Ein Mensch. In dieser leeren Landschaft. Nicht einmal Shells waren in der Nähe zu sehen oder zu hören, aber offensichtlich gab es noch weitere Überlebende. Und scheinbar brauchte diese Überlebende Hilfe.
"Meine Schwester. Sie hat vor einigen Tagen die Umgebung verlassen, weil uns die Vorräte ausgehen. Sie wollte in die Stadt gehen und sie ist noch nicht wieder zurückgekehrt. Ich befürchte das Schlimmste. Aber ich kann auch nicht los um sie zu suchen, ich muss doch unsere Eltern pflegen.", sagte das Mädchen, nachdem es wieder zu Atem gekommen war.
Bei dem Wort 'pflegen' wurden alle hellhörig. Wenn ihre Eltern infiziert waren, dann hatte das Mädchen die Krankheit jetzt zu der Gruppe gebracht und das ganze Vorhaben war zum Scheitern verurteilt. All die Arbeit über die letzten Wochen wären sinnlos gewesen. Vollkommen umsonst. Sie würden krank werden und wenn sie sich nicht gegenseitig vorher die Köpfe einschlugen, als leere Hüllen enden, die ziellos durch die Märchenwelt wanderten.
Das Mädchen schien die Bedenken der Gruppe zu bemerken, schwer war es auch nicht. Jeder war plötzlich angespannter, als zuvor und einige waren ein paar Schritte nach hinten gegangen.
"Keine Sorge. Es ist nicht die Seuche. Sie waren vorher schon kränklich und sie sind auch schon etwas älter. Das Leben auf den Feldern hat seine Spuren hinterlassen.", sagte sie und versuchte mit einem Lächeln die Anspannung zu lösen, die sich auch in ihr breitgemacht hatte.
"Also... Könnt ihr mir vielleicht helfen und sie suchen? Ich beobachte euch schon eine Weile und ihr geht in genau die Richtung, in die sie auch gegangen ist."
Sie klang ernsthaft verzweifelt.
'Wer wäre in dieser Situation auch nicht verzweifelt'
"Nein, ich ignoriere das jetzt einfach.", murmelte Pega und erntete damit wieder einmal verwirrte und besorgte Blicke.
"Natürlich helfen wir dir.", sagte Antonia schließlich und das Mädchen atmete erleichtert auf.
"Ich bin übrigens Ryuu.", stellte sie sich vor.
Sie beschrieb, wie ihre Schwester aussah und nachdem sie sich bestimmt zehn mal bedankt hatte, zog die Gruppe weiter und Ryuu verschwand wieder im Feld, um zu ihren Eltern zurückzukehren."Weit und breit kein Shell, vielleicht sollten wir einfach alle Überlebenden in die ländlicheren Gegenden bringen.", schlug Jug vor, nachdem die Märchenfiguren eine Weile schweigend dem Weg gefolgt waren.
"Ob die große Ansammlung von Menschen und magischen Wesen dann nicht doch die Aufmerksamkeit der Shells auf sich zieht? Bisher haben wir doch einige sichere Plätze für die Überlebenden gefunden, ich würde nichts ändern, solange alle sicher sind.", sagte Sylvie und Jug nickte zustimmend.
"Stimmt. Aber falls alles schief geht, wäre das zumindest eine Option."
Er hatte Recht.
Zum ersten Mal seit Monaten fühlten sich die Mitglieder der Gruppe sicher. Naja So sicher wie man sich in einer solchen Situation fühlen kann, aber es erfüllte sie mit Hoffnung, dass die ländlichen Gegenden scheinbar verschont geblieben waren. Vielleicht waren vor dem Ausbruch der Krankheit sogar einige Leute hierher geflohen und es gab mehr Überlebende, als sie vorher angenommen hatten.
"Leute? Seht ihr das da vorne auch?"
Pega war stehen geblieben und deutete nach vorne.
"Jetzt hörst du nicht nur Stimmen, sondern siehst auch nicht vorhandene Dinge?", fragte Jug.
Die anderen strengten sich an, in der Ferne etwas anderes zu erkennen, als den Weg, der schon fast von den Pflanzen auf dem Feld überwuchert wurde.
"Pega...", sagte Sylvie und seufzte.
"So langsam machst du mir wirklich Sorgen."
"Nein jetzt strengt eure nutzlosen Augen doch mal an, da kommt was auf uns zu!"
Und tatsächlich. Langsam konnten auch die anderen einen kleinen schwebenden Fleck am Horizont erkennen, der sich stetig auf sie zu bewegte.
"Was ist das? Können Shells jetzt schon fliegen?", fragte Antonia und nutze ihre Hand, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen.
"Na das wäre ja noch schöner.", sagte Jug.
Der Fleck kam näher und näher, bis er endlich identifiziert werden konnte: Es war eine kleine Fee. Sie schien guter Dinge zu sein, lächelte und summte vor sich hin, während sie auf die Gruppe zuflog. Dann hielt sie an.
"Willkommen auf den weiten Feldern, Reisende!", sagte sie und lächelte erfreut.
Wenn man bedenkt, auf welcher Mission die Märchenfiguren waren, dann war ihre Art schon irgendwie befremdlich. Unzählige Menschen kämpften um ihr Leben und sie schwebte fröhlich umher.
"Antonia, Sylvie, Jug, Pega und Anubis. Die Hoffnung des Märchenlandes."
Woher sie wohl ihre Namen kannte?
"Die Neuigkeiten verbreiten sich auch in einer Zeit wie dieser schnell. In vielen Ecken ist bereits bekannt, was ihr schon alles auf euch genommen habt, um ein Heilmittel für diese schreckliche Seuche zu finden."
Alle sahen sich abwechselnd an.
"Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich bin hier um euch vor einer Gefahr zu warnen.", sagte sie und ihr Gesichtsausdruck wurde plötzlich ernst.
"Wenn ihr diesem Weg weiter folgt, werdet ihr an einem großen, schlafenden und sehr pelzigen Monster vorbeikommen. Es führt kein Weg drumherum, er blockiert den einzigen Weg über einen sehr tiefen Graben. Ihr könnt natürlich auch einen Umweg um die Schlucht machen, aber es wimmelt dort nur von Infizierten und die Reise würde Tage dauern.", sagte die Fee und Antonia schüttelte den Kopf.
"Das können wir uns nicht leisten. Wir müssen so schnell wie möglich zum großen Zauberer und danach zur Trollbrücke.", sagte sie und die Fee nickte.
"Dann müsst ihr leider irgendwie an dem Monster vorbei."
'Sonst wäre es ja zu einfach.'
"Wenn es sein muss, mache ich das Ding fertig. Ich weiß schließlich wie ich mit meiner Axt umzugehen habe.", sagte Antonia und präsentierte demonstrativ ihre Axt.
"Das Monster kann sich auf was gefasst machen. Und wir sind ein ziemlich gutes Team.", fügte sie noch hinzu.
Die Fee nickte.
"Ich wünsche euch viel Glück. Ihr werdet es brauchen, das wird kein einfacher Weg für euch werden.", sagte sie.
"Wir haben schon schlimmeres überstanden.", sagte Jug.
Dann meldete sich Sylvie zu Wort.
"Gibt es noch mehr Überlebende, wo du herkommst? Und wie geht es ihnen?", fragte sie.
"Einige, ja. Und es geht allen soweit gut. Die Vorräte werden langsam knapp und die Stimmung ist nicht unbedingt gut, aber bisher hat niemand die Hoffnung aufgegeben."
"Wer bist du überhaupt? Du scheinst so viel über uns und unsere Mission zu wissen und wir kennen nicht einmal deinen Namen.", sagte Pega schließlich.
Die Fee lächelte verlegen.
"Stimmt, wie unhöflich von mir. Ich bin Tamara."
Jeder stellte einige weitere Fragen an die Kleine Fee. Wo kam sie her, wie hatte sie von der Gruppe und ihrer Mission erfahren, wie hatten sie bis jetzt in Sicherheit leben können...Bis Tamara der Fragerei irgendwann ein Ende setzte.
"Wenn das alles vorbei ist, dann werde ich euch all eure Fragen beantworten, Zeit genug wird dann sicher sein. Und eure Geschichte möchte ich dann auch ganz genau hören. Aber ihr müsst jetzt weiter, der Tag nähert sich dem Ende.", sagte sie und ein zustimmendes Gemurmel machte sich in der Gruppe breit.
"Ach und noch etwas...", murmelte sie und flog dichter an Antonia heran, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern.
"Gebt gut Acht auf euch.", sagte Tamara schließlich.
Sie verabschiedete sich von den Märchenfiguren und zog ihrer Wege, bevor sich auch die Gruppe wieder auf machte, nach dem großen Zauberer zu suchen.
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Die Reise der Märchenfiguren
FantasyAls eine Seuche im Märchenwald ausbrach, suchten die Märchenfiguren Schutz in einem kleinen Gasthaus am Rande des Waldes, das von einer netten Frau betrieben wurde. Werden sie gemeinsam alle Hürden überwinden können, um ein Heilmittel zu finden und...