This Is How I'm Coping

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Ich bin ein einziger Verarbeitungsmechanismus. Mein Körper ist darauf ausgelegt mit dem fertig zu werden, was schon lange hinter mir liegt. Mein Kopf arbeitet die ganze Zeit an archivierten Akten. Und das beste ist, es merkt keiner. Fast keiner.
Weil ich mich in Fluten stürze, die tief genug sind, um so tief zu sinken, dass niemand deine Leiche findet, wenn du ertrinkst. Und dann, manchmal, mitten in alledem, ertrinke ich in mir.

Das Wasser erweckt mich wieder zum Leben und ich glaubte kurz, mein Wecker hätte geklingelt. Aber nein, ich ich liege nicht im Bett. Sondern im Wasser. Mein Körper erinnert sich daran, dass ich atmen muss und bringt mich an die Wasseroberfläche. Dieser erste Windstoß, der mir wieder Wasser ins Gesicht klatscht, lässt meine Lungen zerbersten und ich hole nur noch tiefer Luft. Ich höre meinen Namen.
"Maria, was war das denn?!", ich sehe Omar mit seinem Board auf mich zu paddeln. Er sieht panisch aus. Ich bin nur müde.
Ich antworte ihm nicht und lasse mich von ihm mit auf sein Board ziehen, als er mich erreicht hat.
"Scheiße, geht es dir gut?", seine Hände halten mein Gesicht und ich muss ihn ansehen.
"Es ist alles gut."
"Das sah schon fast aus, als wolltest du einen Wipe out anstatt einen Arial erreichen.", seine Augen leuchteten auf und ich fühlte mich allmählich wieder lebendiger.
"Ich bin müde. Können wir mein Board suchen und gehen?", er seufzte und nickte.
"Willst du, dass ich dich nochmal durchchecke, um sicher zu sein, dass du okay bist?", er grinste und ich konnte seinen Versuch mich mit seinen Sex-Anspielungen aufzumuntern nicht annehmen.
"Nein.", ich sah mich nun nach meinem Board um und brauchte auch nicht lange, um es etwas weiter draußen zu entdecken.
„Wie nein? Maria, jetzt mache ich mir Sorgen.", seine Stimme war etwas ernster als eben noch.
„Mein Board ist da hinten.", meine Laune sank umso mehr seine Sorge stieg.
„Maria."
„Omar."
„Okay, ist ja gut. Tu mir wenigstens den Gefallen und mach dich mit meinem Board schon auf den Weg zum Ufer. Ich hol deins und komm nach. Nur für den Fall, dass du doch verletzt bist. Ich will dich dann nicht ohne Board im Wasser haben."
„Okay", ich stimmte zu. Wenn er mir Anstrengung abnehmen wollte, sollte er das ruhig tun. Ich war zu müde zum diskutieren.

Auch im Auto wollte ich nicht wirklich reden. Omar's Versuche ein Gespräch anzufangen, blieben erfolglos. Im Radio liefen die Charts. Songs von Ed Sheeran oder Ariana Grande. Songs, an denen man sich fast schon überhört hat, weil sie so oft laufen. Ich stützte meinen Kopf auf meinem Arm ab und sah mir die vorbeiziehenden Autos an. Gedanken hingen schwer in der Luft. Sowohl seine als auch meine. Es war klar, dass wir im Prinzip über das gleiche nachdachten, ohne es auszusprechen.
Ich hatte auch nicht erwartet, dass wir es tun würden, bis Omar anfing.
„Hast du deine Tabletten genommen?", ich sah auf und zog die Augenbrauen zusammen.
„Ja. Keine Angst.", er atmete etwas lauter aus als normal. Meine Laune sank etwas tiefer.
„Tut mir leid, Maria... ich hatte... habe nur Angst.", seine Stimme war sanft und meine Genervtheit schwank um in dieses melancholische Gefühl, dass schwer auf der Lunge lag. Nicht wirklich Traurigkeit. Aber es erschwerte das Atmen.
„Vor mir...?", meine Stimme war ebenfalls weicher.
„Mein Gott, nein. Bitte denk das nicht.", etwas Erleichterung, „Davor, dass ich dir nicht helfen kann.", ich schwieg kurz, ehe ich antwortete.
„Fahr rechts ran."

