,,Es ist bunt glaube ich''.
Es war ein regnerischer Oktobertag als ich mit Dames im Kunstmuseum eine Ausstellung von Andy Warhol besuchte. Wir waren beide durchnässt vom Schauer, doch das Marilyn-Monroe Pop Art Portrait zog uns auf eine merkwürdige Weise in seinen Bann.
,,Ach wirklich Pott-head?'', ich grinste Dames an, die immer noch aufs Bild starrte.
,,Ach fick dich'', antwortete sie abwesend, ihren Blick immer noch fixiert auf das knallige Bild. Ich schaute grinsend auf den Limonengelben Linoleumboden des Soho Museum of Modern Art, für welches wir beide Jahreskarten besaßen.
,,Können wir vielleicht weitergehen ''Dalila'' ?'', fragte ich mit einem Hauch bissigen Sarkasmus in meiner vom kaltem Wetter geschändeter Stimme. Meine beste Freundin hasst es wenn man sie mit ihrem vollem Namen anspricht, sie will seit sie in der 7. war, nur noch mit Dames angesprochen werden, selbst ihre Eltern beugten sich ihr und nannten sie nicht mehr so.
Die einzige Person die ohne Strafe davonkam wenn sie sie bei ihrem vollen Namen ruft, bin ich.
Und das auch nur weil wir uns seit 10 Jahren kennen.
,,Heute bist du ja ganz kreativ, oder?'', Dames sah mich finster an, finsterer als sonst wenn ich sie etwas ärgerte, als ob sie etwas anderes beschäftigte.
,,Was ist los Dames?''. Ich schaute sie besorgt an. Ihre Haselnussfarbenen Haare waren durchnässt und unter der Kapuze ihres Beatles-Pullovers versteckt. Sie war schon immer die Art von Person die Leute in ihren Bann ziehen konnte. Jungs, mit ihrem verträumtem Blick und den tiefblauen Augen, Lehrer, mit ihrer schnellen Auffassungsgabe. Sie war trotzdem eine Art Außenseiter, mit ihren Ansichten, mit ihren Interessen und ihren Zielen
Ich war ihr in den meisten Sachen recht ähnlich, nur dass ich 5 Zentimeter größer war. Die meisten Jungs beachteten mich nicht, ich war immer eher das Anhängseln von Dames, was mir nicht viel ausmachte, da mich die Jungs in meiner Klasse auf romantischer Basis keineswgs interessierten.
,,Alex hat mich abserviert'', sagte Dames mit zitternder Lippe und wässerigen Blick.
Alex Gallagher ging in unsere Parallelklasse und war der einzige halbwegs annehmbare Junge des Jahrgangs. Er sah aus wie die junge Version des Leadsängers von Blur, Dames und er flirteten in den Pausen immer so heftig dass es einem hochkam, weswegen ich vermutete die beiden wären so gut wie zusammen.
,,Wenn er jemanden wie dich abserviert,'' ,sagte ich nach einer kurzen peinlichen Stille:
,,Dann steht er entweder nicht auf Mädchen oder hat keine Ahnung was er verpasst''.
Sie regte sich immer noch nicht, sie starrte auf das Portrait bis ich ihr aufmunternd in die Seite stach:
,,Wie wäre es wenn wir Violet darum bitten, uns Kakao zu machen und wir uns bei mir aufs Bett legen und Musik hören?''. Ich gab zu, ich hatte keine Ahnung wie ich die Situation auflockern konnte, ich wollte einfach nur Dames lächeln sehen.
,,Wenn ich entscheiden darf, dann klingt das zumindest besser als wie Geeks in der Kunstgalerie zu stehen und zu heulen'', stimmte Dames zu. Ihre Lippen formten ein schmales Lächeln. Wenigstens etwas.
Dames war meine beste Freundin seit ich zu Tante Violet nach Soho gezogen war, seit meine Mum verschwand. Sie galt seit 10, beinahe 11 Jahren als vermisst, niemand wusste wo sie war, was sie machte und warum sie mich nicht mitnahm. Ich war gerade einmal 6 Jahre alt als ich von meiner damals mir noch unbekannten Tante aus dem Unterricht genommen wurde, von einer Frau die mit verschmierter Wimperntusche und einem Violinenkoffer am Türrand stand und mich bat mit ihr zu kommen.
Ab da änderte sich alles für mich. Ich zog von einer der schlechteren Ecken Nottinghams mit ihr in eine dieser Künstler-Gegenden in Soho, Violet war 25 Jahre alt, Geigerin und erfolgreich. Sie hatte bis zu der Adoption ihrer Nichte kaum Pflichten gehabt, und jetzt kümmerte sie sich auf einmal um ein kleines, verängstigtes Mädchen kümmern, was einfach nur zu ihrer Mum wollte.
Ich lernte Dames an meinem erstem Tag in der neuen Grundschule kennen, sie war meine Sitznachbarin und konnte als einzige in unserer Klasse das Wort ''Katastrophe'' buchstabieren, was sie zur klugen machte: Das erste was sie mir mitteilte, war dass ich meinen Namen falsch geschrieben habe, Fennnella wird mit einem A hinten dran geschrieben, sagte sie damals in einem besserwisserischem Tonfall. Ich weiß nicht warum sich dieser erste Austausch so in mein Hirn brannte hatte, doch bis heute denke ich noch an ihn, wenn ich irgendwo mit meinem Vornamen unterschreiben muss.
Genau in dem Moment, als Dames auf dem Absatz kehrt machte, fühlte ich einen kalten Schauer über meinen Rücken gleiten. Als ob mich jemand am Nacken anfassen würde.
Es war nicht das erste mal dass ich dieses Gefühl hatte.
Und es würde auch nicht das letzte Mal sein.
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UNTITLED WITCH STORY
Teen Fiction,,Ich wünschte es wäre alles noch wie früher als ich ein kleines Kind war, als jedes Problem mit einer Tasse Kakao gelöst war und ich mich nicht traute unter mein Bett zu schauen. Vielleicht hat Dames ja recht, und ich bin einfach nur verrückt'' *Sp...