Sorgen und Leere

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Osamu Pov

Ich stieg aus dem Auto aus. Nach einer endlos langen Fahrt waren wir an unserem zukünftigen Haus angekommen und es sah wirklich ganz gut aus, aber ich konnte mich nicht freuen. Kein Bisschen. Die ganze Zeit gingen mir nur diese schrecklichen Bilder durch den Kopf, wie Rin vor mir stand, komplett verheult und gebrochen und mich anbettelte mir das noch einmal zu überlegen. Ich wäre ihm so gerne um den Hals gefallen und hätte ihm geschworen für immer bei ihm zu bleiben, weil verdammt mich verletzte es doch genau so sehr. Mich ließ die Sache nicht so kalt, wie ich spielte. Es tat mir auch weh... Ich liebe ihn doch so unfassbar dolle und will ihn niemals verlieren, aber wo würde uns die Sache hinführen? Was würde passieren, wenn wir es versuchen würden? Ich hatte Angst das herauszufinden und hatte deswegen eine Entscheidung getroffen, die ich auch schon bereute, dierekt nachdem ich sie aussprach. Ich wäre so gerne in Tränen ausgebrochen und hätte Rin festgehalten und nie wieder losgelassen. Ich will nichts anderes als mit ihm zusammen zu sein, aber wir konnten nicht mit entscheiden als unsere Eltern hierher ziehen wollten. Wir hatten keine Chance und eine Fernbeziehung? Der Gedanke machte mir zu große Angst... Ihn zu lieben und nur auf einem Bildschirm zu sehen, aber ihn nicht berühren zu können, nicht seine richtige Stimme zu hören, seinen Geruch nicht in meiner Nase spüren zu können und seinen Atem nicht auf meiner Haut. Das hörte sich schrecklich an, doch ihn zu lieben und ihm das nicht sagen zu können und ihm nicht einmal schreiben zu können, würde das besser sein? Ihn nicht mehr meinen Freund nennen zu können, war das besser? Verdammt nein. Hier gab es keine richtige Lösung. „Osamu! Hör auf rumzustehen und hilf gefälligst deinem Bruder mit den Koffern! Meine Güte." Meine Eltern waren schon im Haus verschwunden und Tsumu kämpfte gerade damit einen Koffer raus zu ziehen ohne dass alles ihm entgegen kommen würde. „Warte Tsumu ich-" zu spät...
Ich wollte gerade die anderen Sachen festhalten, da zog er kräftig an dem Koffer und alles fiel raus. „Mist, mist, mist!", fluchte er und sah wütend auf den Boden wo sich die Sachen nun stapelten. Zum Glück hatte Mum schon die Kiste mit dem Geschirr rein gebracht, doch der Rest lag nun überall verteilt. Immer noch mit unbeeindruckten Blick sah ich zu Boden und seufzte. „Ändert jetzt auch nichts. Lass es uns einfach kurz reinbringen." Wir schnappten uns so viel wir tragen konnten und machten uns auf den Weg. Wir mussten ein par mal laufen doch dann saß ich endlich in meinem Zimmer. Es war in der zweiten Etage und relativ normal aufgebaut. Mein Bett stand unter dem Fenster, sodass ich mich leicht hinausbeugen konnte, wenn ich drauf saß. Dort saß ich gerade, mit Kopfhörern in den Ohren und sah nach draußen. Es war verdammt spät, doch an Schlaf war nicht zu denken. Mein Körper schmerzte überall und bettelte nach Schlaf, doch mein Bewusstsein war zu sehr auf dieses gebrochene Bild von Rin fokussiert. Wie seine Augen mich anflehten sie anzusehen... Seine Stimme bettelte erhört zu werden... Wie verletzlich er auf einmal war. Und das alles wegen mir. Ich hatte ihm diesen Schmerz zugefügt. Es war meine Schuld, dass er so litt. Meine verdammte eigene Schuld. Ich würde am liebsten wieder anfangen los zu heulen, doch nach den letzten Stunden waren meine Augen mehr als ausgetrocknet, also starrte ich einfach weiter in den Himmel. Nicht einmal Sterne waren richtig zu erkennen, doch was sollte ich auch Anderes tuen? Atsumu hatte vorhin dierekt mit Kita telefoniert und ihm eine ausgiebige Roomtour gegeben, was mich nur noch mehr deprimierte. Warum war es für sie so... leicht? Natürlich fiel es ihnen nicht leicht diese Distanz zwischen sich zu haben, aber die Entscheidung war beiden so leicht gefallen. Verdammt... dass ich ihn mal beneiden würde...
