Es war dunkel an diesem Ort, der den schlimmsten Verbrechern des Königreiches zugewiesen war. Das lodernde Feuer der Kerzen zischte, wenn sich ein nasser Tropfen von der Decke löste. In diesem schummrigen Licht trotzten drei Gefangene den biederen Umständen. Sie waren von dicken Gitterstäben umgeben, die jeden Gedanken an die Flucht im Keim erstickten. An diesem Ort, tief unter der Erde, an dem die Sonne nie aufging.
„Alois Grünstein. Sie werden lebenslänglich im Kerker schmoren". Die Worte des hochrangigen Offiziers hallten in seinem Kopf und drängten das Gefühl der Endlichkeit in seinen Körper. Neben ihm lag ein Schwert, von dem Soldaten wie einen Hundeknochen hingeworfen. Eine Waffe, die er mit Sicherheit nicht geschenkt bekam, um sie gegen das Königshaus zu richten. Eher ermöglichte es den Zugang ins Jenseits, falls die Hoffnungslosigkeit seinen Lebenswillen rauben würde. Alois saß auf dem Boden, den Rücken an der kalten Wand angelehnt. Sein Körper war mit schweren Ketten bestückt. Nachdenklich linste er zu seinem Zellennachbarn. Warum er hier unten gefangen gehalten wurde? Dieser kleine Raum, nicht größer wie ein Holzschuppen, engte seinen Verstand ein. Der einzige Ausgang war durch eine massive Stahltür versperrt. Dahinter lag der Raum, in dem die normalen Verbrecher der Stadt inhaftiert waren. Dass er mit seinem Wissen über das Land mehr Gefahr ausstrahlte, wie ein kaltblütiger Mörder, überraschte ihn nicht. Er hätte mit seiner Botschaft das Schicksal des Königreiches verändern können.
Seine Gedanken kreisten ungeordnet über seinem Kopf. Sein Sohn? Seine Frau? Die Wahrheit? Er hatte in den nächsten Jahren genügend Zeit, sich mit all diesen Fragen auseinanderzusetzen. Er warf das Schwert von sich, um sich der Versuchung, es gegen sich selbst zu richten, zu entledigen. Diese Genugtuung würde er dem Königreich nicht geben.
„Welchen Teil der Wahrheit hast du gesehen?" durchbrach einer der Mitgefangenen die Stille. Alois drehte seinen Kopf zur Seite. Sein Zellennachbar hatte sich soeben bewegt, richtete den Blick auf ihn. Verwundert runzelte Alois die Stirn. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er hier unten angesprochen werden würde. Eine abgemagerte Person kauerte auf dem Boden, das Gewicht ihrer Fesseln untersagte ihr, sich aufzurichten.
„Es gibt in jedem Winkel des Schlosses Intrigen, nicht wahr?" sprach Alois, während er an die tiefe Decke starrte.
„Ja. Und wer dahinter kommt, wird hier landen".
„Also du auch? Wie lange bist du schon hier?"
„Hier unten verlierst du schnell das Zeitgefühl. Es könnten Monate sein oder auch Jahre".
Alois versuchte, auf die Beine zu kommen. Das Gewicht an seinen Armen drückte ihn gegen den nasskalten Boden, als hätte sich die Schwerkraft vervielfacht. In gebückter Haltung schlurfte er durch die Zelle.
„Spätestens nach ein paar Tagen versuchst du dich, so wenig wie möglich zu bewegen" prophezeite der Gefangene, dem beim Anblick der ungelenken Gehversuche beinahe ein leichtes Schmunzeln über die Lippen kam. Doch die Zeit in Gefangenschaft schien seine Gefühle kaltgestellt zu haben. Er verhielt sich wie ein kränklicher Mann, der nur auf seinen Tod wartete.
„Das Volk muss die Wahrheit erfahren". Alois versuchte, gegen das Gewicht der Ketten anzukämpfen. Mit verkrampftem Gesichtsausdruck griff er nach einer dicken Gitterstange und krallte sich fest. Er atmete tief durch. Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet.
„Ich wiederhole mich nur ungern und ich will dich auch nicht einschüchtern. Aber ich gebe dir ein paar Tage und du kauerst in der Ecke wie eine kleine Maus, die sich vor einer Horde Katzen versteckt".
