1975

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1975.

Karl liegt auf seinem Bett und starrt Löcher in die Luft. Vor Langeweile fehlt ihm die Motivation, sich zu erheben und seiner Mutter im Haushalt zu helfen. Es ist der 31. Oktober, das Wetter herbstlich verregnet und ausnahmsweise ist sein kleiner Bruder Peter nicht daheim, wodurch Karl die Ruhe hat, dem Radio zu lauschen. An anderen Tagen kommt Peter ungefragt herein, verstellt den Sender oder bringt Karls Plattensammlung durcheinander.

Nun gut, Sammlung mag vielleicht etwas übertrieben sein, doch jede einzelne der Scheiben hat sich Karl von seinem Taschengeld abgespart.

"Liebe Hörer, es herbstelt," stellt der Radiosprecher fest, Karl lauscht ihm mit einem Ohr. "Zeit für etwas Neues, würde ich sagen. Wo sind die Queen-Fans?"

Karl setzt sich auf. Für einen kurzen Moment ist er völlig perplex.

"Freddie Mercury und seine Kollegen verschönern uns die trüben Tage mit einer neuen EP."

Mit einem überstürzten Satz springt Karl zu seinem Regal. Hektisch sucht er nach einer rechteckigen, unbeschrifteten Plastikschachtel. Als er eine in seinen zitternden Fingern hält, stürmt er zu seinem Radio. Beinahe bekommt er die Hülle nicht auf.

"Bohemian Rhapsody heißt das gute Stück. Wir wünschen unseren Hörern viel Spaß dabei!"

Ein leiser Fluch hilft Karl dabei, die Kassette aus der Schutzhülle zu nehmen und in den Radio zu stecken. Ohne zu warten, drückt er zwei nebeneinanderliegende Tasten. Da ertönen die ersten Klänge des neuen Liedes seiner absoluten Lieblingsband.

"Is this the real life," singen Queen mehrstimmig und a capella. Erst bei "open your eyes" setzt Freddie mit dem Klavier ein. Karl versteht nicht wirklich viel von dem Text, da er kaum Englisch spricht, doch es reicht aus, ihn verzückt lauschen zu lassen.

Gänsehaut überzieht Karls Körper bei dem ersten "Mamaaaah!".

Als dann Roger Taylor das Schlagzeug bedient, steigen ihm Tränen in die Augen. Die langsame Melodie mit diesen eindringlichen Highlights ... Schließlich erklingt auch noch Brian Mays Gitarre. Dieses Lied ist perfekt!

Karl nickt mit dem Kopf dazu, unryhthmisch, dennoch voller Hingabe. Als das Lied dem Ende zugeht, stoppt er die Aufnahme. Er muss sofort zu seinem Freund Sigi auf der anderen Seite der Siedlung, um ihm von diesem atemberaubenden Lied zu erzählen.

Doch was ist das? Das Klavier geht in ein Stakkato über? Rasch wird die Aufnahme fortgesetzt.

Zuerst ist Karl für einen Moment verwirrt. Diese Melodie passt nun so überhaupt nicht zum Beginn des Liedes. Es klingt neu und fremd und gut! Überwältigend, stellt er einen Moment später fest, als "thunderbolts and lightning" herniedergehen.

Die Soundeffekte fesseln Karl an sein Radio. Er wagt es kaum, zu atmen, um keinen Ton dieses nahezu irren Stücks zu verabsäumen. Und plötzlich ist es ein Rocksong, der aus dem Radio dringt. Harte Gitarrenklänge, schnell gesungene Zeilen.

Dann ändert sich die Stimmung erneut. Das Lied wird langsamer, die Instrumente nehmen ab, das Klavier kehrt zurück, Freddie singt allein. Eine Brise der Gitarre schwingt noch mit, ehe Freddie sich verabschiedet.

Ein Gong.

Dass seine Augen weit aufgerissen auf den Radio starren, bemerkt Karl nicht. Auch nicht, dass die Aufnahme weiterläuft und die Worte des Sprechers aufzeichnet. Neues Album. Im November. Das muss Karl haben!

Als er sich etwas gesammelt hat, entnimmt er dem Radio die Kassette, steckt sich vorsorglich in die Hülle zurück und besucht seinen Freund Sigi.

Karl weiß noch nicht, dass er Freddie Mercury in ein paar Jahren live erleben darf. Dass Bohemian Rhapsody das Aushängeschild der Band sein wird. Dass er mit seinen Töchtern auf einem Konzert der Band stehen und gemeinsam mit ihnen weinen wird, weil Freddie nur noch über eine Leinwand das Publikum mit seinen eindrucksvollen Klängen begeistern wird ...

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