PROLOG

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Ich saß am Küchentisch. Vor mir lagen die Papiere, mit denen ich Jan und mir einen großen Gefallen tun wollte.
Ich hatte beschlossen unsere Beziehung zu beenden. Wir waren gescheitert. Schon vor diesem schrecklichen Unfall, der mein Leben so aus den Fugen gerissen hatte, war unsere Beziehung, unsere Ehe nur noch eine Farce gewesen. Wäre ich nicht unverhofft schwanger geworden, hätten wir dieses Gespräch wahrscheinlich schon vor anderthalb Jahren geführt.

Manchmal glaubte ich, dass uns dieser Schicksalsschlag widerfahren war, weil uns das Universum mitteilen wollte, dass wir nicht füreinander bestimmt waren. Dass da draußen noch die richtigen Partner auf uns warteten.
Ich musste einfach daran glauben. Denn der Gedanke, dass er Tod meines kleinen Sternchens sinnlos war, ließ mich verzweifeln.
Wie von selbst legte sich meine Hand auf meinen Bauch und ich hatte Mühe die Tränen wegzublinzeln.

Als ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, wischte ich mir noch mal über die Augen.
"Rena?" kam es fragend aus dem Flur. Doch im nächsten Moment stand mein Mann bereits in der Küche und sah mich verwundert an. "Was sind das für Koffer im Flur?"
Noch einmal atmete ich tief durch. Auch wenn das Folgende eine logische Konsequenz darstellte, hieß es nicht, dass es leicht war.

"Jan, setz dich bitte." Er sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an, tat aber worum ich ihn bat. Mit leicht zitternden Fingern schob ich ihm den großen braunen Umschlag, der vor mir auf dem Tisch lag, zu.
"Was ist das?" wollte Jan wissen.
"Ich weiß, dass du nur noch bei mir bist, weil du Schuldgefühle hast." setzte ich an und sah in das entsetzte Gesicht meines Mannes. "Wie kommst du auf so einen Blödsinn?" war seine erste Reaktion.
"Seien wir ehrlich. Unserer Ehe ist schon lange keine wirkliche Beziehung mehr. Und wäre ich nicht unerwartet schwanger geworden, hätten wir dieses Gespräch sicher schon wesentlich eher geführt." lächelte ich bedrückt. Jan blieb stumm und sah mich nur an. "Versteh mich nicht falsch. Ich bin dir dankbar für die letzten Monate. Dafür, dass du bei mir warst. Aber ich weiß, dass es eine andere Frau in deinem Leben gibt." Jan wollte etwas sagen, doch ich hob die Hand, um ihm zu verstehen zu geben, dass er mich ausreden lassen sollte. "Ich freue mich für dich, Jan. Wirklich." Jetzt sah er mich verblüfft an. Wir waren seit zehn Jahren ein Paar und seit sieben Jahren verheiratet.
"Ich weiß, wir haben uns bei unserer Hochzeit etwas versprochen. Doch was bringt uns diese Ehe, wenn keiner von uns glücklich ist? Lass uns im Guten auseinander gehen. Lass uns so etwas, wie eine Freundschaft bewahren." Ich atmete tief durch und Jan tat es mir gleich. Dann sah er wieder auf den Umschlag.
"Das sind die Scheidungspapiere." Kurz trat wieder Entsetzen in sein Gesicht, wich jedoch relativ schnell Resignation.
Jan ließ den Kopf hängen und fuhr sich durch die Haare.
"Wo willst du jetzt hin?" war seine nächste Frage und bezog sich wohl auf das Gepäck im Flur. "Ich fliege nach London. Die Jungs haben mir angeboten, dass ich eine Zeit lang bei Ihnen bleiben kann, wenn ich Abstand brauche. Mein Flieger geht in etwa drei Stunden." Jan nickte nur still. Früher hätte er bei der Erwähnung meiner beiden besten Freunde anders reagiert. Er hatte immer ein gespaltenes Verhältnis zu ihnen. Einerseits mochte er sie, aber andererseits gefiel ihm nie wie eng unsere Freundschaft war. Als sie dann vor einigen Jahren nach England gegangen waren, war Jan regelrecht erleichtert gewesen.

Ich hatte meine beiden besten Freunde Manuel und Benjamin während meiner Studienzeit kennengelernt. Ich jobbte damals in einem Hotel als Bedienung im Restaurant. Manu war ein aufsteigender Stern in der Küche gewesen und Benji arbeitete als Concierge. Wir hatten uns auf Anhieb verstanden und daraus war die beste Freundschaft gewachsen, die ich jemals erlebt hatte.
Als der Unfall geschehen war, hatten sie alles stehen und liegen lassen und waren gekommen, um gemeinsam mit Jan tagelang an meinem Bett zu sitzen.

"Bist du dir sicher?" wollte Jan dann zögerlich wissen. Ich griff über den Tisch nach seiner Hand. "Wenn wir diesen Schritt jetzt nicht gehen, dann werden wir uns irgendwann vielleicht hassen. Und das möchte ich nicht. Ich will, dass wir beide glücklich werden. Und das geht nicht mehr zusammen.. Wir müssen weiterleben und uns nicht verzweifelt an einer Beziehung festhalten, die schon lange keine Zukunft mehr hat." Wieder atmete Jan tief durch. "Ich habe die Papiere vordatiert. Wir leben ja nun schon seit Monaten eher in einer WG, als einer Ehe. So müssen wir nur noch acht Monate vom Trennungsjahr warten, ehe wir rechtsmäßig geschieden werden können." erklärte ich weiter. Jan stieß einen freudlosen Lacher aus. "Du hast dich ja schon sehr gut informiert." kam es etwas zynisch von ihm.
"Jan, ich weiß, dass es im ersten Moment wehtut. Ich wollte mir auch lange nicht eingestehen, dass wir gescheitert sind. Der Gedanke daran, es meinen Eltern und meiner ach so perfekten Schwester sagen zu müssen..." Ich ließ den Satz in der Luft hängen. Doch Jan wusste genau was ich meinte. Er war mit meiner drei Jahre älteren Schwester Rabea zur Schule gegangen. Sie war immer in Allem die Beste und natürlich die Schönste gewesen. Sie konnte damals auch nicht verstehen, warum Jan sich in mich verliebt hatte und nicht in sie.

Ich liebte meine Familie, aber diese ständige Konkurrenz, das Buhlen um die Aufmerksamkeit und die Anerkennung unserer Eltern, hatte mich über die Jahre von ihnen entfernt. Sowohl räumlich, als auch emotional.
Meine Eltern und Schwester lebten am Rand von Leipzig, während Jan und ich in Berlin lebten. Wir waren beide nach der Schule in die Hauptstadt gezogen und uns dann zufällig wieder über den Weg gelaufen.
Jan hatte nun eine Hand auf meiner gelegt und ich wusste, er verstand was ich meinte.

"Wie kommst du zum Flughafen." fragte er nach ein paar Minuten in die Stille. Ich lächelte, weil das Jan's Art war etwas Unangenehmen zuzustimmen.
"Ich rufe mich gleich ein Taxi." antwortete ich, wusste aber insgeheim, dass ich das sicher nicht tun bräuchte. "Vergiss es. Ich fahre dich. Das ist das Mindeste, das ich tun kann." gab Jan zurück.

Eine halbe Stunde später saßen wir im Auto auf dem Weg zum Flughafen. Ich hatte Jan zu Hause noch erklärt, dass ich meine ganzen Sachen bereits in Kartons gepackt und in unser sowieso leeres Keller Teil geräumt hatte. Er war erst überrascht gewesen, aber es machte ihm klar, dass ich es wirklich ernst meinte.
Am Flughafen half mein Noch-Ehemann mir mit dem Gepäck, ehe wir uns voneinander verabschiedeten.
"Pass auf dich auf Rena. Und meld dich, wenn du angekommen bist." ich nickte nur, denn nun hatte ich doch einen Kloß im Hals. Jan nahm mich nochmal fest in den Arm. "Danke, dass du mutig für uns beide bist. Ich hab dich lieb." sagte er nah an meinem Ohr und ließ dann von mir ab.
"Ich hab dich auch lieb." erwiderte ich nur und wandte mich zum gehen. Genau in dem Moment würde mein Flug aufgerufen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 21, 2021 ⏰

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