Langsam lässt er sich an der Wand hinuntergleiten. Achtlos fällt das gerahmte Bild neben ihn auf den Boden. Er umklammert mit beiden Armen seine Füße und zieht sie so weit wie nur irgendwie möglich an sich heran. Sein Blick ist starr nach vorne gerichtet. Ein einziger Lichtstreif, der sich seinen Weg in das ansonsten stockdunkle Zimmer bahnt, fällt auf sein Gesicht. Verräterisch friedlich tänzeln tausende Schneeflocken durch die Luft und überdecken die Straßen wie eine Puderzuckerschicht. Er hat nicht mitbekommen, wie es angefangen hat zu schneien. Aber er hat auch nicht bemerkt, dass es schon längst dunkel geworden ist. Er weiß nicht einmal, wie spät es ist. Doch das ist egal. Alles unbedeutend.
Nothing makes you hurt like hurtin' who you love
And no amount of words will ever be enough.Leere. Leere ist alles was er spürt. Er wünschte, er könnte weinen. Doch das kann er schon lange nicht mehr. Egal wie sehr er es auch versucht. Keine einzige verdammte Träne findet ihren Weg über seine Wange. Nicht einmal das funktioniert.
Wann ist sein Leben zu einem einzigen Scherbenhaufen geworden? War er nicht gerade noch glücklich? War nicht gerade noch alles perfekt?
Er schließt die Augen und lehnt seinen Kopf gegen die kalte Wand hinter ihm. Er will das nicht. Er will das alles nicht mehr.Denn alles fühlt sich taub an. Er spürt nichts. Der Schmerz ist schon lange der Leere gewichen. Dabei hat er wirklich geglaubt, wenn er sich nur lange genug quält und dieses verdammte Bild anstarrt, dann würde er wiederkommen. Doch das tat er nicht. Genauso wenig wird Harry wiederkommen. Er hat ihn weggeschickt. So als hätte er ihm nichts bedeutet. Nur eine kleine Ablenkung von den Sorgen des Lebens. Er hat gelogen. Und Harry hat es geglaubt. So wie er all seine Lügen geglaubt hat.
Mit jeder einzelnen hat er sich gewünscht, Harry würde ihn durchschauen. Würde die inhaltslosen Hüllen an Worte erkennen. Doch Harry hat es nicht bemerkt.
Louis weiß nicht, was ihm mehr wehgetan hat: Seine Worte oder dass Harry diese, ohne mit der Wimper zu zucken, hingenommen hat. Dass dieser nicht bemerkt hat, wie sein Herz mit jeder Silbe etwas weiter brach.
I looked you in the eyes, saw that I was lost. For every question "why", you were my "because".
Eine einzige Frage hätte gereicht.
Warum?
Ein Wort. Fünf Buchstaben. So unscheinbar und doch so bedeutend.
Doch es ist zu spät. Er hat es verbockt. Harry ist in LA und er ist hier.
Die Ironie könnte nicht größer sein. Während Harry wahrscheinlich am Pool liegt, sich die Sonnen auf den Bauch scheinen lässt und die Aufmerksamkeit aller auf sich zieht, sitzt Louis im verschneiten London, die Dunkelheit umhüllt ihn und er kann sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal mit einer anderen Person gesprochen hat.Er kann es nicht rückgängig machen. Die Worte nicht unausgesprochen machen. Egal wie sehr er sich das auch wünscht.
Mit zitternden Händen greift er nach dem Bildrahmen.
Vorsichtig streicht er mit den Daumen über das schwarz-weiße Foto. Trotz der tristen Farben kann man das Glück der beiden Personen auf dem Bild förmlich spüren.
Louis hat darauf seine Hände in Harrys Nacken verschränkt. Sie stehen so nahe beieinander, dass kein Blatt Papier zwischen sie passt. Während Harrys eine Hand auf Louis Wange liegt, umschlingt die andere seine Hüfte. Beide haben ein riesiges Grinsen auf den Lippen. Aber das ist es nicht, was Louis plötzlich einen heftigen Stich durch die Brust fahren lässt.Es ist die Art wie Harry ihn ansieht. Wie er ihn immer angesehen hat. Voller Liebe und Zuneigung. So als wäre Louis die Sonne, um die Harrys Welt kreist.
Und doch ist er gegangen.
Einfach gegangen.
Louis kann sich ganz genau an die letzten Minuten erinnern, bevor Harry sich umdrehte und aus seinem Leben verschwand.
Er hat Harrys Blick gesucht, in der Hoffnung, er würde erkenne, wie kaputt er ist. Auch Harry hat ihn angesehen, doch in seinen Augen lag weder Liebe noch Zuneigung. Sein Gesicht war überzogen mit einer kalten Maske.Und genau das war der Moment in dem Louis wusste, dass er ihn verloren hatte. Harry hätte ihn anschreien können, in Tränen ausbrechen können oder ihm einfach eine scheuern können. Doch er hat all das nicht getan. Er ist einfach nur dagestanden. Hat ihn ausdruckslos angesehen.
Hat sie aufgegeben.
Fast mit Erleichterung nimmt Louis wahr, wie sich endlich Tränen in seinen Augen bilden. Langsam rollen sie ihm über die Wange und fallen lautlos auf das trübe Glas des Bilderrahmens in seiner Hand.
Ein lauter Schluchzer verlässt seine Lippen. Ein herzzerreißender Schluchzer.Und doch ist Louis erleichtert.
Er fühlt. Nach all den Tagen und Wochen. Seine Brust bebt, hilflos schnappt er immer wieder nach Luft.
Er fühlt sich wie ein Ertrinkender.
Immer weiter lässt er sich von dem Strudel seiner Gefühle nach unten ziehen.Vorsichtig legt er das Foto neben sich auf den Boden und schlingt seine Hände fest um seinen Körper.
Wie mit einem Faustschlag ins Gesicht wird Louis bewusst, warum sein Körper ihm die letzte Zeit verboten hat zu fühlen.
Reiner Selbstschutz.
Denn er vermisst Harry. Und das tut weh. Sehr.Der Schmerz war zurück. Harry leider nicht.
Louis weiß nicht, wie lange er in dieser Position auf dem Boden saß und sich selbstbemitleidete.
Draußen ist es noch immer dunkel und auch die Schneeflocken tänzeln noch immer verräterisch friedlich durch die Luft. Unaufhörlich laufen die Tränen über Louis Gesicht. Es ist, als würden all die unterdrückten Gefühle der letzten Wochen auf einmal an die Oberfläche kommen.
Langsam richtet sich Louis auf und streicht sich mit dem Ärmel seines Pullis über das Gesicht. Vergebens. Sofort überzieht dieses eine neue Tränenspur. Trotzdem nimmt Louis all seine Kraft zusammen und zieht sich auf die Beine.Sein Hals ist unglaublich trocken und er braucht unbedingt etwas zu trinken. Mit schweren Schritten schleppt er sich zur Treppe. Er stockt.
Im Erdgeschoss brennt Licht. Sofort bemerkt er, wie sein Herz anfängt heftig gegen seine Brust zu schlagen. Sein Kopf verbietet ihm den Gedanken, doch alles andere in seinem Körper schreit förmlich danach.Zögernd nimmt er die ersten Stufen der Treppe.
Spätestens als er die perfekt aufeinander abgestimmten Gucci Koffer im Gang sieht, ist er sich sicher.
Er ist hier.
Für einen kurzen Moment hat Louis das Gefühl ohnmächtig zu werden. Ganz schön viel Gefühle auf einmal. Doch er ist überfordert und sein Puls sicher nicht mehr gesund.
Wie oft hat er von diesem Moment geträumt? Und jetzt? Jetzt steht er wie angewurzelt im Gang und weiß nicht, ob er überhaupt bereit ist.
Tief atmet er noch einmal durch und geht dann langsam ins Wohnzimmer. Das kleine Licht auf der Kommode hat Harry verraten.
Als Louis den Raum betritt hebt Harry seinen Blick und augenblicklich hört Louis, wie sein Herz förmlich zerbricht.Harry sieht furchtbar aus. Genauso furchtbar wie er sich fühlt. Louis hätte mit seiner Annahme nicht falscher liegen können.
Es scheint als hätte Harry mindestens genauso wenig Schlaf wie er selbst gehabt. Da ist selbst die Sonne in LA nutzlos dagegen.
Dicke Ringe zieren seine Augen und seine Haare hängen ihm ungewohnt glanzlos ins Gesicht.
Harry hat die Hände verschränkt und sieht Louis an.Es ist kein Blick voller Liebe und Zuneigung, aber es ist auch kein Blick voller Leere.
Sofort merkt Louis wie sich automatisch die Wände um ihn herum wiederaufbauen.
Es ist ein fragender Blick. Und es braucht keine Worte, um die Worte dahinter zu verstehen.
„Warum?"
Doch mit einem Mal spürt er, wie alle um ihn herum einbricht. Dieses Mal will er alles richtig machen. Seine zweite Chance nutzen.And I, I watched them all come fallin' down. I watched them all come fallin' down for you, for you.
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𝐖𝐚𝐥𝐥𝐬 ¦ 𝐥.𝐬
FanfictionLouis würde so gerne alles wieder rückgängig machen, kann er aber nicht. Während Harry sich in LA die Sonne auf den Bauch scheinen lässt, sitzt er im verschneiten London und versucht über Harry hinwegzukommen.