Omar sagte nichts weiter dazu und parkte in der nächsten freien Parklücke am Straßenrand. Und das, obwohl wir nur noch 5 Autominuten von meiner Straße entfernt waren. Ich atmete durch.
„Omar, du weißt, dass du mich nicht retten musst?", ich sah ihn jetzt das erste mal seit wir im Wasser waren wieder an. Seine Haare waren noch etwas nass, dadurch dunkler als sonst, und zerzaust. Auch er sah irgendwie etwas müde aus. Mich packte die plötzlich Sehnsucht mich mit ihm ins Bett zu kuscheln und ihn nicht mehr los zu lassen. Ich wünschte mir, seiner Atmung, seinem Herzschlag zu hören zu können, bis ich einschlafen und ruhen würde.
„Ja, es ist nur... das... du bist immer so aufgeweckt, so taff, so Maria eben. Und wenn... du die Tabletten nicht nimmst, bist du gar nicht richtig da. So kalt irgendwie. Als würdest du in dir drinnen feststecken. Und... dann weiß ich nicht weiter.", er sah hilflos aus. Und so sah man ihn echt nicht oft.
„Wow, du kannst das echt gut einschätzen.", ich sah zu meinen Händen und wieder zu ihm, „Irgendwie ist es auch so, wie du gesagt hast. Ich stecke in mir drinnen fest. Aber das hat nicht zwingend was mit den Tabletten zu tun. Die verändern ja nicht den Menschen, der ich bin. Weißt du?", er nickt. „Sie betäuben eher. Sie betäuben das, was mich in mir einsperrt. Klingt komisch."
„So komisch klingt das gar nicht.", er nahm meine Hand und ich schmunzelte kurz. Seine Berührung, so klein sie auch war, wärmte mich ein bisschen.
„Aber was ich jetzt sage klingt komisch. Bist du bereit?", er zog einen Mundwinkel etwas hoch, sah etwas befreiter aus.
„Jetzt bin ich gespannt."
„Du betäubst dieses etwas, was mich einsperrt auch.", er fing an zu lächeln und überlegte kurz.
„Kann mein Nachname dann bitte zu deinem Medikamentenamen geändert werden, Windgirl? Ist besser als Dörnchen.", wir lachten beide.
„Kannst ja mal bei der Behörde nachfragen.", meinte ich und er grinste mich an, „aber Omar, wenn ich mal kälter oder zickig oder ganz weit weg von mir selbst bin, dann musst du mich nicht retten. Helfen tust du mir immer, wenn du da bist. Nur manchmal... also, ich verarbeite noch eine Menge. Und manchmal muss ich dazu ein bisschen eingesperrt sein."
„Und wenn dir was passiert?"
„Was soll mir passieren?"
„Was, wenn du ertrinkst? Hector meinte auch... also... du bist wie deine Mutter."
„Keine Sorge, das bedeutet ich ertrinke erst ab meinem 30. Lebensjahr.", er sah mich entsetzt an, verstärkte seinen Griff, umschloss meine Hand mehr, als würde ich aus dem Auto auf die Straße und vor ein Auto springen wollen. Ich konnte nicht anders und musste lachen. „Tut mir leid, manchmal ist schwarzer Humor gut, um mit etwas fertigzuwerden, über das es schwer fällt zu reden.", ich strich mir mit der freien Hand Haare aus dem Gesicht. Dann fuhr ich fort: „Aber nein, Omar, ich werde schon nicht ertrinken. Nicht im Wasser."
„Okay... aber kann ich nix tun?", er legte den Kopf schief.
„Du tust doch so viel. Nur Dinge verarbeiten kann ich nur alleine. Okay?"
„Okay."

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