I

2 0 0
                                    

Wieder stehe ich vor dem Regal. Und wieder greife ich zu der mit 97%. Ich liebe sie nicht nur, ich brauche sie. Das bittere, was mich im Leben hält. Was ich als Gegenwicht zu all den bitteren Enttäuschungen in die Waagschale werfe.

Wieder bezahle ich 4,95€ um meine Zeit hier zu verlängern. 4,95€ die helfen eine neue Woche zu überstehen. Oder eher einen neuen Tag. Mittlerweile stehe ich fast täglich an dieser Kasse. Mich bedient auch fast immer der selbe alte Herr und schaut mich so an, als sähe er etwas in mir, was nur in seinen Gedanken existiert.

Wieder laufe ich die Allee entlang. Dabei reiße ich die Silberfolie auf. Ich halte es nicht mehr aus, zu Warten. Ich halte es schon lange nicht mehr aus. Zu groß der Wunsch endlich die Realität für einige Zeit in dem bitteren Geschmack zu versenken.

Wieder brach ich ein Stück ab. Wohl wissend, dass das Ende näherrückt. Dass ich den Enttäuschungen nicht ewig davonrennen kann. Sie sind immer schneller als ich. Holen mich immer wieder ein.

Wieder sitze ich an der Brücke, mit dem Geländer im Rücken. Die Füße lasse ich über den Grund baumeln. Unter mir nur das Wasser der Themse. Braun und aufgewühlt. Es trifft fast perfekt den Farbton des letzten Stückes Schokolade den ich in der Hand habe.

Wieder und wieder drehe ich das Stück in den Händen. Kämpfe gegen den Drang an es zu essen. Es wird ganz klebrig und hinterlässt seine Spuren in meinen Handflächen. Es hebt sich stark von meiner schneeweißen Haut ab. Die Haut, weswegen ich erst die Schokolade brauche. Das Makel, was mich an den Abgrund brachte.

Ich werfe die Überreste des Stückes weg. Diesmal esse ich es nicht. Ich schaue dem Klumpen hinterher, wie er langsam Richtung Themse trudelt.

Und ich begriff. Es gibt nur einen Weg die Enttäuschungen hinter sich zu lassen. Einen Weg aus dem Bitteren etwas Süßes zu machen.

Und ich drücke die Hände auf den Asphalt, hole einmal Luft und stoße mich ab.

Die Passantin schloss schlagartig die Augen. Hoffentlich war das Mädchen nur eine Einbildung gewesen. Sie hoffte es für sich und das Mädchen. Das Bild war so grotesk gewesen, es musste Einbildung ihres Verstandes gewesen sein. Das darf ihr in ihrem Alter und bei der Hitze passieren. Als sie die Augen wieder öffnete, lag da tatsächlich nur eine leere Verpackungshülle. Sie hob diese auf und warf keinen Blick auf die Themse, wo das Mädchen trieb, mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf den Lippen.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 03, 2021 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

BitterschokoladeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt