Am Flughafen

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Mit einem Klick schließe ich den Gurt meines Sitzes und rutsche augenblicklich ein Stück zurück.

Ich freue mich schon auf zu Hause. Endlich Urlaub, endlich meine Familie um mich herum und endlich mal wieder meine alten Freunde aus der Heimat wieder sehen. Ein Lächeln umspielt meine Lippen. Bevor die Stewardess mit der Durchsage beginnt, wage ich einen letzten Blick auf mein Handy. 

Nichts. Keine Nachricht. Ben hat noch keine Nachricht hinterlassen. 

Genervt und etwas enttäuscht atme ich hörbar aus. Dann tippe ich auf das kleine Flugzeug und stecke mein Handy in die Tasche. Hoffentlich gehen die anderthalb Stunden schnell vorbei. Ich hasse es zu fliegen. Ganz automatisch hebt sich mein Arm, als die Stewardess mit dem Getränkewagen vorbeikommt. Ich bestelle mir ein Glas Prosecco. Immerhin habe ich jetzt 3 Wochen Urlaub, das darf man ruhig feiern.

Dass ich von Alkohol immer sehr schnell müde werde, spielt mir nur in die Karten. Denn von den anderthalb Stunden Flug habe ich nicht einmal den Start des Fliegers mitbekommen.

***

Plötzlich spüre ich leichte wärme auf meiner Schultern und werde vorsichtig wachgerüttelt. 

"Pardon, Madame?", flüstert ein junger, trotzdem gutgebauter Mann über zwei Sitze hinweg, "Wir sind gelandet. Wir müssen den Flieger jetzt verlassen!"

Meine Augen wandern leicht nach oben in seine Richtung. Unsere Blicke treffen sich und wir sehen uns etwas zu lange in die Augen. Leichte Röte steigt in mein Gesicht. Sofort senke ich meinen Kopf wieder nach unten, als mein Blick automatisch an dem Bund seiner leicht zerrissenen Boyfriendjeans hängen bleibt. Ganz knapp klappt mir mein Kinn runter, als ich ein paar Zentimeter von seinem Bauch erblickte. Ein paar Haare schmücken den harten und muskulösen Weg zu seinem Bauchnabel

"Ähh oui oui. Ich bin Französin, sie müssen nicht Englisch mit mir sprechen.", lache ich leicht verlegenund reibe mir meine noch verschlafenen Augen.

Ich habe mir das bestimmt gerade eingebildet, rede ich mir ein. Ich bin noch ganz schlaftrunken.

 Dann stemme ich die Fäuste auf meine Oberschenkel und stehe auf. Mein rechter Fuß kribbelt leicht, als ich mich an den anderen Beiden Sitzen vorbei schiebe. 

"Vielen Dank, dass Sie mich geweckt haben. Vermutlich hätte ich noch ein paar Stunden weitergeschlafen, wenn Sie nichts dagegen unternommen hätten.", kichere ich in mich hinein und halte mir leicht meine Hand vors Gesicht.

Was bist Du? 12? Warum kicherst Du, wie ein Teenie, der noch nie in seinem Leben den Bauch eines Typens gesehen hat. Beruhig Dich.

"Oh nichts lieber als das. Schöne, schlafende Frauen zu wecken gehört zu meinen Talenten.", zwinkert er mir zu. Erneut treffen sich unsere Blicke und meine Wangen färben sich mal wieder ganz automatisch rot. Aber nur so lange, bis ich gemerkt habe, dass ich diese Art von Männern nicht mehr gewohnt war.

Erst jetzt wird mir klar, wie sehr ich Frankreich vermisst habe. Diese Art und dieser französische Charme - besonders der fehlt mir in London sehr. 

"Ja, mir ist aufgefallen, dass Sie das nicht zum Ersten Mal gemacht haben.", kontere ich und schnappe mir mein Handgepäck. 

Das macht der sowieso bei jeder Zweiten. Da brauch ich gar nicht rot werden.

"Lassen Sie mich das tragen, Madame. Mit diesen Schuhen, sollte man keine Reisetasche tragen müssen.", grinst er und sieht an meinen Beinen hinunter, bis zu meinen pinken Pumps aus Wildleder.

"Ein wahrer Gentleman. Das bin ich gar nicht mehr gewohnt."

"Nein? Das glaube ich Ihnen nicht. Sie werden sicher von allen Männern auf Händen getragen."

"Nein, sicher nicht.", sage ich leise und mein Blick verfinstert sich.

Wir gehen noch ein paar Schritte nebeneinander her, als ich plötzlich von grellen Lichtern aus meinen Gedanken gerissen werde.

"What the?!", stammle ich leise und hebe mir meine Hand vors Gesicht. Was ist denn hier los?

Sofort wandert mein Blick nach Links, dort wo vor einer Sekunde noch der charmante und gutaussehende Kerl neben mir herging. Er ist bereits ein paar Meter weg von mir und das Blitzlicht wandert ihm hinterher. Verwirrt sehe ich ihm nach. Was passiert hier gerade?

Ich beobachte ihn, wie er seine strahlenden Zähne in die Kamera hält, wie seine eisblauen Augen glücklich aufleuchten und im Blitzlicht funkeln. Wer ist dieser Kerl? Als möchte ich meine Gedanken los werden schüttle ich meinen Kopf. Nur schnell weg von hier. Bevor noch mehr komische Dinge passieren. 

Sofort sprinte ich in Richtung der Gepäckausgabe. Dort schnappe ich mir meinen pinken Koffer - nur gut, dass ich so viele Dinge in auffälligen Farben besitze - und verlasse mit flotten Schritten das Gepäckband.

Mitten in der Menschenmasse entdecke ich sie. Meine Mutter. Mit ihrem knallroten Lippenstift fällt sie mir sofort auf. Als sie mich erblickt wurde ihr Blick sofort weich. Ein großes Lächeln bereitet sich auf ihrem Gesicht aus. Ich kämpfe mich durch die Menschenmassen, um noch schneller bei ihr zu sein. Im gleichen Moment fällt sie mir schon um den Hals. 

"Oh Dominique! Ich freue mich so Dich zu sehen!"

Erst jetzt bemerke ich, wie sehr ich Heimweh hatte. In den Armen von Maman zu sein fühlt sich einfach wie Zuhause sein an. 

"Ich mich auch, Maman. Ist Paps auch dabei?", frage ich neugierig.

"Nein, der ist Zuhause und bereitet das Essen vor - was ich zwar nicht glaube, aber gut. Antoine ist auch vor einer Stunde angekommen. Er hat Dir eigentlich noch geschrieben, ob er Dich direkt mitnehmen soll, aber er hat Dich nicht mehr pünktlich erreicht.", erklärt sie mir, während wir aus der Empfangshalle des Pariser Flughafens schlendern.

"Achso, ja dann hättest Du dir die lange Autofahrt sparen können.", sage ich etwas abwesend. Nach ein paar Minuten Stille frage ich meine Mutter: "Weißt Du was hier los ist? Oder weshalb die ganzen Journalisten hier sind?"

"Oh, Schätzchen. Du weißt doch, dass ich mich mit Promis und dem ganzen Kram nicht auskenne. Ich würde Doch nicht einmal Johnny Depp erkennen, wenn er vor mir stehen würde.", lacht sie und setzt sich belustigt ins Auto. Ein kurzes Kichern entkommt auch mir, während ich meinen Koffer im Auto verstaue und auf dem Beifahrersitz platz nehme. 

"Ja stimmt. Das hab ich ganz vergessen, dass Du die Leute immer nicht erkennst."

***

Die Autofahrt vergeht im Nu. Wir sind leider nicht durch die Pariserstraßen gefahren, da es sich dort immer sehr staut. Trotzdem hätte ich gerne die Aussicht auf die Seine genossen. Aber dafür muss ich mich wohl noch ein paar Tage gedulden. Mit der Metro ist man sowieso viel schneller überall.

Etwas erledigt von der Reise steige ich aus unserem Auto aus und schlendere langsam am Auto vorbei, als mein Blick am Vorgarten hängen bleibt.

"Wow! Maman, hast Du das selber gemacht oder hast Du einen Gärtner organisiert?", frage ich erstaunt.

"Das war ich ganz alleine, als Pierre mal wieder zwei Wochen in London auf Geschäftsreise war.", sagt sie und versucht ihre Trauer etwas zu verbergen. Dass mein Vater so oft und lange weg ist, verkraftet sie nur schwer.

"Oh ja stimmt. Er hat erwähnt, dass Du Dich ein bisschen im Garten ausgetobt hast, aber gleich mit einem kleinen Brunnen und allem. Sieht wirklich toll aus!", strahle ich begeistert.

"Ja, da muss ich Dir auch noch was gestehen.", murmelt sie leise.

"Was denn?"

"Naja, den Brunnen. Den habe ich natürlich nicht alleine geschlagen.", erklärt sie sanft, "Louis war hier und hat mir geholfen. Er hat mir die ganzen Säcke mit Erde geschleppt."

Kurze musste ich schlucken. Louis. Mhm. 




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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 09, 2021 ⏰

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