III

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»Magst du darüber reden?«

Seine Stimme war wirklich schön und hallte in meinem leeren Körper nach, wie im Resonanzraum einer Gitarre. Es brachte in mir etwas zum Klingen. Eine neue Tonart wollte in mir entstehen, auch wenn ich noch an der alten festhielt.

»Er hat mich verlassen. Ist einfach gegangen. Ohne Vorwarnung. Packte seine Sachen und zog aus. Zu einer anderen Frau. Ich hatte keine Ahnung.« Die Sätze sprudelten aus meinem tiefsten Inneren heraus, noch bevor ich auch nur darüber nachdachte, etwas so Persönliches preiszugeben.

Das Meer rauschte und immer noch gingen Spaziergänger an uns vorüber, als wäre alles völlig normal. Als wäre nicht vor ein paar Wochen die Welt untergegangen und als würde ich nicht hier mit einem Fremden auf einer Bank sitzen und ihm einfach davon erzählen.

Meine Welt war aber untergegangen.

Die Wolke, die eben noch das Segelboot begleitet hatte, war größer geworden und begann, sich vor die Sonne zu schieben.

»Ich wollte es nicht wahrhaben. Sagte mir, dass es nur ein Scherz wäre, nur eine Laune. Redete mir immer wieder gut zu, dass es nur vorübergehend wäre und er bald merkt, welchen Fehler er begangen hatte und zu mir zurückkehrte. Er würde schon bald bereuen, uns einfach aufgegeben zu haben.«

Die Wolke schob sich weiter vor die Sonne und das Licht veränderte sich. Es wurde dunkler, obwohl es immer noch hell war. Nur das Strahlen fehlte.

»Er kam nicht wieder. Nicht am nächsten Tag, nicht in der folgenden Woche.« Meine Stimme wurde leiser und das Licht um uns herum immer weniger.

»Es machte mich rasend. Wütend. Wie konnte er alles wegwerfen, was uns ausgemacht hatte? Ich tobte, ich schrie. Ich warf das hier an die Wand.«

Für einen kurzen Moment öffnete ich meine Hand, sah das gebrochene Steinherz an, und versuchte den Schmerz nachzuempfinden, der mich dazu getrieben hatte, es zerbrechen zu lassen.

Finn hörte mir aufmerksam zu, ohne meinen Monolog zu unterbrechen.

Was hatte ich in den letzten Wochen bereits an Monologen geführt. Mein Leben bestand zum größten Teil nur noch aus Unterhaltungen mit mir selbst. Jetzt einen Zuhörer zu haben, war ungewohnt. Als würde ich etwas öffnen, was ich bisher unter Verschluss gehalten hatte.

Finn beugte sich vor und zog eine Jacke und einen Hoodie aus seinem Rucksack. Mit fragendem Blick hielt er mir die Jacke entgegen und wartete auf mein zustimmendes, immer noch kraftloses Kopfnicken, bevor er sie mir über die Schultern legte. Den Hoodie zog er selbst an. Ich sah ihm stumm dabei zu.

Die Kälte, die ohne die direkte Sonneneinwirkung heraufgekrochen war, hatte ich gar nicht gespürt. Ich sah auf meine Arme, die mit Gänsehaut überzogen waren, und kuschelte mich tiefer in das wärmende Kleidungsstück hinein. Ich lächelte Finn für einen kurzen Moment zu. Zumindest hoffte ich, dass ich ein Lächeln zustande gebracht hatte.

Aufmerksam sah er mir in die Augen und schenkte mir eine Andeutung eines Lächelns zurück. Tiefes Verständnis prägte seine Gesichtszüge.

Die Stille erdrückte mich plötzlich und ich redete weiter. »Doch anstatt mich zu befreien, machte die Wut alles noch viel schlimmer. Sie brachte einfach nur noch mehr Bruch in mein Leben.«

Meine Hand schloss sich wie automatisch um die steinernen Bruchstücke, die ich festhielt, um sie niemals loslassen zu müssen.

Ich atmete tief ein und langsam wieder aus. Ich spürte, wie mein Atem aus mir heraus strömte.

Mein Blick war starr auf das Meer gerichtet, auf dem die beiden Segelboote sich weiter einander annäherten.

»Was geschah danach? Als die Wut aufhörte? Ging es dir besser?«

Kein Herz aus SteinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt