6. Eine mächtige Freundin

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Familie- Er war allein. Hatte weder Mutter noch Vater, die ihm beistanden. Der kluge Mann störte sich daran nicht. Einsamkeit war ihm sowieso das Liebste. Misaki war das Gegenteil. Ihre große Familie brachte Segen und Fluch. Jeder ihrer Verwandten hatte eine Meinung, doch sie alle waren sich einig, dass er nicht die beste Wahl für die älteste der Töchter war.

Der Abend folgte einer beinahe ereignislosen Abwechslung von Hass für Ava und Bewunderung für ihn. Weder William noch seiner Freundin waren die Gespräche angenehm und mehr als einmal sah er sehnsüchtig zur Tür. Das falsche Lächeln grub harte Falten in seine Wangen und die starre Anspannung ermüdete ihn zusehends.

"Wie lange müssen wir noch hierbleiben?", murmelte Ava und sah sich erschöpft um. Frustriert schüttelte er den Kopf. "Ich hoffe nicht mehr allzu lange."

"Schon genug von deinen Fans?" Leicht lächelnd legte er den Kopf schief. "Und was ist mit dir? Willst du deinen Feinden nicht mehr entgegentreten?"

"Ich habe genug für einen Abend." "Ich für ein Leben.", wisperte er und griff zaghaft nach ihrer Hand, "tut mir leid. Es ist nur..."

"ich bin froh, dass du bei mir warst." Nickend gab er ihr recht und sah sich um. Überrascht bemerkte er eine Fremde in einem tiefen Gespräch mit Hutter.

"Wer ist das?", fragte Ava ebenso verwundert. William verzog ratlos die Augenbrauen. "Gehen wir hin." Gemeinsam gingen sie zu Hutter und der Fremden. Sobald sie sich ihnen näherten, richtete sich der Blick der Frau auf sie und ein breites Lächeln zierte ihre roten Lippen.

"Mein lieber Herr Kanzler, willst du mir vielleicht deine Freunde vorstellen?" Hutter lachte leise und wurde rot. Fassungslos betrachtete William die leichte Farbe auf den sonst so bleichen Wangen des Kanzlers.

"Nichts lieber als das. Ava Park, William Archer, das ist eine...Kollegin von mir. Isabella Honoka Nakamura." Hutter sprach ihren Namen mit viel Respekt aus. Die Frau strich ihre langen schwarzen Haare hinter die geschmückten Ohren und blickte sie aus leicht schräg gestellten Augen freundlich an.

"Isabella reicht völlig. Honoka war der Name meiner Tante.", sie besaß eine einnehmende Ausstrahlung und schien sich in dem Schlangennest von einer Party wohlzufühlen.

"War?", fragte Ava und taxierte die Fremde. William gestand sich ein, dass ihr Kleid passender nicht hätte sein können. In einem tiefen Rotton leuchteten unzählige Rubine, der kunstvolle Schnitt erinnerte an einen Kimono, ohne einer zu sein.

"Sie starb als kleines Mädchen. Mein Großvater hat den Verlust nie verwunden. Mein Vater hat mir dann ihren Namen geschenkt, als Erinnerung." Williams Vater hatte es genauso bei ihm gemacht. Martin, war der Name seines biologischen Vaters und wo zuvor ein leerer Platz war, hatte Archer interveniert. Es war ihm wichtig gewesen, dass William nie vergaß, woher er kam und wer seine Eltern gewesen waren. "Das tut mir leid für ihre Familie." Isabella winkte ab.

"Das Ganze war vor langer Zeit. Ich habe Honoka nie kennengelernt und mein Vater sprach nie von ihr."

"Da ist wieder dieses war?", bemerkte William vorsichtig. Sein Gegenüber nickte langsam. "Familie ist ein unbeschreibliches Gut. Selbst wenn sie nicht die sind, die wir uns gewünscht hätten."

Ihr Blick glitt zu Ava, deren Gesicht zu einer steinernen Maske geworden war. Es war an der Zeit das Thema zu wechseln.

"Deine Kette ist wunderschön.", neugierig zeigte er auf den weißen, glitzernden Stein in goldener Fassung. Isabella lachte und griff automatisch nach dem Schmuckstück.

"Dieses alte Ding? Ist ein Familienerbstück, wie mein Name auch. Mein Großvater hat sie für meine Großmutter anfertigen lassen."

"Sie bringt deine Augen zum Strahlen, amore mio.", schmunzelte Hutter und warf ihr einen intimen Blick zu. Verlegen trank Isabella aus ihrem Sektglas. William und Ava sahen sich irritiert an. Was passierte hier gerade?

Vermächtnis- Erbsünde 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt