alternative ending

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Adrenalin rauschte durch Alexanders Körper. Er wollte etwas tun, irgendwas, die Hände heben, einen Schritt nach dem anderen langsam auf seinen Geliebten zugehen, doch die beiden auf seine Brust gerichteten Pistolen veranlassten ihn dazu, lieber nichts zu tun, sondern zu Worten zu greifen, auch wenn sein Gegenüber ihm mit Worten deutlich überlegen war. Er wollte es zumindest nicht unversucht lassen. Er wollte Heinrich, den er über alles liebte, um keinen Preis verlieren. Die Chancen auf eine gemeinsame Zukunft schwanden mit jeder Sekunde, in der die Läufe beider Terzerole auf sein Herz zielten. Alex hatte seinem preußischen Landsmann doch versprochen, ihn auf seine nächste Reise mitzunehmen und dieser hatte ihm seinerseits versprochen, nie zu heiraten und dass nur der ältere Naturforscher in seinem Herzen Platz hätte. Alexander schluckte. Diese schöne Zukunft von der sie in den gemeinsamen Nächten auf dem Kyffhäuser geträumt hatten, während sie eng aneinander gekuschelt die Sterne betrachtet hatten wollte und konnte Alexander nicht einfach so aufgeben. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen ehe er zu seinem Gegenüber blickte, dessen Terzerole immer noch auf ihn gerichtet waren. Alex erkannte, dass seine Hände zitterten, Schweiß trotz der kühlen Nacht von seiner Stirn perlte und sein Atem besonders kontrolliert ging, als sei er auf der Jagd,  kurz davor ein Reh zu erlegen und wolle nicht einmal durch seinen Atem seine Anwesenheit verraten, damit seine Beute nicht flüchten würde. Das Reh in dieser Situation war der Jüngere der Humboldt-Brüder, welcher nicht im Entferntesten an eine Flucht dachte. Ohne Heinrich würde er nicht gehen. Statt also die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen, sprach Alexander nun den jungen Mann mit den Terzerolen in den zittrigen Händen an: „Heinrich…“ „Schweig, Judas!“, unterbrach ihn diese sofort und festigte den Griff um seine Waffen. Goethe wagte es nicht sich zwischen die beiden zu stellen. Heinrichs Impulsivität war zu unberechenbar und der ältere Dichter war ihr schon einmal zum Opfer gefallen, weshalb er getrost auf ein zweites Mal verzichten konnte und so hielt er nur Humboldts Waffen, damit dieser keinen Gebrauch von ihnen machen könnte. Bettine hingegen konnte dies nicht länger mitansehen. „Nein! Ich bitte dich, Heinrich.“ „Hast du nicht gehört was er uns berichtet hat? Er hat uns verraten und wie Judas den Feind zu uns geführt.“, warf der Angesprochene dem anderen Preußen vor und etwas leiser fügte er hinzu: „Und wie Judas hast du es unter Küssen getan.“, wandte er sich direkt an den Beschuldigten. Ein Ruck ging durch Heinrichs Körper. „Herr von Goethe, wenn Sie mir für die Rettung Ihres Lebens danken wollen, so richte ich zwei Bitten an Sie: Für den Verrat an unserer kleinen Gesellschaft soll Alexander gerichtet werden und für den Verrat an meinem Herzen will ich derjenige sein, der jene Strafe vollstreckt.“ Bettine sah Goethe bittend an, Tränen auf ihren Wangen, doch Goethe nickte Kleist zu. Alexander öffnete den Mund und auch als der ehemalige Leutnant den Hahn des einen Terzerols spannte, ließ er sich davon nicht aus der Fassung bringen. „Ich habe unsere Gruppe an die Franzosen verraten, doch Heinrich, dein Herz verriet ich nie. Ich habe dich aufrichtig geliebt und ich liebe dich noch immer.“ Kleist gab ihm keine Antwort. Stumm wischte er sich mit dem Ärmel zum wiederholten Male über die wunden Augen, wobei ihm der Ladestock für seine Terzerole zu Boden fiel. In einer vorsichtigen und langsamen Bewegung bückte Humboldt sich und hob ihn auf. Unwirsch schnappte Kleist ihm das dargebotene Eisen aus der Hand. „Auf.“, sprach er. „Nimm du die Fackel.“ Alexander nahm Goethe die entzündete Fackel aus der Hand und nickte ihm und Bettine zu. „Lebt wohl.“ Die junge Frau wollte dazwischen gehen, doch Goethe hielt sie zurück, als Heinrich den Verräter mit den beiden Pistolen in den Wald dirigierte. Die beiden Männer schwiegen bis sie tief in den Wald gegangen waren und Heinrich das kalte Eisen der Terzerole zwischen Alexanders Schulterblätter drückte. „Heinrich.“, flüsterte dieser mit ruhiger Stimme. „Ich verstehe deine Wut, doch bitte hör mich an.“ Über die Schulter sah er in die verweinten Augen des Jüngeren, der das Terzerol von dem Rücken seines Freundes nahm, damit dieser sich umdrehen konnte. Das flackernde Licht der Fackel ließ die gesamte Szenerie, den sonst dunklen, dichten Wald um sie herum unheimlich erscheinen. „Wenn du noch etwas zu sagen hast, dann sprich jetzt oder schweig auf ewig.“ Heinrich sprach in einem harschen Tonfall, als würde er einem untergebenen Soldaten Befehle geben und genauso kaltherzig sah er den anderen Mann nun auch an. Alexander erschauderte. Dieser Ausdruck in den Augen seines Geliebten war schlimmer als die Situation, in welcher er sich befand. „Du musst mir glauben. Niemals könnte ich dein Herz verraten. „Ich habe dich geliebt, liebe dich und werde dich immer lieben. Mein ganzes Wesen verzehrt sich nach dir und meine Seele lechzt nach der gemeinsamen Zukunft, die wir uns so häufig ausgemalt haben. Ich habe Verrat begangen, aber nie um dir zu schaden. Im Gegenteil, ich wollte dich schützen. Es wurde freies Geleit für unsere sechsköpfige Gruppe versprochen und nichts wünschte ich mehr für unser beider Zukunft. Ich wollte nur der Monarchie in Frankreich Einhalt gebieten. Du kennst meine Einstellung zur Politik. Es lebe die Revolution.“ Vorsichtig trat er zwei Schritte auf den Geliebten zu, als sich ein Schuss löste, doch Humboldt überbrückte die letzte Distanz zwischen ihnen, um Kleist fest in seine Arme zu schließen. „Hast du absichtlich danebengeschossen oder zittern deine Hände zu stark?“, fragte Alexander mit ruhiger Stimme, erhielt jedoch keine Antwort. Zwei unmittelbar aufeinanderfolgende, dumpfe Schläge und Heinrichs zittrige Hände, die ihren Weg in seinen Nacken fanden, verrieten Alexander, dass sein junger Freund beide Terzerole hatte fallen lassen. „Ich kann dich nicht niederschießen, denn würde ich das tun, so müsste ich auch mir selbst Blei und Pulver in den Schädel jagen.“, flüsterte der ehemalige Leutnant. Alexander lächelte schief und platzierte vorsichtig einen Kuss auf der feuchten Wange seines preußischen Landmannes. „Ich werde das vergessen, aber niemals kann ich dir vergeben.“, meinte Kleist ernst und sah Humboldt aus geröteten Augen an. Der nickte verständnisvoll. „Das kann ich auch gar nicht von dir erbitten, doch ich flehe dich an, mich nicht fortzujagen und somit diese Beziehung zu beenden, denn dies wäre für mich ebenso Todesurteil wie ein gezielter Schuss. Ich möchte eine beständige Zukunft mit dir.“ Kleist lächelte traurig. „Nichts ist beständiger als die Unbeständigkeit und mein Leben ist sehr unbeständig. Mit deiner Beständigkeit willst du mich doch hoffentlich nicht in ein Philisterleben zwingen?“, entgegnete er. „Ein Philister? Ich? Du scherzt.“ Heinrich kicherte, als er sich löste und die Terzerole aufhob. „Na ein Romantiker bist du auch nicht.“ „Das stimmt. Ich bin Forscher.“ „Und du versprachst mir, mich mitzunehmen auf deine Reisen.“ Humboldt nickte. „Doch bevor wir neue Reisen beginne, sollten wir unsere aktuelle beenden.“ Kleist nickte, verstaute beide Terzerole und blickte den Weg, den sie gekommen waren zurück. „Komm, wir gehen. Bettine hat sicher fürchterliche Angst, seit sie den Schuss gehört hat und ich will endlich aus dieser Trauerkleidung heraus.“

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 11, 2021 ⏰

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