Meine Familie hatte schon immer Pferde,seit mindestens 10 Generationen.
Als Grandiose geborden wurde, war ich16 Jahre alt. Er stammt ab von dem Araberhengst Mistrale Acquin vonDublin und der Stute Aurelia III Beauty, und er ist wunderschön.
Grandiose II Dancer war meinGeburtstagsgeschenk zum 17. Geburtstag. Und war mein bester Freundseitdem.
Seit ich denken kann, habe ich meinLeben auf dem Rücken der Pferde auf unserem Hof verbracht, und seitich eine Schaufel halten kann, putze ich die Ställe.
Grandiose ist mein erstes eigenesPferd. Seitdem ich ihn habe, habe ich den Hof und das Gelände meinerFamilie kaum noch verlassen.
Sein pechschwarzes Fell ist mein Bett,seine tiefen Seenaugen meine Freunde und sein warmer Atem die Schule.
Ich liebe ihn.
Ich kenne jeden Stein und jeden Weg desWaldes, jedes Sandkorn des Reitplatzes, jede Holzdiele der Reithalle.
Grandiose und ich leben in einerSeifenblase.
Schon wieder Toby.
Ich öffne die Stalltür, und Tobysteht neben Grandiose und tätschelt seinen Kopf.
„Er ist so schön. Du hast so einGlück mit diesem Pferd, Ally."
„Seit wann bist du hier?"
Ich dränge mich energisch an Tobyvorbei an Grandioses Seite.
„Ich mache die Boxen sauber."
Er weicht augenrollend aus.
„Bist du vorbereitet auf euerTurnier?"
„Natürlich. Grandiose und ich sinddie Besten. Am Samstag zeigen wir es allen."
„Du bist so eine Diva Ally.Manchmal..."
Toby verlässt die Box, und eineweiche, runde Hülle aus Seife schließt sich um Grandiose und mich.
Sachte nehme ich das Halfter von meinerSchulter und lege es ihm um sein definiertes, weiches Gesicht, führeihn dann in den Gang und binde ihn an. Wenig später gleitet meinStriegel auf seinem Fell hin und her, sein pulsierendes Blut und seinAtem entspannen sich bis ins Mark.
„Nimm doch lieber die Bürste fürseinen Bauch", sagt Toby, während ich sanft mit einem SchwammStaub von seinem Brustkorb entferne.
„Verpiss dich, Toby."
Toby ist der Angestellte meiner Familieseit zwei Monaten. Er ist groß und stark, seine Haare samtig undgekämmt, sein Gesicht lang und freundlich.
Das zweitschlimmste an Toby ist, dasser es immer gut meint.
Ich verachte ihn.
Meine Mutter hat ihn eingestellt, damitich jemanden in meinem Alter um mich herum habe.
Er kam am ersten Tag her und sahGrandiose, und er hat sich verliebt.
Er wohnt bei uns. Er folgt Grandioseauf Schritt un Tritt. Er zerstört mein Leben.
„Soll ich dir helfen?"
„Ich hab gesagt, du sollst gehen."
Fast lautlos läuft er um Grandioseherum, und sieht mich wamr und freundlich an, mit seinen rundenKastanienaugen.
„Wieso bist du so bitter? Es tut mirleid, dich so leiden zu sehen."
„Du bist eine Plage", stöhne ich,kämme Grandioses Mähne energischer, als es sein müsste.
„Ich hab gehört, in der Stadt istheute ein Fest, abends. Ich würde dich gerne dahin mitnehmen, wenndu Lust hast?"
Ich schließe langsam meine Augen,bücke mich nach der Putzbox und greife die Wasserbürste.
„Nein, Toby."
Ich kann Grandiose nicht seinetwegenverlassen. Er darf kein Dorn in unserem Bund werden. Nur Grandiosekann mir geben, was ich wirklich brauche.
Es macht mir Angst, dass Toby nicht vomHof stammt. Die Welt jenseits des vier Hektar großenFamiliengeländes hat mich verraten.
Amber fotographierte mich, Carlmisshandelte mich und Susan log, um die Geschichte zu vertuschen.
Der Rest ließ mich im Stich, oder ermachte mein Leben täglich zur Hölle. Ich wurde langsam aber sicherverstoßen.
Grandiose akzeptiert meinen magerenKörper, meine vernarbten Arme und Beine, meine sterben-wollendeSeele. Vor drei Jahren rettete Grandiose mir mit seiner Geburt dasLeben. Wir wurden zusammen geboren. Mein Leben läuft mit seinem Puls
Toby seufzt enttäuscht und zieht ab.
Heute reiten Grandiose und ich im Walddie Übungsstrecke ab. Wie erwartet, keine Fehler. Wir sindstundenlang weg. Sein Galopp ist präzise und ruhig, seine Sprüngehoch und elegant, seine Landungen federleicht.
Heute tanzen wir, heben ab, wir sindein und unsere Herzen schlagen gemeinsam.
Ich verwöhne ihn mit einer Banane undbinde ihn zum Putzen an, an den Hof zurückgekehrt.
Behutsam ziehe ich seinen Sattel ab undfange an, den Matsch des Waldes aus seinem Fell zu bürsten.
Meine Eltern präsentierten mirGrandiose direkt am Morgen meines Geburtstages.
Es lag noch Nenel auf der Koppel unddie herbstnackten Bäume reckten ihre Äste durch die dichte graueSuppe. Ich stand allein auf der Weide und meine Eltern hinter demZaun.
Ich war lebensmüde und seit drei Tagenaus dem Krankenhaus entlassen, mit dicken Verbänden um meinegeöffneten Pulsadern, eingefallenen Augen und nebelgrauen Wangen.
Ich erhoffte ein Wolfsrudel, das michzerreißen würde, aus dem Nebel tretend, eine Schlangengrube sichvor mir auftuend oder einen Scheiterhaufen, verborgen im Morgendunst.
Grandiose schritt langsam auf mich zu,und als ich die Wärme seiner Muskeln an meinen Fingerspitzen fühlte,erfüllte mich Leben. Seit Jahren zum ersten Mal weinte ich vorFreude.
„Es war noch Abendessen übrig. Ichhab es dir warm gemacht."
Ich schaue zuerst auf die Uhr. Elf UhrAbends. Sollte er nicht gerade auf dem Fest in der Stadt sein?
Mein Blick wandert dann zu Toby, dermir über Grandioses Rücken hinweg einen Teller Spaghetti und einenBecher Rotwein reicht.
Ich würde ihn am liebsten schlagen.Vor allem nach einem Ausritt brauche ich die Privatsphäre mitGrandiose, habe ich ihm schon gesagt.
Schweigend nehme ich den Teller undBecher und stelle ihn beiseite. Meine Hand greift den Hufkratzer.
„Was ich dich noch fragen wollte.Soll ich dich auf das Turnier begleiten? Deine Eltern meinten, ichsoll mich mehr um Grandiose kümmern, um dich zu entlasten. Ichkönnte dir bei den Vorbereitungen helfen."
Ich streiche sanft über GrandiosesOhren.
„Nein."
„Sicher? Ich habe manchmal Angst,dass du dich zu sehr in einer... Traumwelt vergräbst. Ich will dirda raus helfen. Du bist nicht allein. Und Grandiose mag ich ja auchganz gern. Da helfe ich gern bei der Pflege."
„Du bist eine Belastung für mich."
Ich weiß nicht wieso, vermutlich wegender Wärme des Blutes, aber meine Hände sind glühend heiß, währendder Hufkratzer wieder und wieder und wieder in Tobys Hals einhackt.
Grandiose hält still, bis Toby schlaffam Boden liegt, dann hebt er den Kopf und schaut mich ruhig an.
Die Welt um uns herum schimmert inglasigen Regenbogenfarben.
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Kurze Geschichten
Teen FictionEin Konfetti an traurigen, schönen und eigenartigen Geschichten. Tauch ein in meinen Kopf