Geliebte können Monster sein (geschrieben 2018)

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Banir entfernte die Metallschnallen von seinen Stiefeln, zog sie an und begab sich zur Eingangstür seines Hauses. Draußen war es dunkel und nur die Fackeln der patrouillierenden Wachen warfen einen Hauch von Licht durch seine Vorhänge welche aus dünnem Stoff bestanden. Nun würde er leise sein müssen, denn es war nicht gerngesehen, dass jemand des Nachts durch die Straßen der Stadt wanderte. Selbst mit einem guten Grund, konnte es passieren, dass man zu einer detaillierteren Befragung mitgenommen wurde. Laut einem alten Sprichwort, verkehren des Nachts nur Diebe und Gauner deren Geschäfte, besser kein allzu großes Aufsehen erregen sollten. Da er in dieser Stadt aufgewachsen war, war es Banir ein leichtes unbemerkt die Mauern welche sich um diese zogen, hinter sich zu lassen. Er verweilte einen Moment in der Dunkelheit des kleinen Tunnels - welcher hinter dem Gasthaus begann, unter dem selbigen durchführte und letztendlich vor den dutzenden Feldern endete, die sich rundum die Stadt bis zum Horizont erstreckten - bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Lautlos lief er mit großen Schritten über das erste Feld, geduckt und schnell, in der Hoffnung das ihn niemand sehen würde. Er lief eine gute Stunde, bis sich in der Ferne ein Wald erkennen ließ. Es war kurz vor Mitternacht, schon bald würde er an der Hütte im Wald angelangen. Der Wind fuhr in die Bäume, ließ Äste krachen und rascheln und sorgte im ganzen Wald für eine unheimliche Atmosphäre, die selbst die Tiere sich in ihre Baue, Nester und Höhlen zurückziehen ließ. Banir war das Ganze nicht geheuer, aber die Sehnsucht nach dem was ihm bei seiner Ankunft erwarten würde, trieb ihn voran. Das erste Mal war er vor ein paar Wochen hier gewesen. Er wollte Jagen gehen, aber stieg nach ein paar fruchtlosen Versuchen, aufs Pilze sammeln um. Als er da so hockte, sah er in einigen Metern Entfernung ein Stinktier durch den Wald marschieren und witterte seine Chance, doch noch etwas Fleisch mit Heim zu bringen. Irgendwer hatte zwar mal gesagt, dass Stinktiere nicht schmecken, aber aus eigenen Erfahrungen lernt man immer noch am Besten, dachte sich Banir. Bevor er mit seinem Bogen einen Pfeil nach dem Tier schießen konnte, hatte dieses ihn bemerkt und begann davon zu rennen. "So leicht entkommst du mir nicht!" - Banir sprang auf und sprintete dem Stinktier hinterher. Kurz vor einer kleinen Hütte holte er auf und stürzte sich auf Es. Plötzlich drückte ihn eine Art Druckwelle zur Seite, als wäre das Stinktier unter ihm explodiert und er rollte ein paar Meter nachrechts. Als er durchgeschüttelt und verwirrt, langsam aufblickte, war da kein Stinktiermehr, sondern eine junge, hübsche Frau, unbekleidet, aber bedeckt von losenschwarzen und weißen Härchen. Mit aufgerissenen Augen, als würde sie sich todstellen wollen, starrte sie Banir an. Ihre Pupillen waren leuchtend grün und ihre hellblonden Haare wellten sich über den Moosboden. Banir versuchte das Schweigen zu brechen: "Hallo. ... Bist... Bist du öfter als Stinktier unterwegs?". Die Frau versuchte sich zu überwinden und zu antworten, was ihr aber anfangs sehr schwer zu fallen schien. Schnell blinzelnd und mit stockendem Atem, sagte sie dann: "Immer für ein paar Stunden um die Mittagszeit herum. ... Das ist ein Teil eines Fluches, ausgesprochen aus tiefstem und bösestem Hass, um mich und zu anderen Zeiten, auch Menschen um mich herum in Gefahr zu bringen. Deshalb lebe ich alleine hier im Wald und deshalb solltest du jetzt gehen." Banir richtete sich auf: "Dann bist du also eine verfluchte Jungfrau in Nöten ... und ich bin zwar kein Prinz, aber vielleicht kann ich deinen Fluch ja brechen. Du weißt schon, wie in den Geschichten und Balladen die man sich so erzählt." Die Frau zögerte kurz. "Dann komm herein und bleib zum Essen, erzähl mir von dir und vielleicht bist du ja mein Weg zurück ins normale Leben. ... Mein Name ist Pamina." - Sie stand auf, die übrigen Stinktierhaare fielen zu Boden und ging in das von Gestrüpp und Ästen verdeckte Haus, welches Banir zuvor noch gar nicht aufgefallen war. Nach kurzem Überlegen lief Er ihr hinterher. Die Beiden aßen zusammen, redeten und beschlossen sich öfter zu sehen. So kam es das Banir jeden Tag, mal früh, mal Nachmittags zu dem Haus im Wald wanderte um das verfluchte Mädchen zutreffen und mit jedem Treffen kamen sich die Beiden ein wenig näher, bis Banir Pamina das erste mal küsste, in der Hoffnung, ihren Fluch zu brechen. Pamina erwiderte seinen Kuss und auch wenn der Fluch nicht verging, wurde aus den Beiden ein Liebespaar. Als Banir ihr daraufhin versicherte, er würde alles tun um ihren Fluch zu brechen und wenn er sein Leben geben müsse, bat Pamina ihn darum bei ihr einzuziehen. Es gab noch einiges in der Stadt zu erledigen, also kehrte Banir nochmal in seine alte Heimat zurück, machte sich jedoch Abends, wie zu Beginn dieser Geschichte berichtet, auf den Weg zum Haus im Wald und ließ mit gutem Gewissen, sein altes Leben hinter sich. Als er es endlich in der Ferne sah, war es gerade Mitternacht geworden und die letzten Lichter im Haus erloschen. Langsam näherte er sich und versuchte durch die beschlagenen Fenster etwas in der Dunkelheit zu erkennen. Nachdem ihm dies nicht gelang, öffnete er die Tür und zusammen mit dem einströmenden Wind, stolperte er ins Haus. Ein Knall und die Tür war wieder zu, aber statt dem Wind von draußen, hörte er jetzt ein lautes, tiefes, fast schon bestialisches Atmen. Ein kalter Schauer fuhr über seinen Rücken und das Blut sammelte sich in der Mitte seines Körpers, was seine Hände und Füße, taub und kalt werden ließ. Regungslos blieb er im Eingangsbereich stehen und schaffte es kaum seinen Blick hin und her schweifen zu lassen. Das Atmen wurde lauter und schien sich ihm zu nähren, schwarze scharfe Klauen bohrten sich bei jedem Meter in den Holzboden und hinter ihnen glitt ein riesiger unförmiger Körper um die Ecke des Flurs auf Banir zu. Dieser presste sich rückwärts gegen die Eingangstür und suchte mit der linken Hand ihre Klinke. Das langbeinige Monster schaute Banir mit traurigem Blick aus schwarzgrünen Augen an und machte ein seufzendes Geräusch. Seine spitzen, langen Zähne funkelten und einige Haare sprossen von seinem Körper. Banir hatte die Türklinke ertaste und wartete auf den richtigen Augenblick für die Flucht, zögerte jedoch, da er die Vermutung hatte, dass dieses Wesen, Pamina sein könnte. Da jedoch auch die Möglichkeit bestand das es nicht Pamina war, sondern einfach ein Monster, welches sie vielleicht sogar gefressen haben könnte, entschied sich Banir für die Flucht und öffnete mit einem Ruck die Tür. Er stolperte, wollte losrennen, aber konnte sein Bein nicht bewegen. Eine Kralle verlief durch seinen Unterschenkel und steckte an ihrem Ende in der Tür. Blut tropfte auf den Boden und Banir wurde schwindelig. Er riss die Augen weit auf, da er befürchtete das Bewusstsein zu verlieren und als er langsam einatmete, gelangten die Schmerzen nun doch in seinem Kopf an. Das Monster zog die Kralle raus und bewegte sich einen Schritt zurück – Banir sackte zusammen. Eine Spannung schien sich in seinem Gesicht aufzubauen, was das Monster bemerkte und in eine scheinbare Schutzhaltung ging. Und dann schrie Banir und bemerkte noch das das Monster nur zum Sprung angesetzt hatte, kurz bevor es in der Bewegung seinen Kopf anwinkelte und seine Zähne von links und rechtszwischen seine Rippen schlug. Banir konnte sich nicht mehr bewegen, noch atmen und verweilte die letzten Momente, in denen sein Geist sich langsam von seinem Körper löste, in einem leicht gesenkten Tunnelblick. Das Monster lies nach einer gefühlten Ewigkeit wieder los, taumelte nach Hinten und warf sich auf den Boden. Es röchelte. Plötzlich fielen ihm die Haare aus und es sackte in sich zusammen. Es war also doch der Fluch, dachte Banir und blickte auf Pamina die sich vorsichtig aufsetzte, während von dem Monster nur noch ein paar Härchen und Hautreste übrig waren. Pamina kroch langsam auf Banir zu und legte mit tieftrauriger Miene die Arme um ihn: "Es tut mir so leid, doch du warst bereit dein Leben zu geben um den Fluch zu brechen und genau das ist es was er verlangt. Das Leben der wahren Liebe, durch eigene Hand genommen. Flüche werden aus Hass gesprochen und ein Fluch den ein Kuss brechen kann, bleibt ein Märchen." Sie küsste ihn und Banir schloss mit einem Seufzer ein letztes Mal seine Augen. Pamina blieb noch eine Weile bei ihm sitzen. Bald schienen die ersten Sonnenstrahlen durch das Dach der Waldes und ein neuer Tag brach an.

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