Sherlock

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(Sherlocks POV)

Es waren nun schon drei Monate vergangen, seit er an meinem Grab gestanden hatte und mich bat nicht tot zu sein- ihm zuliebe nicht tot zu sein. Und nun stand ich dort, wo er gestanden hatte, mein Umriss spiegelte sich auf der glatten Steintafel und ich las immer wieder meinen eigenen Namen.
Vor dem Grab lagen frische Blumen. Sie waren sicher von Miss Hudson.
Ich trat an den Grabstein und berührte ihn an derselben Stelle wie er damals.
Ein leichter Schauer lief mir über den Rücken, als ich daran dachte wie er sich bemüht hatte nicht zu weinen. Wie er für einen kurzen Moment die Fassung verloren und sich dann mühsam zusammen gerissen hatte.
Mein Blick wanderte zu dem Ort, an dem ich selbst gestanden und zugesehen hatte wie John um einen angeblichen Toten trauerte, ich hörte die Worte als würde er neben mir stehen und sie mir ins Gesicht sagen.
“Ach bloß eins noch, ja. Eine bitte hätte ich noch, mir zur liebe Sherlock. Ein Wunder. Seien sie bitte … nicht tot … würden sie das für mich tun … hören sie einfach … damit auf.”
Jedes mal wenn ich an diese Worte dachte, versetzte es mir einen Stich.
“Ich war so allein … und ich schulde ihnen so viel”. Ich hatte auf einmal einen dicken Kloß im Hals. Tränen traten in meine Augen. Für mich war es noch immer unbegreiflich, dass ich jemanden so viel bedeutet hatte. Ich, der Freak.
Manchmal dachte ich darüber nach, wie es wäre wenn ich John nie getroffen hätte. Ich hätte meinen Tod nicht vortäuschen müssen, aber ich hätte auch Greg nie als einen Freund gesehen (Was ich natürlich egal, wer fragen sollte, bestreiten würde) Nie hätte ich einen Partner gehabt, jemand der mich schätzte. John hatte mich gezwungen, ein besserer Mensch zu werden. Er hat mich immer als etwas gesehen, was ich für andere nicht war. Ein Mensch.Anfangs hielt er mich für eine komische Art Held. Für einen arroganten, kaltherzigen Helden. Aber dann wurde aus dem Helden ein Freund.
Ich hatte vorher nie einen Freund gehabt.
Ich nahm die Hand von dem kalten Grabstein und wandte mich ab.
Ich muss John einfach sehen und wenn es nur für einen kurzen Moment ist. Nur um zu wissen, dass es ihm gut geht.
Irgendwann würde ich ganz zurückkehren, aber nun wollte ich ihn nur sehen, wenn es geht seine Stimme hören. Ihn vielleicht, wenn ich es geschickt anstelle, wie durch Zufall berühren.
Aber er darf mich nicht erkennen, er darf nicht wissen das ich lebe … Erst musste ich Moriaty´s Netz auflösen. Denn erst dann wäre John wieder sicher, dann könnte ich wieder zu ihm zurück kehren.
Ich setzte mich in Bewegung. Ich hatte Hunger. Für mich war Essen nur ein notwendiges Übel zum überleben. Ich musste schmunzeln, als ich daran dachte wie John mir anfangs immer ein Frühstück aufzwingen wollte. Er befand es immer als außerordentlich wichtig richtig zu Frühstücken.
Ich wollte aus alter Gewohnheit meinen Mantelkragen hochschlagen, doch seit meinem angeblichen Tod hatte ich den Mantel abgelegt und gegen eine schlichte hellbraune Jacke getauscht. Meine Haare waren kürzer und dunkelblond, zudem trug ich eine Brille.
Ich lief durch die Straßen, seit drei Monaten war ich nicht mehr durch sie gelaufen. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
Meine Füße führten mich zu dem Restaurant, in dem ich und John das erste Mal gegessen hatten.
Ich wusste das ich nicht dort essen konnte, obwohl es mich fast magisch dorthin zog. Aus nähere Entfernung warf ich einen Blick hinein und mir stockte der Atem. An dem Tisch am Fenster saß Greg Lestrade und ihm gegenüber John.
Mein Herzschlag setzte kurz aus und ich fing leicht an zu zittern. Da saß er. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm wenden, ich zwinkerte nicht einmal aus angst, auch nur einen Moment zu verpassen.
Wie in Trance ging ich bis zum Straßenrand. Ich wusste wenn ich die Straße nun überqueren würde, befände ich mich vor der Scheibe des Restaurants und er könnte mich sehen. Er würde erfahren das ich noch lebe. Aber ich überwand den Drang. Doch abwenden und weiter gehen konnte ich mich auch nicht, gebannt von dem Anblick.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ihn mehr vermisste, als ich mir selbst eingestanden hatte. Ich wollte nichts mehr als ihm in die Augen zu schauen, seine Stimme zu hören …

Der blaue SchalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt