𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏 ~ 𝐄𝐝𝐢𝐧𝐚

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Ich verstand es nicht. Ich konnte, und wollte es einfach nicht verstehen. Warum ich? Musste wirklich immer ich diejenige sein, die alles schlechte abbekam? Und wenn ja, warum? Womit hatte ich das verdient? Ich war immer ein Freundliches ja, vielleicht sogar Braves Mädchen gewesen. Aber trotzdem...

Ich konnte es so oder so nicht ändern. Egal was ich tat, ich würde eh verlieren. Und... ich wusste es zwar nicht, aber ich hatte das Gefühl, das mich noch Schlimmeres erwarten würde. Leise seufzend,  fuhr mir mit den Händen über das Gesicht, welches Tränenverschmiert war. All diese Gedanken, war die einzigen, die mein Kopf im Moment noch formen konnte. In dieser Zeit in der alles Schief lief, und ich so viel verloren hatte.

Meine Mutter.

Meinen Bruder.

Bei dem Gedanken an ihn durchzuckte mich wieder die Trauer. Ich hatte ihn gebraucht, und er hatte mich unterstützt. Aber am Ende war ihm seine Musikkarriere dann eben doch wichtiger gewesen. Erneut rollte eine Träne meine Wange herab. Er war gegangen, und hatte mich zurückgelassen. Und nicht nur mich, sondern auch noch die, von der ich nicht wollte, das sie ebenso wie ich und meine ganze Armselige Familie unter meiner Krankheit lid. Wenigsten sie sollte ein normales und Glückliches Leben Führen können. Aber nein, denn eben deshalb, weil unser Bruder gegangen war, wollte sie mir umso mehr helfen. Aber das tat sie nicht. Nicht so. Nicht, indem sie mich nur mit dieser unerträglichen Sorge, in den Augen ansehen konnte. Nicht wenn sie unbewusst immer wieder darauf hinwies, das etwas mit mir nicht richtig war. Nicht wenn sie selbst unglücklich war.

Aber Grandma verlangte zu viel von ihr, und sie war noch so Jung! Sie war schließlich meine Kleine Schwester, es müsste andersherum sein. Und ich wollte gar nichts von ihnen! Nichts! Ich verlangte kein bisschen, verzichtete auf alles, verhielt mich ruhig. Wenn ich dann aber doch etwas wollte, konnten sie es mir nicht geben. Dabei hatte ich nur ein ganz normales Leben führen wollen. Ich hatte nie gewollt, das meine Probleme Öffentlich wurden, oder jemand mich für seltsam hielt. Aber sie hatten es nicht verstehen können. Sie hatten es mir nicht geben können.

Und jetzt war es passiert. Mein Albtraum war Wahr geworden.

Er wusste es.

 Matt... wer hatte ihm das angetan? Wer hatte mich verraten? Er hatte nicht so reagiert, wie vorgestellt. Aber auch nicht schlimm. Er hatte gar nicht reagiert. Erst Später hatten er mir geschrieben. Zum bestimmt schon Hundertsten mal an diesem Tag, las ich mir die Nachrichten Abfolge durch, die er mir per SMS geschickt hatte.


Edina

Es tut mir leid. Ich Schäme mich dafür, das ich dir nicht geholfen habe. Dafür, das... ich dir nicht helfen konnte. Und dafür, das ich nie etwas bemerkt habe. 

Edina...

Warum? Warum hast du mir nichts gesagt? War es dir Peinlich? Hattest du Angst? Angst... vor mir? Ich Bitte dich, sag es mir! Erzähl mir was los ist, was du hast! Bitte!

Aber ich möchte das du weißt: Ich werde dir helfen. Jetzt, und solange wie du es brauchst. Bis an mein Lebensende wenn nötig.

Ich liebe dich.

Matt


Beinahe musste ich lächeln. Mein Matt... immer dachte er zuerst daran, was er falsch gemacht habe könnte, und ob es den anderen denn gut ginge. Dabei hatte er nichts falsch gemacht. Er konnte nichts dafür. Und es schmerzte mir tief Herzen, das er das dachte. Es machte mich beinahe wütend. Denn das alles war meine Schuld. Und das würde auch immer so bleiben. Solange, bis er mir verzieh, und alles vorbei war.


⋇⋇⋇


Ich beschloss, mir nicht länger Gedanken darüber zu machen, und stattdessen mal mein Outfit zu wechseln. Das hatte ich seid Tagen nicht mehr getan, in den tagen, in denen ich auf meinem Bett, vor dem Fenster gesessen hatte, und regungslos in unseren kleinen Garten gestarrt hatte. Und bei dem Gedanken daran, das ich bald mit Matt würde sprechen müssen - Ob Persönlich oder am Telefon - fühlte ich mich noch ein Stückchen Unwohler als eh schon. Sofern das Möglich war. Also stand ich, unter knarzendem Protest meiner Matratze auf, und schlich Richtung Bad. Ich war froh, das Grandma im Garten, und Lila bei einer Freundin war, und ich so keine erstaunten und Über-führsorglichen Blicke abbekam. 

Während ich unter der Fast zu Heißen Dusche stand, dachte ich darüber nach, was ich matt denn nun sagen wollte. Nein Matt, ich habe keine Angst vor dir, wie kommst du denn darauf?! Doch ich fand einfach nicht die richtigen Worte. Es war ja auch verzwickt! Ich hätte es ihm verdammt noch mal von Anfang an sagen sollen! Dann hätte er sich auch wahrscheinlich nicht in ein schwerkrankes Mädchen verliebt. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag, und mein Herz zog sich zusammen. Wie er schon geschrieben hatte, er schein nie etwas bemerkt zu haben. Also konnte es so schlimm nicht aussehen. Augenscheinlich. Wenn er nur wüsste, wie... Nein. Ich wollte jetzt nicht länger daran denken.

Ich stieg aus der Dusche, und schlang mir das Handtusch um den Körper. Dabei viel mein Blick in den Ovalen Spiegel über dem Waschbecken. Erschrocken zog ich die Luft ein. Ich sah ja fürchterlich aus! Tiefe Augenringe, blasse und Käsige Haut, und meine Halblangen Haare ähnelten mehr einem Vogelnest, als dem was sie sein sollten. Oh Gott. Ich wandte den Blick ab. Eigentlich war es mir völlig egal, wie ich aussah, aber ich wollte trotzdem nicht, das Matt mich so sah. Es sollte keinen noch schlimmeren Eindruck in ihm wecken, als es eh schon war. Ich hatte beschlossen, zu ihm zu fahren. Ich wollte es ihm richtig erklären. Und so ging ich schweigend wieder in mein Zimmer, und zog mich an. Ein Schlichtes, Violettes Top und dazu eine einfache Jeans. Anschließend, kämmte ich mir die Haare. Endlich wieder. Sie gingen mir zwar nur bis etwar eine Handlänge über die Schulter, es war aber trotzdem ein Kampf sie zu bändigen. Doch schließlich lagen sie mir wieder ordentlich und glatt auf dem Rücken. Ich überlegte nicht lange, und griff dann auch nach meiner bereits verstaubten Schmicktasche. Ich trug nicht viel auf. Nur so viel, das die Hässlichen Augenringe verschwanden, und ich etwas frischer aussah. Ich wusste nicht warum ich das tat, denn ich kümmerte mich schon Wochenlang fast gar nicht mehr über mein Aussehen. Ich meine, es ist ja nie das wichtigste, aber...dennoch ist es mir immer unwichtiger geworden. So wie alles andere auch. Ich tute es für ihn. Dachte ich, und schob die Gedanken erneut beiseite. 

Während ich mir meine Handtasche schnappte, und alles nötige einpackte, wurde ich immer unruhiger. Mir war inzwischen so ziemlich alles egal. Außer vielleicht die Schule, mein Familie, und Matt. An ihn dachte ich immer noch genauso oft wie vorher auch. Wie würde er reagieren? Würde er wütend werden? Oder... ich Schluckte, würde er sich von mir trennen wollen? 

Ich hastete durch den Flur nach draußen, Grandma stand im Rosenbeet unseres Vorgartens. Als sie mich bemerkte, richtete sie sich langsam auf. Und ihre Augen wurden groß. Sie sah mich an wie einen Geist. Wie sehr ich das hasste. „Was...machst du denn hier?". Fragte sie dann, endlich, als sie ihre stimme einfing, die ihr offenbar entwischt war. Ich zwang meinem Regungslosen Gesicht ein lächeln ab. „Ich gehe raus.". Sie Nickte. Zögernd. „Ja, klar äh, das tust du wohl.". Murmelte sie. Ich lachte. Gezwungen, unecht. Dann erwiderte ich: „Keine Angst, ich werde schon nicht ertrinken oder so. Ich gehe zu Matt.". Erneut sah meine Oma mich überrascht an. „Zu Matt?". Ich rollte mit den Augen. „Ach so, der ja stimmt!". Auch sie lachte jetzt, etwas nervös, wie ich fand. Dann sah sie mich mit diesem Fürchterlichen Sorgenvollem Blick an. „Soll ich dich fahren, Schatz?". Ich presste die Lippen zusammen. „Nein, danke. Ich komme schon zurecht.". Bemühte ich mich freundlich zu erwidern. Sie nickte nur, und Umarmte mich kurz. Tief sog ich ihren Duft ein. Trotz allem, hatte ich sie lieb. Und ich war ihr unendlich dankbar, für ihre Fürsorge. Auch wenn sie übertrieb. „Pass auf dich auf". Flüsterte Grandma, und ich nickte lächelnd, während ich zu meinem Audi ging.

Als ich über die Straßen von Beaufort fuhr, stellte ich das Radio ganz laut, und versuchte mich auf die Musik zu Konzentrieren, um nicht an ihn zu denken. Doch selbst, als mein einmaliges Lieblingslied „Lonely" lief, konnte ich an nichts anderes denken. 

Und dann stand ich da. Vor seiner Tür. Vielleicht vor Offenen Armen, Vielleicht vor der Hölle. 

Was es war wusste ich nicht, als ich klingelte.

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