Wattpad Star: scharlachroetlich
Zwischen zwei Dörfern auf einer geisterhaften Landstraße gelegen stand ein Haus am Straßenrand, das weder hübsch noch hässlich war. Jedoch war es in jedem Falle auffällig. Wer mit dem Fahrrad die einsame Straße in der Nacht entlang fuhr, wechselte die Straßenseite, um dem Haus, das am Straßenrand stand, nicht zu nahe zu kommen. In einem der Dörfer hatten sich die Mutigsten oder vielleicht auch Dümmsten aus beiden Ortschaften zusammengefunden, um sich in der Nacht des 31. Oktobers gegenseitig herauszufordern. Seit mehreren Jahren bereits war es zur Tradition verkommen, dass jeweils zwei Pärchen, eines aus jedem Dorf, sich in die Nähe des Hauses am Straßenrand begaben und dort die Nacht verbrachten. Wer alle Aufgaben in der Nähe des Hauses bis zum darauffolgenden Morgen meistern konnte, gewann die Wette und würde für ein Jahr lang das glückbringende Schwein aus Stroh in seinem Dorf ausstellen dürfen. Für Außenstehende mag dieser Gewinn einfallslos wirken, doch für die Ortsansässigen war es ein Zeichen der Ehre, dieses Glücksschwein in ihrem Dorf wissen zu dürfen. So wurde doch dem Schwein nachgesagt, dass es dem Ort, an dem es sich befand, eine reiche Erde und viel Gutes bescheren würde. Ob das tatsächlich der Fall war, lässt sich in den Zahlen nicht ablesen, aber vielleicht im guten Glauben der Dörfler.
In diesem Jahr hatten sich Max und Ina aus dem nördlich gelegenen Dorf freiwillig zu dieser Herausforderung gemeldet, während in dem aus dem Süden per Los zwei unfreiwillige Teilnehmer mit den Namen Jana und Jörg bestimmt worden waren. Die vier trafen sich auf dem Hof von Max, der so groß war, dass die gesamte Jugend beider Dörfer dort Platz hatte, um die Teilnehmer anzufeuern und gemeinsam Halloween zu feiern. Alkohol spielte an diesem Abend auch eine große Rolle, vor allem um den Teilnehmer Mut zu machen.
„Die ganze Nacht werde ich dort verbringen", verkündete Max nach drei Bier mit einem neuen, vierten in der Hand. „Die alte Hexe in dem Haus wird mir keine Angst einjagen." Seine Großspurigkeit beantworteten die meisten mit einem begeisterten Grölen, nur Ina wünschte sich, dass ihr Freund sich ein wenig in Bescheidenheit üben würde. Das Kostüm eines Ritters passte in diesem Moment weniger zu ihm als zu Beginn. Ina selbst hatte sich in das Gewand einer Prinzessin aus Polyester gesteckt und fühlte sich darin überhaupt nicht wohl, doch Max hatte darauf bestanden, dass sie an diesem denkwürdigen Halloween aufeinander abgestimmte Kostüme trugen. „Du solltest dein Glas nicht so schnell leeren", murmelte Ina mit einer Zigarette in der Hand. Sie rauchte nur, wenn sie nervös war. Gegen diese Angewohnheit konnte sie nur wenig tun. Wirklich prinzessinenhaft war das auch nicht und ihr gefiel die Aussicht immer weniger, mit ihrem betrunkenen Freund in einem dunklen Wald zu zelten. „Sonst schaffst du es nicht einmal mehr bis zu dem Platz, wo wir das Zelt aufstellen wollen."
„Ach, Ina, du machst dir zu viele Gedanken. Auch dieses Jahr werden wir das Stohschweinchen wieder für unser Dorf gewinnen." Zustimmend nickte seine Bruderschaft, die ihm auf diese Worte hin zuprostete. „Max weisch, wasch er dut." „Maxsch isch groschatig." Das waren die Sätze von Max' Freunden, die beinahe wie Kauderwelsch in den Ohren von Jörg und Jana erklangen.
Beide saßen ein wenig abseits der Gruppe. „Hörst du das?", horchte Jana auf. „Klingt so, als wäre der Vorfall aus dem letzten Jahr bereits vergessen. Ich kann das einfach nicht fassen. Wie konnten unsere Namen nur in der Tombola landen?" Frustriert nippte sie an ihrer Limo, denn Alkohol war ihr nicht geheuer. Ein kritischer Seitenblick auf ihren betrunkenen Konkurrenten bestätigte ihr das.
Jörg sah nur kurz zu dem missglückten Ritter und seiner traurig wirkenden Prinzessin hinüber. Dann senkte sich sein Blick auf die als Hexe verkleidete Jana und er seufzte. „Es nützt doch alles nichts. Selbst der Vorfall aus dem letzten Jahr wird es nicht verhindern, dass Traditionen weiterhin bestehen und auf sie bestanden wird. Außerdem lassen die vielen, unterschiedlichen Gerüchte den Schluss zu, dass alles am Ende vielleicht nicht so schlimm..."
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Geistertanz - Eine Anthologie zu Halloween
Short StoryDer Oktober steht bei uns für Grusel und das Übernatürliche. Sei es das Haus am Rand der Stadt, um das sich Legenden ranken, oder die Existenz einer Welt neben unserer eigenen, sei es eine Kostümparty oder traditionelles Süßigkeitensammeln beim Nach...