Alles was ich für dich gab...

573 12 7
                                    

Unter dem dunkel bewölkten Nachthimmel, lief ich stets gerade aus, ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Es gab keinen bestimmten Ort an dem ich hätte sein wollen. Es war auch egal, denn niemand wartete auf mich. Weder in einem Laden, noch auf der Straße und auch nicht Zuhause.

Das Haus in dem ich mit meiner Mutter lebte, vermittelte mehr das Gefühl einer Herberge als dem eines sicheren Zuhauses. Es wirkte kalt und trist.

Ich blickte um mich herum. Ich war allein. Ganz allein. Keine Menschenseele war in meiner Nähe.

Ich wollte auch niemanden in meiner Nähe haben.

Was machte es auch für einen Sinn jemanden, in meiner momentanen Verfassung, bei sich zu haben? Nichts. Es gab für mich keinen Grund andere damit zu belasten. Ich brauchte und wollte niemanden, der mich mit einem mitleidigen Blick verfolgte.

Ich fühlte wie, mit jeder Minute die verstrich, mein Innerstes verkrampfte. Es tat weh und ich glaubte beinahe, dass dieser Schmerz nie vergehen würde.

Während ich die Schmerzen ertrug, wanderte ich ziellos umher. In der Zwischenzeit erinnerte ich mich an meine Mutter, die an solchen Tagen versuchte ihren Schmerz mit Arbeit und Alkohol zu betäuben.

Es war dumm und unbedacht von ihr gewesen, doch nun verstand ich, dass sie keinen anderen Weg fand, um mit dem Schmerz umgehen zu können.

Während ich lief, sah ich ihre rot geräderten Augen vor mir und versuchte mich wieder an die warmen grünen Augen zu erinnern, die meinem glichen.

Es war schwierig. Denn immer wenn ich es versuchte, sah ich sie in ihrem Schlafzimmer weinend sitzen.

Sobald sie merkte, dass ich Zuhause war, wischte sie ihre Tränen weg und versuchte für mich da zu sein. Ihre Bemühungen, die Trauer als einsame Witwe zurückzustellen, um ihrer Pflicht als Mutter nachgehen zu können, fielen mir auf.

Doches gelang ihr nie ihre Gefühle vor mir zu verbergen. Wahrscheinlich bemerkte sie nicht einmal, dass sie mich mit ihren leeren Augen müde ansah.

Oft stellte ich mir die Frage, ob sie müde vom Leben oder von mir selbst, ihrer einzigen Tochter, war. Heute weiß ich, dass müde nicht einmal ein Ausdruck war, der zu ihrer damaligen Situation zu traf.

Es war als ob sie am schlimmsten Tag unseres gemeinsamen Lebens verharrte.

Sobald sie einen neuen Schritt wagte, kamen all unsere schönen Erinnerungen wieder hoch und sie brach zusammen. Ihr war es schlicht weg unmöglich die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Ich konnte sie in jener Zeit kaum wieder erkennen. Aber ich verstand sie.




Auch ich wünschte mir die Zeit zurück , in dem wir noch mit meinem Vater glückliche Tage verbrachten. Dennoch brach es mir das Herz sie so zusehen. Meine Mutter, die sonst stark, freundlich und wundervoll war, war kaum wieder zu erkennen.

Vor lauter Trauer für einen liebevollen Polizisten, der sich für andere Menschen einsetzte, um diese auf den richtigen Pfad zu führen, gab sie sich selbst auf.

Somit verlor ich innerhalb eines Jahres nicht nur meinen liebevollen Vater, sondern auch meine sanftmütige Mutter. Für sie lernte ich stark zusein.

Meine Trauer zu verdrängen, um sie zu schützen, war das einzig Logische für mich. Denn jedes Mal wenn ich sie weinen sah, glaubte ich zu fühlen wie etwas Stück für Stück in mir zerbrach.

Dann ging sie für einige Monate ins Ausland.

Mit der Hoffnung, dass es ihr dann besser gehen würde, ließ ich sie gehen.

Alles, was ich für dich gabWo Geschichten leben. Entdecke jetzt