bis ich alt und grau war. Nicht, dass ich nicht gerne tanzte, und schöne Kleider trug – schließlich wollte ich nicht undankbar sein. Aber von allen nur wegen seinem Aussehen Beachtung zu bekommen, das schmeckte mir nicht. Davon abgesehen, dass die meisten Männer wohl meinten, ich sei ein dummes Blondchen.

Die Türen zu meinem Zimmer flogen auf und Asa, meine Cousine tänzelte herein. Ihre hellbraunen Haare kunstvoll hochgesteckt in einem nachtblauen Kleid mit roten Bändern.

»Die Post ist gerade gekommen«, zwitscherte sie vergnügt. Mir hingegen entlockte es ein weiteres schweres Seufzen.

»Und?«, fragte ich.

»Sieh mal, was für dich gekommen ist.« Sie drückte mir fünf Briefe in die Hand. Allein beim Durchsehen der Adressen verzog ich das Gesicht. Einladungen aus den verschiedenen Adelshäusern. Nicht nur das – meistens von Müttern mit Söhnen, die mich wohl zu gerne mit ihnen verkuppeln wollten.

Ich legte die Briefe auf den Tisch.

»Willst du sie nicht aufmachen?«, fragte Asa.

»Nein. Ich weiß schon, worum es geht und ich hab keine Lust, mir wieder die schwülstigen Reden der Damen über ihre Söhne anzuhören.«

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⏰ Last updated: Apr 09, 2021 ⏰

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