„Ich habe einen Sohn und eine Frau" untermauerte Alois seinen Willen, nicht so schnell das Handtuch zu werfen, und quetschte seinen Kopf zwischen die Gitterstäbe. Hektisch griff er sich an die Jackentasche. Mit Blick auf ein zerknittertes Foto breitete sich Erleichterung aus. Das letzte Andenken an seine alte Zeit.
„Denkst du ich hatte niemanden, den ich geliebt habe?" entgegnete der Gefangene. „Das ist bald nicht mehr wichtig. Schau dir diese Frau hier an. Die ist schon vor Monaten verstummt".
Wie von Geisterhand öffnete sich die große Stahltüre. Eine muskulöse Person, die ihr Gesicht im Schleier der Dunkelheit verhüllte, betrat den hinteren Teil des Kerkers. Mit drei Brotstückchen in der Hand stapfte er auf die Inhaftierten zu.
„Na, habt ihr schon Hunger?". Die Worte spiegelten die Boshaftigkeit seiner Seele wieder. Mit einem hämischen Grinsen näherte er sich den Gefangenen. Wie bei einer Raubtierfütterung warf er die Scheiben Brot achtlos in die verdreckte Zelle.
„Ich stehe hier" zog Alois die Aufmerksamkeit auf sich. „Kannst du nicht zielen?". Er ahnte, dass er diese Worte bald bereuen würde. Egal, wie oft ihn der Soldat demütigte. Er war auf ihn angewiesen, wie ein Säugling auf seine Mutter.
Der Soldat schien die Worte zu ignorieren. Er marschierte kommentarlos an den Gitterstäben entlang und steuerte auf die benachbarte Zelle zu. Für einen Moment war er nur einen Wimpernschlag von Alois entfernt. Er bereute, dass er das Schwert von sich geworfen hatte.
Der Soldat drehte sich blitzschnell um und blickte Alois verachtend in die Augen. Der Hass, der tief aus dem Inneren des Soldaten herausströmte, brachte sein Herz aus dem Rhythmus. Alois versuchte zurückzuweichen, doch ein höllischer Schmerz breitete sich in seiner Magengegend aus. Der Soldat hatte ihm ohne Vorwarnung einen kräftigen Schlag versetzt. Alois knallte mit dem Kopf gegen die Stange und fiel auf die Knie.
„Ich finde diese Haltung steht Ihnen besser" ätzte der Soldat.
„Was habt ihr vor? Das Königreich zerstören?" keuchte Alois, der seine Hand krampfhaft gegen den Bauch drückte und versuchte, die Schmerzen auszublenden.
„Im Gegenteil. Wir werden dieses Königreich aufblühen lassen. Überall auf der Welt, wird man vor dem mächtigen Königreich Poulo in die Knie gehen" erläuterte der Soldat mit der Gewissheit, dass die Gefangenen bis an ihre letzten Tage unter der Erde begraben waren.
„Und wie soll das Gelingen?"
„Wir sind das Land der Mitonis. Diese Wesen werden uns unsterblich machen". Der Soldat verfiel in lautstarkes Gelächter und thronte wie ein König vor ihm. Er schien sich seines Planes sicher zu sein.
„Meine Freunde und Verwandten werden mich vermissen" drohte Alois, doch der Soldat zuckte mit keiner Wimper.
„Diese bösen Mito-Hunter. Sie gehen über Leichen, um an das Blut der Mitonis zu gelangen" sagte der Soldat mit leicht ironischem Unterton. Alois verstand zunächst nicht, was die Worte bedeuteten. Dann riss er wie vom Blitz getroffen die Augen auf.
„Das werdet ihr nicht tun" fluchte er ungehalten. Hätten ihn die schweren Ketten und der stechende Schmerz nicht zurückgehalten, wäre er dem Soldaten ins Gesicht gesprungen.
„Du magst vielleicht nur gefangen sein. Aber das Volk wird glauben, du wärst umgebracht worden".
„Ihr Verbrecher"
„Viel Spaß in der Hölle. Dieser kleine Raum wird die nächsten Jahrzehnte dein treuer Begleiter sein. Hier wird dich keiner finden, außer der Tod".
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Die Wesen der Macht
FantasyEin Jahr nach dem Tod meines Vaters erhielt ich ein zweites Leben. Ein Kroja fegte wie ein Wirbelsturm durch die Stadt und tötete zahlreiche Menschen. Es stand direkt vor mir, hätte mich mit Leichtigkeit zerquetschen können. Doch es verschonte mich...