Eine kleine Blume wiegte sich im Wind. Auf einer großen, weiten Wiese voller Gräser, voller Leben. Doch mit nur einer einzigen Blume. Der Regen verschonte sie mit großen Tropfen, die Sonne schien nicht zu heiß und kein Tier wagte es ihr zu schaden. Und doch wünschte sie sich genau das. Leben. Freundschaften schließen. Denn sie war so allein. Eines schönen Tages kam ein Mädchen vorbei. Sie schlenderte über die Wiese. Als sie die Blume sah, ein wunderschönes kleines Pflänzchen, freute sie sich. Doch sie wagte es nicht sie zu pflücken. Zu wichtig schien sie für diese Wiese, zu wertvoll als dass man sie einfach mitnehmen könnte. Und so kam sie jeden Tag zur Wiese, beschaute die Blume, bewunderte sie, doch traute sie sich nie sie zu pflücken, stets in Angst sie würde verwelken. Eines Tages, als sie die Blume bewunderte, hörte sie eine Stimme. Eine alte, traurige Stimme, und doch so voller Wärme, sprach zu ihr. Ein leises Flüstern, kaum mehr, doch sie hörte es laut und deutlich. Es waren immer dieselben Worte, eine einzige Aufforderung, doch beständig wiederholt. „Bleib bei mir." Sie wich zurück, verschreckt und verwirrt. Woher kam diese Stimme? Sie verstummte nicht, sprach immer zu, bis es einem hypnotischen Singsang glich, der sie in den Bann zog, tiefer immer tiefer. Wie in Trance kam sie näher bis nur noch wenige Schritte zwischen ihr und der seltsamen Blume lagen. Dann war es, als bebe die Erde. Der Boden erzitterte, Risse taten sich auf als würde die Erde selbst sie für ihre Annäherung verschlingen wollen. Und gerade als sie dachte es ginge zu Ende, erhob sich eine Gestalt aus der Erde. Riesig und voller Staub, doch eine Kleinigkeit zog sofort ihren Blick auf die Gestalt. Die Blume, die auf dem Kopf thronte wie ein ulkiger Hut. Und die Gestalt sprach. Mit derselben Stimme, denselben Worten, und als sie sprach, erbebte der Boden. Das Mädchen hockte vor ihr, wie erstarrt vor Angst, wagte es kaum zu atmen, als sich die Gestalt zu ihrer hinunter beugte und fragte. „Bleibst du bei mir?" fragte der Riese. Das Mädchen nickte, wie in Trance und der Riese verstummte. Sollte seine Zeit des Wartens vorüber sein? Jene Zeit, die Ewigkeiten zu dauern schien, die nie enden wollte. Sollte er endlich seine Erlösung finden? Er hielt ihr seine Hand hin. Er hielt sie ihr hin und sie starrte nur. Starrte nur auf die riesige Pranke der riesigen Gestalt. So verharrten sie, Momente, Minuten, Stunden. Die Zeit verstrich und die Sonne ging unter. Noch immer verharrten sie. Der Riese seufzte und setzte sich, schaute sie an. Und sie schaute ihn an. Und so verharrten sie. Momente, Minuten, Stunden, bis die Sonne wieder aufging. Dann, ganz langsam, so als hätte sie Angst ihr Kopf könnte ihr runterfallen, nickte sie erneut. Diesmal jedoch, blickte sie ihm dabei fest in die Augen. Und der Riese lächelte. Es war ein seltsames Lächeln, schief und krumm, glich mehr einer Grimasse, doch es war ein ehrliches, warmes Lächeln. Das Mädchen erwiderte das Lächeln, erst zaghaft und verschreckt, doch dann offener. Es war als würde all die Anspannung abfallen wie Ketten, deren Schloss endlich gesprengt worden war. Und dann lachten sie, als hätte jemand den Witz des Jahrhunderts gerissen. Sie lachten und lachten ohne genau zu wissen wieso. So erhoben sie sich beide, lachend und grinsend. Sie standen beide auf der Wiese, die nun leer war, ohne die Blume, die noch immer auf seinem Kopf saß. Sie wippte bei jedem Schritt und als das Mädchen das sah, lachte sie noch mehr. Ein helles, warmes Lachen, das so nie zuvor ihre Lippen verlassen hatte. Und es wurde ein wunderschöner Tag. Als der Abend nahte, saßen sie gemeinsam auf der nun leeren Wiese und blickten zum Horizont, wo der Mond die Sonne ablöste und den Himmel in ein sanftes Rot tauchte. Sie saßen da und lächelten beide, jeder sein eigenes Lächeln. Und das Lächeln blieb.
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Kurzgeschichten
Short StoryEine kleine Sammlung von Kurzgeschichten die im Laufe der Zeit entstanden sind