Marco P.O.V.
Neben Mario und Mats joggte ich meine Runden um den Platz. Es war die zweite Trainingseinheit Heute für das Spiel am Nachmittag. Deshalb trainierten wir jetzt auch im Stadion, statt auf dem Platz.
„Hey, kommst du Heute Abend auch noch mit in die Stadt?“, fragte Mats, während die Beiden mich erwartungsvoll anschauten.
„Feiern gehen oder irgendwas anderes?“
„Essen gehen“, gab Mario als Antwort.
„Dann bin ich dabei“Es war mittlerweile 5 Minuten vor Anstoß und wir standen alle aufgeregt im Tunnel. Ich hielt die Hand des Einlaufkindes, was anscheinend genauso aufgeregt war. Es war das Revier-Derby. Mit anderen Worten, ganz Dortmund war voll von Schalkern. Wir betraten den Rasen und schon bald darauf wurde angestoßen.
Dina P.O.V.
Weinend lag ich auf dem Bett in meinem Zimmer und hielt mir den Bauch. Er hatte es wieder getan. Er hatte mich wieder geschlagen. Seit ein paar Jahren ging das mittlerweile jeden Tag so. Manchmal mit dem Gürtel oder eben mit der Faust bzw. der flachen Hand. Aber immer so, dass man unter normalen Klamotten nichts sah. Jetzt war ich 17 und konnte mich immer noch nicht wehren. Seit meine Mutter gestorben war, hatte er sich total verändert. Für mich war er schon lange kein Vater mehr. Er hatte angefangen, zu trinken. Fast durchgängig war er betrunken, was mir nur noch mehr Angst bescherte. Ich redete kaum noch und von Fremden hielt ich mich grundsätzlich fern.
„Du Schlampe, mach die Tür auf!“, brüllte mein... Vater von draußen. Ich reagierte einfach nicht, vergrub mein Gesicht nur noch weiter in meinem Kopfkissen.
„Wenn ich aus dem Stadion wieder komme, ist die Wohnung blitzblank, haben wir uns verstanden?!“, schrie er wieder und schon konnte ich die Haustür knallen hören.Ich fasste einen Entschluss. Ich musste hier weg. Ich hatte noch nicht versucht, wegzulaufen. Er hätte mich so oder so gefunden, aber jetzt musste ich es wenigstens versuchen. Zeit zum Packen hatte ich aber nicht, da mein Vater bald wieder kommen würde. In meine normale Tasche packte ich nur mein Ladekabel vom Handy, mein Handy selbst, etwas Geld und meinen Ausweis.
Etwas orientierungslos rannte ich los. Einfach weg, irgendwo hin. Hauptsache weg. Meine braunen Haare flogen mir ins Gesicht, weshalb ich sie mit einem Haargummi zusammenfasste, das ich noch am Handgelenk trug. Mittlerweile regnete es auch noch wie aus Kübeln. Schnell war ich bis auf die Knochen durchnässt und fror. Es waren gute 30 Minuten vergangen. Na super.
In der ganzen Stadt waren BVB und Schalkefans unterwegs, sangen lautstark ihre Fanlieder und besoffen sich. Und irgendwo unter ihnen war er. Ich brauchte ein sicheres Versteck, bis der ganze Aufrur abgeklungen war. Ziemlich weit am Rand, also nahe bei den Häusern, schlich ich mich lang und suchte eine kleine Gasse oder irgendwas in die Richtung.
„Was machst du denn bitte hier, du Miststück, hm? Solltest du nicht die Wohnung putzen?!“ Eine Hand legte sich auf meine Schulter und drückte fest zu. Verdammt. Schon lief mir eine Träne über die Wange. Sein Griff lockerte sich nicht, es tat unglaublich weh. „Also, was machst du hier?! Oder kannst du immer noch nicht reden?!“ Er drehte mich zu sich herum.
Leise schluchzend schaute ich auf das Kopfsteinpflaster. Er war wütend und ich wollte nichts heraufbeschwören, ihn nicht noch wütender machen, als er ohnehin schon war.
„Ich gebe dir genau 5 Minuten, dann bist gefälligst wieder in der Wohnung, verstanden?!“, schrie er mich an. Meine Chance. Ich nickte und schon schubste er mich von sich weg.
Sofort sprintete ich los, aber nicht in Richtung der Wohnung, sondern meinen ursprünglichen Weg weiter. Seine Rufe gingen hinter mir im Gejohle der Menge unter.
Nach einer kurzen Zeit schon flaute die Menge an Menschen ab und die Straße war fast wie leergefegt. Schwer atmend ließ ich mich gegen eine der Hauswände fallen, bevor ich mich auf den Boden rutschen ließ und versuchte, meine Atmung wieder zu beruhigen. Ich legte meinen Kopf gegen die Wand und starrte in den Himmel, an dem sich schon die ersten Sterne abzeichneten. Es wurde langsam immer später und ich hatte keine Ahnung, wo ich die Nacht verbringen sollte. Klasse.
„Hey... ehm... geht’s dir gut?“, fragte plötzlich eine Stimme wie aus dem Nichts. Erschrocken schaute ich wieder nach vorne, wo ich jetzt das Gesicht eines jungen Mannes erkennen konnte. Er war vielleicht Mitte 20 und hatte seine Haare in einem Undercut geschnitten. Er sah nett aus, aber das sagte gar nichts. Bei so einem Vater, wie ich ihn hatte, bekam man über die Jahre eine ziemlich gute Menschenkenntniss. Ich wusste, dass man nicht immer auf den ersten Eindruck vertrauen sollte, auch wenn der schon eine Menge verriet.
Ängstlich schaute ich ihn an, sagte wie gewohnt einfach kein Wort und machte mich klein.
„Du musst keine Angst haben... Ich tu' dir nichts, wirklich“, sprach er leise. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Er wirkte wirklich nett und hilfsbereit, aber einem Fremden vertrauen? Naja.
„Okay... Ich bin Marco. Verrätst du mir vielleicht auch deinen Namen?“
Fragen über Fragen. Ich hatte gelernt, dass es besser war, wenn man nichts sagte. Und dieses Muster zog ich immer eiskalt durch. Seit ich 15 war, hat mich niemand mehr reden gehört. Das hieß aber nicht, dass ich es nicht tat. Ich redete mit meiner Mutter. In einem kleinen Seitenfach meiner Tasche hatte ich immer ein Bild von ihr. Abends oder Nachts erzählte ich ihr einfach alles. Außerdem liebte ich es, zu singen. Mich hatte aber niemand singen gehört.
„Alles klar... Solche Fragen bringen anscheineind nichts... Kommst du aus Dortmund?“, fragte Marco weiter. Mir waren Fragen, die man mit einem Nicken bzw. einem Kopfschütteln beantworten konnte, schon immer am liebsten.
Also nickte ich leicht und unsicher.
„Und du verstehst auch, was ich die ganze Zeit von dir möchte?“
Nicken.
„Soll ich dich nach Hause bringen?“
Vehementes Kopfschütteln. Sofort stiegen mir Tränen in die Augen.
Marco räusperte sich kurz. „Na gut. Aber ich lasse dich mit Sicherheit nicht hier bei dem Scheißwetter. Kommst du mit zu mir?“
Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe und musterte ihn. Jeder, der mir irgendwas antun wollte, hätte es bis jetzt getan.
„Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich dir niemals irgendwas tun werde, okay? Aber bei mir ist es warm und du kannst erstmal richtig schlafen und was essen. Hört sich doch besser an als hier auf der Straße zu bleiben, oder?“
Auf die Frage konnte man echt nur nicken. Aber sollte ich echt mit zu ihm gehen? Was hatte ich denn noch zu verlieren? Gar nichts. Mein Vater hat mir doch jegliche Zukunft verbaut. Mein Abi hatte ich diesen Sommer im G8 gemacht, aber studieren oder arbeiten gehen durfte ich nicht.
„Also, kommst du mit?“
Vorsichtig nickte ich und rappelte mich auf die Füße. Auch Marco richtete sich wieder auf. Er überragte mich natürlich um einige Zentimeter, was aber für einen Mann auch keine Kunst war mit meinen 1,75m.
„Du zitterst ja. Komm her“ Er zog sich seine Lederjacke von den Schultern und legte sie mir um. Sofort kuschelte ich mich in das warme Innenfutter.Marco P.O.V.
Eigentlich hätte ich geradeaus weiter in Richtung meines Autos gehen sollen, aber dieses Mädchen am Straßenrand konnte ich genauso wenig da sitzen lassen. Sie redete nicht, also hatte ich keine Ahnung, wer sie war, wie alt sie war oder wo sie wohnte. Nach Hause wollte sie anscheineind unter keinen Umständen.
Jetzt lief sie neben mir her, hatte sich in meine Jacke gekuschelt und sagte immer noch kein Wort. Ich musterte sie von der Seite. Sie war relativ groß und hatte lang braune Haare, die sie in einem unordentlichen Zopf trug. Ihre dunkelblauen Augen glänzten immer noch leicht, als ob Tränen nur darauf warteten, endlich über ihre Wangen rollen zu dürfen. Sie hatte ihren Blick auf den Boden gerichtet und zitterte immer noch.
Nach einigen Minuten, in denen wir nicht ein Wort gesprochen hatten, standen wir vor meinem Aston Martin. Sie musterte das Auto misstrauisch, als ob sie sich fragte, woher ich das Geld dafür hatte.
„Keine Sorge, legal verdientes Geld“, lächelte ich belustigt und öffnete ihr die Beifahrertür. Etwas ängstlich ließ sie sich auf den Ledersitz fallen und machte sich direkt wieder klein. Gedankenverloren schaute ich sie kurz an, bevor ich selbst hinter dem Lenkrad saß. Ich musste natürlich durch die halbe Stadt fahren, um zu meiner Wohnung zu kommen. Warum haben die nochmal ausgerechnet diesen Italiener hier ausgesucht?
Plötzlich hörte ich neben mir ein leises Schnaufen. Ein Blick verriet mir, dass sie eingeschlafen war. Sie sah echt süß aus, nicht mehr so verängstigt wie vor ein paar Minuten noch.
Als ich vor dem Haus parkte, in dem meine Wohnung lag, überlegte ich. Sollte ich sie wecken oder schlafen lassen und kurz hochtragen? Sie sah nicht so aus, als ob ich sie nicht tragen könnte. Ich stieg aus und schloss die Autotür leise, bevor ich ihre öffnete, sie sanft auf meine Arme nahm und die Tür wieder zuwarf. Schnell drückte ich die Haustür auf und joggte die zwei Treppen vorsichtig hoch, damit sie nicht doch noch wach wurde. Vor meiner Wohnungstür wurde das dann natürlich etwas schwerer. Aber sie nahm mir die Aufgabe ab. Ihre Augenlieder flatterten leicht und schon öffnete sie ihre Augen. Sie rieb sich kurz durch ihr Gesicht und schaute sich dann um. Bis eben lag ihr Kopf noch an meiner Brust, aber jetzt hob sie ihn, um sehen zu können, wo sie denn war. Erschrocken schaute sich mich an.
„Ist alles gut. Du bist im Auto eingeschlafen und ich wollte dich nicht wecken“, beruhigte ich sie und ließ sie auch wieder auf den Boden, bevor ich in meiner Hosentasche nach dem Schlüssel suchte, den ich kurz darauf auch schon gefunden hatte. In der Wohnung war es angenehm warm. Ich nahm ihr meine Jacke ab und hing sie an die Garderobe im Flur. Ihre Schuhe stellte sie neben meine.
„Komm mit. Ich mach' dir einen Kakao und du kannst dich ein bisschen aufwärmen“, sagte ich zu ihr und ging voraus in die Küche. Vorsichtig und mit leisen Schritten folgte sie mir. Schnell stellte ich den Wasserkocher an und holte das Kakopulver aus dem Schrank. Während der Wasserkocher lief, holte ich mein Ipad und legte es auf den Tisch, daneben ein TouchPen.
„Kannst du mir jetzt vielleicht deinen Namen verraten?“, lächelte ich sie freundlich an, bevor ich ihren Kakao reichte. Unsicher ließ sie sich an den Tisch sinken, stellte die Tasse neben sich und griff nach dem Stift. Ihre Hand zitterte.
Kurz darauf stand 'Dina' in geschwungener Schrift auf dem Display. Sie schob mir das Tablet hin, damit ich es besser lesen konnte. Der Name passte zu ihr.
„Okay... Ich glaube, der Tag war schon stressig genug für dich, hm? Du kannst dich gerne ins Wohnzimmer setzen, ich mach' dir das Gästezimmer schnell fertig“
Immer noch unsicher nickte Dina und stand ebenfalls auf.~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Also hier das erste Kapitel meiner Story :) Ich hoffe, es gefällt euch und ihr lasst mir Verbesserungsvorschläge in den Kommentaren da!
Danke für's Lesen und bis dann! :3