Lange saß ich noch am Fenster, bis meine Augen mir keine Chance mehr ließen und ich mit meinem Kopf auf den Armen, die auf dem Fensterbrett lagen, in einen gequälten Schlaf fiel. Am nächsten Tag wachte ich früh auf. Viel zu früh. Es war halb 6 und ich war vielleicht um 4 Uhr oder so erst eingenickt. Ich blieb einfach in meinem Bett liegen und dachte nach. Mal wieder. Es war dumm, doch ich wollte wissen wie es dem Mittelblocker in Hyōgo ging. Eine gewisse Hoffnung hatte ich ja noch, dass es ihm wieder gut ging und er sich beruhigt hatte, doch ich wusste, dass er mich genau so sehr liebte wie ich ihn, also war es nur ein kleiner Hoffnungsschimmern. Nach einer halben Stunde stand ich schließlich auf und begab mich ins Bad. Ich warf einen minimalen Blick in den Spiegel, der mir aber nur ein emotionsloses Gesicht präsentierte, welches ich kein bisschen mit dem Kampf in meinem Inneren identifizieren konnte. Alles tat weh und fühlte sich so an als wäre ich Tage lang wach gewesen wäre, aber naja so fragt vielleicht niemand unnötige Fragen, die ich eh nicht beantworten werde. Ich ließ mir Zeit mit duschen und anziehen, saß aber trotzdem nach einer halben Stunde wieder in meinem Zimmer. Es ließ mich einfach nicht los. Ich musste wissen, wie es Suna ging. Ein seufzen verließ mein Mund und ich griff nach meinem Handy. Das mit dem schluss machen und egal sein um Schmerzen zu verhindern klappte ja perfekt. Ich konnte ihn jetzt nicht anrufen. Ich war definitiv noch nicht dafür bereit die ganzen Worte noch einmal zu hören und eben so wenig mit ihm darüber zu sprechen. Ich wollte es definitiv, aber ich konnte nicht. Dieses hin und her wäre nicht meine Art und einen so verdammt großen Fehler einzugestehen? Darin war ich nicht gerade der beste... das war die Sache die ich mit meinem, sonst so anderen, Zwillingsbruder definitiv teilte, neben dem Aussehen natürlich. Mein Handylegtr ich also doch wieder zur Seite und versuchte mir diesen Drang mit etwas Musik wieder aus dem Kopf zu schlagen, doch dabei war es eher kontraproduktiv meine Playlist auf shuffle laufen zu lassen. Am Anfang liefen Lieder die ich schon viel zu lange nicht mehr gehört hatte, aber dann kamen welche die ich schon tausend mal hörte. Lieder mit so vielen Erinnerungen und Bildern. Es waren unsere Lieder wie oft wir schon wie verrückte diese Texte mitgeschrien haben und einfach unser Leben genossen haben wie es war. Wie wir tausende Male durch mein Zimmer getanzt sind und gelacht haben als gäbe es keinen Morgen, als gäbe es keine Probleme. Wir waren frei und sorgenlos und vorallem war nicht an so etwas wie Entfernung oder schmerzen zu denken. Es waren diese Art Momente, wo der vibe perfekt war. Diese Art, die man nicht anders beschrieben kann, als perfekt und wo man die Gefühle nicht beschreiben kann. Man spürt den Zusammenhalt und diese Verbindung zwischen einem und man muss es nicht sagen, weil man ganz genau weiß, was der andere denkt. Wie ein Musikvideo aus Erinnerungen laufen unsere Momente vor meinem Auge entlang. Sein Gesicht so glücklich und die emotionslose Schale, die jedes Mal brach, wenn wir zusammen waren. Ich merkte nicht, wie sich ein Lächeln auf mein Gesicht bildete. Es fühlte sich gut an ihn so zu sehen, auch wenn ich ihn nicht wirklich sah und sein Lächeln steckte mich immer an. Ich überlegte, ob ich es bei diesen Gefühlen belassen sollte, oder nich weiter Musik hörte, aber es war noch früh und ich hatte auch nicht sonderlich hunger weshalb ich noch so sitzten blieb. Wer hätte gedacht, dass Musik hören mal so ein großer Fehler sein könnte. Ab dann ging es nämlich wieder bergab. Nach ein par entspannten Liedern die ich nur halbwegs hörte, während ich wieder in meinem Kopf verschwunden war ertönte „Location unknown -slowed version".

Where are my feelings <Osasuna>Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt