Ankunft in Japan

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Es sind bereits anderthalb Jahre vergangen, seitdem ich Deutschland verlassen habe. Damals wusste ich nicht, was oder vor allem wer mich hier erwarten würde. Jetzt anderthalb Jahre später fühle ich mich endlich dazu in der Lage, meine Geschichte zu erzählen. Ich hatte immer vor, von meinem Leben in Japan zu berichten, aber irgendwie kam es bisher nicht dazu. Aber das soll sich nun ein für alle Mal ändern.

Ich war eine der letzten „Glücklichen", die mit einem Working Holiday Visum nach Japan vor Corona kam. Das haben mir im Laufe des Jahres unzählige Japaner versichert. Im Gepäck hatte ich fünfzehn Kilogramm Kleidung, keine Erwartungen, aber dafür die Vorfreude auf ein unvergessliches Abenteuer. Meine ersten fünf Wochen in Tokyo rauschten nur so an mir vorbei. Corona war zu dem Zeitpunkt ein Echo aus einer anderen Welt und ich war überwältigt von all den Eindrücken, die sich mir boten. Insbesondere musste ich feststellen, dass nicht sehr viele Japaner Englisch sprechen können. Reiseratgeber lügen in der Hinsicht wirklich nicht. So war es auch nicht weiter schlimm, dass mein Englisch gebrochen war. Verstehen konnte man mich sowieso nicht. Irgendwie schaffte ich es nach meinem sechszehn Stunden Flug vom Flughafen zu meinem Hostel. Dass ich wirklich in Japan war, realisierte ich erst, nach dem mein Jetlag vollkommen verflogen war und ich wieder zum normalen Denken fähig war.

Einerseits machte es mir Angst, manchmal nicht zu wissen, was ich da eigentlich aß, aber anderseits spürte ich den Drang neben diesem Abenteuer nur noch mehr erleben zu wollen. Allein Bahnfahren in Tokyo war etwas, dass ich als früheres Dorfkind erst lernen musste. Ich hatte das Gefühl, wieder Laufenlernen zu müssen. In Deutschland kann ich auch ohne Bahnticket, wenngleich das unerlaubt ist, einen Bahnsteig betreten und verlassen, aber in Japan muss ich durch ein Ticketgate schreiten. Ohne gültiges Ticket komme ich weder von A nach B oder andersherum. Als ich durch das Gate am Flughafen zum Bahnsteig mit gültigem Ticket ging, wusste ich ja nicht, dass man dieses auch wieder verwenden musste, um durch das Gate am Ankunftsort zu kommen. Es dauerte sage und schreibe zehn Minuten in einem Kauderwelsch aus Japanisch und Englisch, bis ich verstand, was mir der Bahnarbeiter hatte mitteilen wollen: „Steck das Ticket ins Gate, dann öffnet es sich für dich." Allein meine Ankunft wurde somit zu meiner ersten Herausforderung. Heute kann ich darüber nur schmunzeln.

Vor meiner Ankunft in Japan habe ich ein dreiviertel Jahr lang meine Reise hierher vorbereitet und auch selbst organisiert. Vom Flug bis hinzu meiner Unterkunft habe ich alles allein recherchiert und gebucht. Weshalb ich das erwähne? Nun ich bin allein noch nie zuvor irgendwo hingereist. Es waren immer Freunde oder Familie mit dabei, die die Reise organisiert haben. Aber ich wollte weit weg. Ganz allein. Mit geringfügigen Englischkenntnissen und einem abgebrochenen Japanischkurs und einer halbfertigen Bachelorarbeit in der Tasche. Meine Naivität war grenzenlos im Nachhinein betrachtet. Mit meinen 23 Jahren über den Ozean zu fliegen mit der Absicht, in einem fremden Land für ein Jahr zu leben, in dem ich zuvor noch nie gewesen, war ein riesiges Wagnis. Aber zugleich auch das Abenteuer, nach dem ich jahrelang gesehnt hatte.

Beinahe fertig mit meinem Bachelor hatte sich in mir das Bedürfnis aufgetan, Deutschland für eine Weile den Rücken zu kehren. Bei meinen Freunden und meiner Familie stießen meine Pläne teil auf Begeisterung, teils auf Skepsis. Nach neunmonatiger Planung saß ich aber schließlich im Flieger. Noch heute denke ich, dass es die richtige Entscheidung war. Wenngleich ich nicht damit rechnen konnte, dass Japan mein Leben komplett auf den Kopf stellen würde. Corona hat sein Übriges dazu beigetragen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 16, 2021 ⏰

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