Treffen.

52 4 0
                                    

Samstag. 14:54 Uhr. Der Treffpunkt war die besagte Kreuzung.
An meinen Beinen flatterte die halblange, dunkelgrüne Cargohose mit den angenähten Taschen umher, bei jedem Schritt, den ich machte. Und dabei war ich mir absolut sicher gewesen, dass sie letzten Sommer noch gepasst hatte und nicht so elendig groß war.
Meine Füße fühlten sich an, als würden sie durch die abgetretene Gummisohle meiner Vans verbrennen und trotz des dünnen, grauen Shirts war mir unmenschlich warm.
Es sah ganz nach einem dieser Sommertage aus, an denen man die Zeit vergaß und die sich mit all seinen Details in das Gedächtnis eines jeden beteiligten Menschen eingravierten.
Ruben stand schon da, ich weiß nicht, wie lange, aber er schien auf mich gewartet zu haben und mir gefiel der Gedanke, dass er daran gedacht hatte, hier mit mir, einer unwichtigen Person, verabredet gewesen zu sein.
''Na?'' begrüßte er mich, seine offene Zigarettenschachtel in der Hand haltend und mir zunickend.
Ich schüttelte den Kopf: ''Danke, nein. Aber später gerne.''
Er lächelte kurz und schon in diesem Moment ahnte ich, wie süchtig ich irgendwann mal nach seinem Lächeln werden würde.
''Ich erinner dich dran!'' antwortete er und dann gingen wir los, in irgendeine Richtung und Ruben war es egal, wohin.
Er fand es hier eh scheiße. Überall. Alles in allem. Jeden Ort dieser Stadt. Jeden Menschen. Außer mir, dachte ich. Mich, mich mag er.
Und ein himmlisch kribbelndes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus.
Wasser. Viel Wasser. Plätschern.
''Ich mags hier. Echt, du kannst mir nicht erzählen, dass du das auch noch hasst.'' sagte ich mit einem Seitenblick auf den Schwarzhaarigen, der die Schuhe ausgezogen und die nackten Füße in den See gehangen hatte.
Das hier war meine Lieblingsstelle in der ganzen Stadt, sie lag etwa 20 Minuten außerhalb und war etwas versteckt, aber solange hier keine Spaziergänger vorbeikamen wirklich sehr ruhig.
Nur der See. Umringt von Bäumen. Die Sonne, die durch die Baumkronen scheint, sich spiegelt. Tanzt. Ruhe. Ein Gefühl von Heimat.
Ruben zuckte mit den Schultern.
''Hm.'' machte er.
''Es ist okay. Es ist okay, mit dir hier zu sein. Mir gefällt es aber nicht, wenn ich im Hinterkopf habe, wie verfallen ich Berlin bin. Hier ist es mir zu.. zu unanonym.''
''Unanonym?''
''Ja. Berlin ist anonym, weißt du. Du schwimmst nicht im See, sondern in der Menschenmasse. Aber niemand schwimmt mit dem Strom. Sie schwimmen alle wild in andere Richtungen. Berlin ist ungezogen. Das mag ich. Hey, willst du 'ne Kippe?''
Nun war ich die Person, die mit den Schultern zuckte. Ich wollte ihm antworten, ich wollte mir Metaphern für unsere Kleinstadt ausdenken, die ihm zeigten, dass es schön war, hier zu sein, aber mir fiel darauf nichts mehr ein. Seine gesagten Dinge ließen keine Widerworte zu.
''Ja, gern.''
''Du willst sicherlich, dass ich sie dir wieder anzünde, hm?''

Heilige Scheiße, wie ich bei seinem Lächeln dahinschmolz, Gott, wie..
''Ja, gern.''
Ich ließ meinen Blick auf seinem Gesicht ruhen und beobachtete, wie er sich erst die langen Haare aus der blassen Stirn strich und dann mit geschickten, schlanken Fingern eine Zigarette aus der Packung fischte, sie sich zwischen die Lippen schob und anzündete.
Es sah so unbeschreiblich ästhetisch aus und irgendwie so unschuldig.
Ruben schloss genießerisch die Augen, als er den ersten Zug nahm, so, als wäre es das Letzte, was er je in seinem Leben rauchen würde, etwas, dass er unter allen Umständen genießen musste.
Er zog und zog und zog es ein, aber er hustete nicht. Er verzog nicht einmal mehr das Gesicht.
''Hier.'' sagte er und hielt mir das Teil hin. Ich nahm es wortlos an.
''Sag mal..'' begann ich schließlich. ''Wie lange rauchst du eigentlich schon?''
Denkfalten bildeten sich auf seiner Stirn und er patschte mit seinen Füßen ein wenig im Wasser herum, so, als sei er ein kleines Kind, dann begann er, an seinem Daumennagel zu kauen und antwortete schließlich:
''Seit ich 12 bin, wenn ich mich nicht irre.''
''Seit du.. seit du ZWÖLF bist?''
''Seit ich 12 bin, ja.''
Wir schwiegen. Wir saßen einfach nur da und schwiegen.
Ruben schloss seine Augen und legte den Kopf in den Nacken, reckte sich den Sonnenstrahlen entgegen, die Schatten auf seine beinahe weiße Haut warfen und er träumte.
Ich stütze mich seitlich auf meiner Hand auf und beobachtete ihn. Er war vollkommen.
Noch nie zuvor war mir ein Mensch begegnet, der wirklich makellos aussah, so, als würde er irgendeine höhere Macht sein. Und noch nie zuvor habe ich es mir so sehr gewünscht, mich einfach ohne jede Scham zu einem Jungen herüberbeugen und diesen Küssen zu können.
Und ich erinnere mich noch ganz genau, ohne überhaupt etwas über diese Person mit dem Namen Ruben gewusst zu haben, habe ich mich in ihn verliebt. In genau diesem Moment. Wie er da saß, so unschuldig, eine angenehme Melancholie ausstrahlend.
Er schlug die Augen auf, so plötzlich, dass ich beinahe vor Schreck in den See gefallen wäre.
''Du beobachtest mich.''
''Nein, äh, ich..''
''Du beobachtest mich, Jakob. Das merkt man.''
Seine Mundwinkel schoben sich nach oben. Ich musste auch grinsen.
''Ja, okay.''
''Okay.''

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 22, 2015 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Ruben.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt