Meine Liebe

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Es war eine schwere Zeit für Severus Snape.

Schon seit Wochen schien er mehr leblos als lebendig zu sein und jeder von Gwendolyns Versuchen ihren besten Freund aufzuheitern war gescheitert. Der fehlende Appetit hatte ihn dünn werden lassen, die Schlaflosigkeit hatte ihm dunkle Ringe unter die Augen gezeichnet und seine Lethargie offenbarte sich in fleckigen Umhängen und fettigen Haaren.

Dabei hatte Gwendolyn alles versucht – doch nichts wollte funktionieren. Weder Scherze noch das neue Zaubertrankbuch, das sie eigens bei Florish & Blotts für ihn geordert hatte, konnten Sev aufmuntern. Severus Snape war am Boden zerstört und schuld daran war einzig und allein Lily Evans.

Grelles Licht,

Tag für Tag,
Viel zu schnell,

Kopfinfarkt.
Deine Seele kollabiert.

Schon seit geraumer Zeit beobachtete Gwendolyn ihren Freund, der gerade am Fenster des Zauberkunstklassenzimmers saß. Er hatte den Kopf in seine Hände gestützt und starrte abwesend unter sich auf den Tisch. Die letzten warmen Strahlen der Septembersonne schienen auf ihn herab und das helle Licht wurde von der polierten Platte des Schreibtisches reflektiert und ließ seine, ansonsten fast schwarzen Augen, beinahe weiß wirken. Es verlieh ihm einen Ausdruck von unberechenbaren Wahnsinns der Gwendolyn gleichermaßen beunruhigte wie auch besorgte.

Wie lange sollte das so weitergehen?

Wie lange würde es Severus noch quälen?

Und alles nur wegen dieser Evans, die nun mit Potter ausging!

Gwendolyn hatte nie verstanden, was ihr Freund an der Rothaarigen je interessiert hatte. Sie schob es irgendwann auf die Tatsache, dass ihre Bekanntschaft schon vor Hogwarts bestand, denn die beiden waren so unterschiedlich, dass Gwen nicht einmal wusste, was sie überhaupt einst verband. Lily war so ein unglaublicher naiver Gutmensch, fernab von jeglicher Realität, dass Gwendolyn sich so manches Mal fragte, ob Severus in ihr eine Art heile Welt – eine Zuflucht ‑ gesehen hatte. Doch diese heile Welt lag nun in Trümmern und es gab kein Zurück mehr.

Ich bin der, der bei dir ist,
der dich stärkt, der dich beschützt,
dass du mir hier nicht erfrierst.

Dabei hatten die beiden sich sowieso fast nur noch gestritten, weil sie sich auseinandergelebt hatten, oder eigentlich, da sie im Laufe der Zeit begriffen, dass sie nichts – außer ihrer verblichenen Freundschaft – gemeinsam hatten. Der Sprechende Hut hatte sie bereits getrennt, weil er erkannte, dass es keinen gemeinsamen Weg für sie gab. Vielleicht hatte es ihn nie gegeben, doch nun, da sie allmählich erwachsen wurden, trennten sie auch die jüngsten Entscheidungen.

Das Läuten beendete den Unterricht. Professor Flitwicks Vortrag wurde durch munteres Geschwätz und eifriges Taschenpacken unterbrochen. Ihr Lehrer quiekte ihnen noch lautstark ihre Hausaufgaben zu, während die ersten Schüler bereits in ihr verdientes Wochenende aufbrachen. Frohmütig und munter.

Der in sich zusammengesackte Severus, der noch immer reglos am Fenster saß, bildete dazu einen grotesken Gegensatz.

„Mr Snape?", rief Professor Flitwick durch die Klasse, nachdem diese sich geleert hatte. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?"

Gwendolyn schmiss hastig Feder und Tintenfass in die Tasche, ließ sie zuschnappen und warf sie sich über die Schulter, als sich ihr Freund schwerfällig von seinem Platz erhob und nur „Sicher Professor ..." antwortete.

Noch bevor Flitwick nachhaken konnte, hatte Gwendolyn sich wie ein Schild zwischen die beiden gedrängt und ihren Freund von dem forschenden Blick bewahrt.

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