Wien

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Wincent

Ich stand auf und ging nach unten. Dort nahm ich mir ein Wasser und setzte mich einen Moment in die Lounge, aber irgendwie war es hier genau so leise und leer. Von vorne kamen leise Klänge von Asking Alexandria und da musste ich doch mal nachschauen gehen. „Hey", sagte ich leise und sah unsere Fahrerin an. „Oh, ist was nicht okay, soll ich halten?", fragte sie sofort und stellte die Musik aus. „Nein, ich konnte nur nicht pennen und du bist vermutlich die Einzige, die noch wach ist", schmunzelte ich. „Wohl wahr. Wenn du dich setzten möchtest bitte anschnallen", sagte sie und deutete auf den Sitz der neben der Tür war. Ich nickte, setzte mich und schnallte mich an. „Ich hoffe meine Musik war nicht zu laut", sagte sie dann leise. „Quatsch, die war zu leise", schmunzelte ich und da drehte sie wieder ein bisschen auf. „Naja, zu laut darf ich das ja nicht machen", erklärte sie und sah kurz zu mir rüber. „Darf ich ganz ehrlich sein?", fragte ich dann. Sie nickte. „Ich hab deinen Namen vergessen", meinte ich unsicher und kratzte mich am Hinterkopf. „Das ist nicht schlimm. Resi, also Theresa, wie du magst. Deinen hätt ich wohl auch vergessen, wenn er hier nicht überall drauf stehen würde", lachte sie und deutete auf ihren Stapel Unterlagen. „Ja okay. Sorry nochmal für unseren schlechten Start", schob ich direkt mal hinterher. „Kein Ding, du warst nicht der Erste", lächelte sie. „Aber es ist echt Assi. So richtig Macho", murmelte ich. „Mach dir keinen Kopf Wincent, den Start vergessen wir wenigstens nicht wieder", sagte Theresa und damit hatte sie wohl Recht. Ich nickte nur noch und starrte auf die leere Straße vor uns. Theresa machte die Musik einfach noch ein bisschen lauter und ich hing meinen Gedanken nach. Das tat ich scheinbar ziemlich lange, denn irgendwann fuhren wir schon von der Autobahn ab. Wir waren einfach schon in Wien. „Wie lange sitze ich hier schon?", fragte ich irritiert. „Zweieinhalb Stunden vielleicht", erwiderte Theresa und sah kurz zu mir. „Gehts dir gut?", wollte sie wissen. „Klar, alles ein bisschen viel momentan", lächelte ich schwach.

„Du solltest langsam aber sicher schlafen. In 20 Minuten parkte ich und geh auch pennen", erklärte sie. „Wenn ich pennen kann...", murmelte ich und stand auf. „Danke für die Gesellschaft", lächelte Theresa leicht. Ich nickte nur noch und ging wieder in mein Bett. Durch das stundenlange auf die Straße starren, war ich echt müde geworden und konnte tatsächlich schlafen.

Trotz allem war meine Nacht nicht unbedingt lang. Auch wenn die Konzerttage nicht unbedingt früh starteten, so hatte ich doch Einiges zu tun und gerade in Österreich standen immer Interviews auf dem Plan. Aber erstmal wollte ich in Ruhe meinen Kaffee genießen. „Wincent, können wir dann so in ner halben Stunde?", fragte Amelie mich irgendwann. „Ja, ich geh fix Duschen", meinte ich und stand auf. Im Gang kam mir Theresa entgegen. „Und? Gut geschlafen?", lächelte sie leicht. „Es ging. War schon mal besser aber auch schon deutlich schlechter. Und du?", erwiderte ich. „Joar, mein Bett daheim ist bequemer, aber es war okay", sagte sie. Ich sah sie kurz an. „Ich muss dann. Bis später", lächelte ich leicht. Ich startete dann etwas positiver in meinen Tag und bewältigte sowohl die Interviews, als auch die Konzertvorbereitung recht gut. Das Konzert selbst war einfach wundervoll und ich fand's schon krass, wie groß die Venues mittlerweile waren, die wir spielen durften. Wo sollte das nur alles hinführen? Ich meine so eine Arena wäre ja mal mein Traum, aber das würde ich wohl nicht schaffen, dafür müsste ich noch zig Alben rausbringen. Nach dem Konzert aß ich entspannt mit meiner Band und dann ging es zum Bus. „Ich würd so in ner halben Stunde losfahren. Es wäre gut, wenn ihr Bescheid sagt, ob alle da sind", sagte Theresa und alle nickten. Es war für uns alle noch super ungewohnt, dass wir jemanden hatten, der uns fuhr und somit natürlich auch ein bisschen die Vorgaben machte. „Oder wollt ihr noch länger bleiben?", frage sie dann. „Nein, nein, das passt alles super gut so", sagte Amelie und stieg nochmal mit ihrem Kulturbeutel aus.

Gegen 24 Uhr fuhren wir dann los. Die Ersten hingen schon müde in ihren Sitzen, die Nächsten hatten ein Bier in der Hand und unterhielten sich fröhlich und dann gab es mich. Ich war einfach anwesend und überlegte, wie ich gegen die Einsamkeit ankommen sollte. Selbst wenn ich jetzt auf Tour immer Menschen um mich herum haben würde, so würde ich spätestens zu Hause vor den Trümmern meines Lebens stehen. Yvonne war weg, meine Familie knabberte an meinem wachsenden Erfolg, meine Wohnung war gekündigt und ich stand vollkommen alleine da. Gut, vielleicht stand noch der ein oder andere Freund zu mir, aber einen Teil hatte ich definitiv vergrault. Seufzend nippte ich an meinem Bier und lehnte mich zurück. Nicht mal das Bier schmeckte vernünftig und das lag vermutlich nicht nur daran, dass das irgendeine Plörre aus dem Osten war. „Wer kauft den Kram eigentlich?", fragte Manni. „Bestimmt die Fahrerin", schmiss Benni sofort ein. „Der müssen wir erstmal beibringen, was vernünftiges Bier ist", kam es nun von Manu. Ja Theresa musste noch Einiges zum Thema Männer und den Umgang damit lernen. Ich verabschiedete mich dann auch bald ins Bett. Ich hatte keinen Bock mehr auf Scherze und Gelächter, auch wenn diese das Gegenteil von Stille waren. Ich lag also in meinem Bett und wälzte mich hin und her. Immer wieder nahm ich mein Handy und der Finger schwebte nur so über Yvonnes Nummer. 

Hör mir zu wenn ich schweige // Wincent Weiss FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt