KAPITEL 1

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Wind wehte durch ihre Haare und löste einzelne Strähnen aus ihrer Frisur. Die losen Haare flogen ihr ins Gesicht und klebten an ihrer nassen Haut. Weitere Tränen sammelten sich in ihren Augen, während sie weiter lief. Wo sie hinwollte wusste sie nicht. Es gab keinen Platz an den sie gerade wollte. Alles erschien sinnlos. Der Rucksack auf ihrem Rücken wurde mit jedem Schritt schwerer. Wie hatte das passieren können. Gerade hatte sie noch fröhlich mit ihrer Familie zu Abend gegessen und alles war wie immer gewesen. Alle hatten gelacht und in Mara hatte sich ein Gefühl entwickelt, dass genau jetzt der richtige Zeitpunkt wäre, es Ihnen endlich zu erzählen.

Sie hatte ja schon mit eher negativen Reaktionen auf ihr Coming-out gerechnet, aber niemals hätte sie gedacht das ihre Eltern sie aus dem Haus schmeißen würden. Mara war wütend und traurig und einsam. Sie hatte keinen Platz an den sie konnte, keinen Platz an den sie wollte. Also lief sie immer weiter. Wie lange sie schon lief konnte sie nicht sagen, doch es war schon dunkel geworden und sie konnte ja schließlich nicht die ganze Nacht laufen. 

Mara blieb stehen und schaute sich um. Sie war mitten auf der Straße gelaufen, stellte sie erschrocken fest. Sie ging schnell an den Straßenrand, wo sie sich niederließ. Wieder schaute sie um sich. Sie war an einem Feld gelandet, Straßenschilder waren nicht in Sicht, sie musste den Ort verlassen haben. Na gut das war auch nicht sonderlich schwer, wenn man aus einem 500 Menschen Dorf stammte.

Ein paar Autos fuhren an Mara vorbei und Mara stand langsam auf. Wie magnetisch von den fahrenden Wägen angezogen lief sie wieder auf die Straße. Die Fahrer hupten und wichen ihr fluchend aus, doch Mara stellte sie auf die Straße und bewegte sich nicht mehr. Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen. Die Straßen verschwamm und Mara dachte darüber nach, wie ihre Eltern sie angesehen hatten. Ekel war in ihren Augen zu sehen gewesen, keinerlei Liebe, alles was ihre Eltern jemals in ihr gesehen hatten, war in diesem Augenblick verschwunden, alles unwichtig, das einzige was sie sahen war etwas unnormales, ekelhaftes. Ihre Tochter war eine Lesbe.

Auf einmal wurde Mara aus ihren Gedanken gerissen und von der Straße. Jemand hatte seine Arme um ihre Hüfte geschlungen und sie von der Straße gezehrt. Mit einem dumpfen Ton landete Mara mit der Person auf dem Feld. Ihre Rippen schmerzten. Sie war genau auf dem Arm der anderen Person gelandet. Mara stöhnte und richtete sich langsam auf. Ihr Schädel brummte und jeder Atemzug verschlimmerte die Schmerzen in ihrem Brustkorb. Mara wischte sich die Tränen von den Augen und schaute auf die Person neben sich.  Es war ein junger Mann. Seine braunen Haare lagen ordentlich gegeelt auf seinem Kopf. Er trug Sportsachen. "Verdammte Scheiße.", fluchte er und richtete sich auf, wobei er sich den Kopf rieb. Er schaute Mara an. "Was hast du dir nur dabei gedacht", fragte er vorwurfsvoll und sprach weiter: "du hättest draufgehen können.". Mara starrte den Mann an. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen und sagte: "Hallo ich bin Mara". Der Mann schaute sie fassungslos an. Mit einem Ruck stand er auf und reichte Mara seine Hand. "Hallo Mara"; sagte er nun mit einer weichen Stimme und mit besorgter Miene fragte er: "hast du dich verletzt?"

Mara ergriff die Hand und versuchte langsam aufzustehen. Mit einem schmerzverzogenem Gesicht antwortete sie. "alles halb so wild". Der Mann schaut Mara misstrauisch an. "was machst du denn alleine hier draußen und warum zur Hölle standest du mitten auf der Straße?". Mara versuchte so locker wie möglich zu klingen und sagte: "ich wandere gerade durch Deutschland und bin schon lange unterwegs. Deswegen bin ich wohl sehr müde und unkonzentriert. Also alles gut, sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.". Der Mann schaute Mara an und fing an zu lachen. "Der war gut. Wirklich. Richtig gut. Naja das musst du ja auch keinem Fremden anvertrauen." Der Mann lächelte Mara an und fragte: "wenn du so lange schon unterwegs bist, wo willst du denn heute Nacht unterkommen?"  An schlafen hatte Mara noch garnicht gedacht. "Ich bin übrigens Milo und wenn du magst kannst du eine Nacht in meinem Gästezimmer verbringen, wenn du magst". Mara überlegte kurz und willigte dann ein, sie hatte eh keinen anderen Ort an den sie konnte.


Ein Leben ohne LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt