Ich war heute Morgen joggen. Seit langem habe ich es wieder einmal versucht, ohne Druck, ohne es jemandem zu erzählen. Mein Wecker war auf 04.55 Uhr gestellt, meine Augen blieben zu dieser Zeit kaum offen, zumal ich keine sechs Stunden geschlafen habe. Es ist Montag, ich habe frei genommen und kann den Tag so verbringen, wie es für mich stimmt. Also stand ich um kurz nach 5 Uhr auf, zog meine Joggingkleider an und machte mich auf den Weg durchs Treppenhaus. Noch immer riecht es neu, noch immer ist es staubig von den Zügeltagen aller Bewohner.
Als ich die durch die Tür nach draussen ging und mir die frische Luft entgegenkam, wusste ich, dass es eine gute Entscheidung war, so früh aufzustehen. Es hat sich gelohnt, meinen inneren Schweinehund zu überwinden und meine Beine aus dem Bett zu schwingen. Langsam ging ich los. Das Zwitschern der Vögel ist die Musik in meinen Ohren und die kühle Luft der Antrieb los zu joggen. Also gehe ich los, Richtung Fluss zu der 1000 Meter Bahn. Ich fragte mich, ob das Militär schon da sein würde, doch ich war die einzige, so wie ich es liebe. Ich hatte gehofft, dass so früh am Morgen das Militär noch keine Übungen am Fluss machten, denn das hiesse, dass viele junge Rekruten da wären und ich mich nicht mehr zu 100% wohl fühlen würde beim Joggen.Jeweils in der Anfangsphase des Joggens bin ich etwas neurotisch und setzte mich schnell unter Druck. Deshalb erzähle ich kaum jemandem davon bis es zur Routine geworden ist. Ich komme mir sonst dumm vor, wenn es nicht zur Routine geworden ist und ich bereits darüber geredet hätte. Und ich komme mir nicht gerne dumm vor. Ich rannte also los, nicht schnell und immer im Gleichschritt, doch ich machte meine drei Runden, hatte insgesamt 27 Minuten und stoppte anschliessend die Zeit, wie lange ich brauche, um mich für die Arbeit bereit zu machen. So kann ich für die nächsten Tagen einschätzen, wie viel zusätzliche Zeit ich jeweils fürs Joggen einrechnen muss am Morgen. Es ist nicht so, dass ich mir nicht überlegt habe, abends nach der Arbeit joggen zu gehen. Doch da gibt es zwei Dinge, die dieses Szenario unwahrscheinlich machen würden; wir haben Sommer hier und ich bin ein Winterkind. Die Hitze würde mir nicht guttun und ich würde kaum eine ganze Runde ohne Pause durchjoggen können; zweitens sind viele Menschen abends unterwegs, die dir in den Weg kommen könnten und allem voran, mag ich es, allein unterwegs zu sein. Die Morgenrunde gibt mir zudem schon früh am Tag das Gefühl, dass ich etwas erreicht habe. So kann ich aufgestellter zur Arbeit gehen und mich auf den Tag konzentrieren. Es ist ein absoluter Ausgleich zu meinem Arbeitsalltag. Dieser ist oft stressig und unvorhersehbar.
Ich arbeite in einem Spital als Sekretärin und bin unter anderem angestellt, um die Arbeit eines leitenden Arztes zu erleichtern. Ich muss seine Termine organisieren, zu schaffen, mithelfen bei der Organisation der Abteilung und arbeite eng mit dem Pflegeteam und unseren Patienten zusammen. Ich habe erst letztes Jahr in diesem Job gestartet. Anfangs wusste ich nicht, was mich erwartet, heute weiss ich, es ist genau das, was ich gesucht hatte, als ich meinen alten Job gekündigt hatte. Hier habe ich ein grossartiges Team, werde wertgeschätzt und habe täglich neue Herausforderungen. In diesem einen Jahr habe ich schon so viel gelernt und erlebt, dass ich es kaum glaube. Heute frei zu haben, bedeutete zwar, dass ich morgen extrem viel nachholen muss. Dies stresst mich ab und an, denn die Arbeitslast ist hoch. Es wird nie weniger und an fast jedem Tag, wenn ich die Arbeit verlasse, wüsste ich noch mindestens zehn weitere Dinge, die ich erledigen sollte, doch ich bin seit einem Jahr am Lernen, dass ich auch einmal etwas liegen lassen darf. Ich lebe nicht für die Arbeit, ich arbeite um mein Leben zu finanzieren und zu lernen. Ich arbeite, weil mir sonst langweilig wäre und ich liebe es, in einem Team zusammenzuarbeiten und unseren Patienten zu helfen. Einen Schritt nach dem anderen, dass ist mein Mantra bei der Arbeit. Ich kann nicht zaubern und das verlangt niemand von mir.
Und der erste Schritt fürs Joggen haben ich heute gemacht. Es ist ein Start und mir ist bewusst, dass ich meinen inneren Schweinehund täglich überwinden muss, bis es mir wieder durch Mark und Bein Spass macht. Ich bin eine sportliche Person, eigentlich. Die Faulheit hat aber seit einiger Zeit wieder die Überhand gewonnen und dies störte mich in letzter Zeit enorm. Ich liebe gutes Essen, ich liebe es aber auch, nicht ständig ausser Puste zu sein, wenn es mal einen Moment bergauf geht. Eine Zeitlang habe ich die Arbeit als Ausrede genommen, doch es war eben nichts anderes als eine Ausrede und wenn ich meinem Freund diese Ausrede schon nicht durchgehen lasse, so darf dies erst recht nicht bei mir selbst sein.
Es ist noch nicht einmal 7 Uhr und ich fühle mich gut. Die Morgenrunde hat gutgetan und ich bin bereit für den Tag, was auch immer kommen mag. Ich habe mir noch nichts vorgenommen. Eventuell lese ich noch etwas, wahrscheinlich ist, dass ich noch fernsehen werde und dann irgendwann wieder unterwegs sein werde. Seit ich vor etwas mehr als einem Monat ausgezogen bin, geniesse ich es so richtig, einfach zu machen, was ich will ohne die Müsse zu verspüren, mich vor jemandem zu rechtfertigen. Dies habe ich zwar schon seit längerem nicht mehr getan, aber innerlich hatte ich immer dieses schleichende und bedrückende Gefühl. Das alleine Wohnen ist nicht nur einfach, zwischendurch gibt es Momente, in denen ich mir einsam vorkomme, aber diese Momente sind selten. Hingegen sind meine Glücksgefühle über meine eigenen vier Wände fast immer vorhanden und ich finde es einfach toll, nun diesen Schritt gemacht zu haben. Es war für mich kein Wagnis, eher eine wohlüberlegte Handlung in die Selbstständigkeit.
Ich bin 25 Jahre alt und zu Hause fühlte ich mich immer mehr unwohl. Ich verstehe mich wunderbar mit meinen Eltern und auch mit meiner Schwester, doch immer mehr hatte ich mich beengt gefühlt und konnte mich nicht richtig ausleben. Seit ich nun ausgezogen bin, ist dieses Engegefühl nicht mehr da. An dessen Stelle ist Zufriedenheit getreten, eine Zufriedenheit, die mir Entspannung gibt. Viele haben mich gefragt, ob ich mit meinem Freund zusammenziehe und meine Antwort war jeweils ein vehementes "Nein". Und dies hat einen guten Grund. Seit ich mich erinnern mag, wollte ich einmal allein in meinen eigenen vier Wänden wohnen. Ich wollte selbst Miete zahlen, Kleider waschen und die Wohnung putzen, ohne dass ich mit jemandem diskutieren muss, wie man dies nun am besten macht. Ich wollte schon immer selbstständig sein und eine eigene Wohnung ist der erste Schritt dazu. Mein Freund hat dies von Beginn an akzeptiert und mich unterstützt. Und seit ich nun hier wohne, geniesse ich die Zeit mit mir selbst noch viel mehr! Musik zu hören, wann und wie laut man will, ohne Rücksicht auf jemanden zu nehmen. Ich kann einkaufen und kochen was ich will. Ich kann nackt durch die Wohnung tanzen oder einfach faul auf dem Sofa liegen, es muss einzig und alleine mir stimmen und das ist wunderbar. Ich muss keine Kompromisse eingehen und darf mich auch mal gehen lassen, wenn mir danach ist.In meine erste eigene Wohnung zu ziehen, war das Beste, dass ich dieses Jahr machen konnte und damit wünsche ich euch einen schönen und erholsamen Tag.
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My Diary
RandomDa mir das Schrieben doch seit einigen Jahren extrem schwer fällt und die Ideen für Geschichten zwar in meinem Kopf sind, jedoch nicht auf Papier kommen, versuche ich einen anderen Ansatz. My Diary ist das Buch, das mein Leben begleiten soll. Es sol...