„Aber natürlich, jetzt ergibt es einen Sinn!" Das ist alles was sie mir antwortet, die liebe Earth. Mehr nicht! „Hallo? Was ergibt einen Sinn? Ich würde gerne wissen was Mikes Vater hier sucht und warum er vorgibt, ihm würde der Garten hier gehören." Auf einmal wird es dunkel über uns und Mikes Vater steht direkt vor dem Blumenkasten, die Arme vor der Brust verschränkt. Sein breites Kreuz und die kurzen Stoppeln, welche neuerdings anstatt seiner Haarpracht den Schädel verzieren, lassen ihn angsteinflößend wirken. „Weil ich es nicht nur vorgebe, sondern der tatsächliche Besitzer dieses kleinen Plätzchens Natur bin. Mich würde also eher interessieren was du hier suchst, Ryan. Ich will euch nicht stören bei was auch immer, aber etwas überrascht bin ich schon."
Peinlich berührt stehen wir vor ihm und mein errötetes Gesicht ist nun nicht mehr ausschließlich der Aufregung geschuldet. „Hallo Arthur, es ist nicht das, wonach es aussieht.", fange ich an und mir wird klar, dass das die Schuldigen immer behaupten. Gerade möchte ich meine Erklärung fortsetzen, als ich erneut die weiche Hand von Earth in meiner spüre. Ihre Finger sind zwar kalt, aber es fühlt sich unglaublich schön an.
„Wissen Sie, Herr Evans, Ryan und ich haben uns erst frisch kennengelernt und er wollte mir die schönsten Stadtteile zeigen. Da gehört die Gartenanlage natürlich dazu und irgendwie haben wir uns dann hierher verirrt. Das Tor stand offen und ich war fasziniert von den zahlreichen Blumen und auch das Gewächshaus hat es mir einfach angetan." Völlig perplex blicke ich in ihr Gesicht und nicke anschließend zustimmend Arthur zu. Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Sie hat uns soeben als Pärchen ausgegeben und viel wichtiger: Arthur scheint es zu gefallen, wie sie ihm Honig ums Maul schmiert.
„Das freut mich natürlich. Es ist jede Menge Arbeit, aber es lohnt sich. Ich komme gerne hierher und genieße die Ruhe oder kümmere mich eben um die Pflanzen und das Gemüse." Während er dies sagt, lässt er seinen Blick träumerisch durch den Garten schweifen. „Ihr könnt euch gerne etwas von dem Gemüse mitnehmen." So entscheiden wir uns für Tomaten, Gurken und eine rotglänzende Paprika, verabschieden uns artig von Arthur und verlassen rasch die Anlage.
Als wir bei mir ankommen, sitzen Amy und Carter auf der Terrasse und winken uns kurz nach drinnen. Aus den Augenwinkeln kann ich erkennen, dass sie Kuchen mit Sahne vor sich stehen haben, und so schaue ich kurz in der Küche, ob dort noch ein Stückchen auf mich wartet. Ich habe Glück, es sind sogar noch zwei Stücke übrig. Zwetschgendatschi, perfekt! Meine Eltern haben tatsächlich an Earth gedacht, dabei war nicht die Rede davon gewesen, dass sie zum Kaffee bleibt. Wobei ihre Klamotten und ihre Tasche in meinem Zimmer etwas anderes sagen. Mit den zwei Kuchen bewaffnet betrete ich mein Zimmer und Earth sitzt bereits verkehrt herum auf meinem Schreibtischstuhl. Den Oberkörper an die Sitzlehne gepresst wirbelt sie mit ihrem Zauberstab über die Projektionsfläche ihrer digitalen Pinnwand. Dabei hat sie eine nachdenkliche ernste Miene aufgesetzt.
„Ich habe dir auch ein Stück mitgebracht, falls du Hunger hast." Vorsichtig stelle ich einen der Teller auf dem Schreibtisch ab und lasse mich mit meinem auf das Bett fallen. Es kommt keine Reaktion von Earth, so wünsche ich ihr einen Guten und lasse einen großen Bissen Kuchen mit Sahne in meinem Mund verschwinden. Während ich genüsslich den Datschi vom Teller entferne, beobachte ich Earth, wie sie sich hochkonzentriert Notizen macht. Sie sitzt mit dem Rücken zu mir, sodass ich den Großteil davon nicht erkennen kann. Was ich jedoch erkennen kann ist umso erschreckender. Es war mir zuvor nicht aufgefallen oder es konnte mir gar nicht auffallen, da ihre Jeansjacke, die nun auf ihrer Tasche am Boden liegt, die Arme und ihren Rücken bedeckte. Die gesamten Arme und auch die Teile des Rückens, die nicht von ihrem Top verdeckt werden, sind übersäht mit Narben. Ganz kleine, schier nicht zu erkennen, bis hin zu länglichen und daumenbreiten Narben. Ich bin geschockt, so etwas habe ich vorher noch nie gesehen.
DU LIEST GERADE
My Name is Earth - Die Prophezeiung
FantasyEine einfach klingende Mission. Jedoch eine Aufgabe, die schier unmöglich ist. Ich hätte niemals gedacht, dass es so verlaufen würde. Doch meist kommt es im Leben völlig anders, als man es geplant hatte. Ich kann es nicht aufhalten. Nicht alleine un...