erster Morgen

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Meine Lippen sind zusammengepresst, als ich statt einer Antwort darauf, nur nicken kann. Meine Mutter wirkt sehr fröhlich, und ich glaube schon zu ahnen, was sie vorhat. Und auch, wenn meine Lust aufs Auspacken nicht gestiegen ist, ist mir das sogar lieber, als das meine Mutter den erstbesten Jungen einlädt. Und das Schlimme:

Mich blamiert.

Darauf kann ich gerne verzichten. Ich liebe meine Mutter wirklich sehr, und sie ist so fürsorglich und liebevoll zu mir, aber manchmal behandelt sie mich, als wäre ich zehn.

„ Lukas, ja? Darf ich dir meine Tochter vorstellen, dass ist Alisha. Vielleicht -“

Ich mache auf den Versen kehrt und stakse außer Reichweite, während ich weiß, wie irritiert mir meine Mutter nachschaut. Wirklich gerne würde ich ihn näher kennen lernen, aber riskieren, mich beim ersten Eindruck lächerlich zu machen? Na ja, morgen in der Schule sehe ich ihn doch eh, oder nicht …? Das hoffe ich zumindest.

O je, morgen ist mein erster Schultag, stimmt. Und wie jeder Neuling, habe ich ein bisschen Bedenken. Was, wenn mein erster, auch mein schlimmster wird und sich alle über mich lustig machen? Denn ich bin ein totaler Tollpatsch, wenn ich nervös bin. Und ich werde schnell nervös.

„ Mama, ich muss auspacken“, rufe ich, weiß aber nicht genau, ob sie das verstanden hat. Ein bisschen schäme ich mich ja jetzt wirklich, so wie ich mich aufgeführt habe, war das sicher peinlicher. Aber nun ist es zu spät, also sollte ich mich mal mit wichtigerem beschäftigen, als mit Jungs. Zum Beispiel mit der Dekoration meines Zimmers …

             * * * * * *

Ich gehe nun schon seit zwei Stunden in meinem Zimmer herum, seitdem ich alles ausgepackt habe, und weiß immer noch nicht, wo ich die kleine Schmuckkiste, die Schminke, die kleinen Figuren, Freundschaftsgeschenke, Bücher und anderen Krimskrams hinstellen soll. Okay, nach reichlicher Überlegung habe ich mich entschieden, die Figuren und Geschenke au die Kommode zu stellen, und den Rest in die Schubladen. Das nimmt zwei Schubladen weg, und zwei bleiben mir noch für schulisches übrig. Gut, sollte so gehen.

Meine Klamotten sind als nächstes dran. Zum Glück habe ich sie in den zwei Stunden als Ablenkung schon mal durchgeguckt, und muss es nur noch in den Kleiderschrank legen.

So, erledigt.

Müde lasse ich mich aufs Bett fallen und schließe einen Moment lang die Augen, bis mir einfällt, dass ich meiner Mutter noch Bescheid sagen muss.

Gleichzeitig flammt das Bild von Lukas wieder auf, und eine kleine Vorfreude entwickelt sich auf morgen. Dieser Tag könnte sich aber schnell entweder zum Guten oder zum Schlechten wenden für mich.

Eilig, damit ich mich endlich umziehen und ins Bett legen kann, laufe ich die Treppe runter und gehe ins Wohnzimmer.

Als ich auf die Couch zugehe, die in einem Creme-Ton ist, trete ich auf den flauschigen Teppich, der die Gedanken an morgen beruhigt, die davon handeln, ob es gut gehen wird, oder nicht. Meine Mutter sitzt auf der Couch und liest ein Buch, dass mir wie etwas dramatisches aussieht, so, wie sie dreinschaut.

„ Äh, Mama?“, versuche ich sie, wieder in die Realität zurückzuholen. Nach wenigen Sekunden schaut sie auf, und ihr Gesichtsausdruck wird weicher. „ Oh, entschuldige, was möchtest du?“

„ Ähm, ich bin fertig. Also mit dem Auspacken, und hab schon paar Gegenstände auf die Kommode gepackt und Bücher einsortiert. Keine Sorge, die Klamotten habe ich auch schon in den Schrank gepackt. Abgesehen von den Jacken, Schuhen, einem Spiegel, Hygienesachen und schulisches, die noch nicht angekommen sind, ist nichts mehr in den Kisten oben.

angel of souls - Schrei der EinsamkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt