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Bloß eine Nacht?

Genüsslich zog ich an der Kippe. Der letzte Zug, dann schmiss ich sie auf den Boden und trat sie aus. Brad reichte mir eine Flasche Wodka, die ich dankbar ergriff. Ich nahm einen großen Schluck und musste mich beherrschen, es nicht wieder auszuspucken. Eigentlich vertrug ich nicht viel Alkohol und trank nie- doch heute Nacht, heute Nacht war es anders. Heute Nacht tat ich all das, was ich das ganze Jahr verpasst hatte. Holte alles nach. Es war mir egal, es war uns egal. Mir und meiner Clique.

Also schluckte ich den bitteren Wodka runter und schüttelte mich danach. Lydia lachte. „So schlimm, Ardymon?“ ,neckte sie mich.

„Komm schon. Als würde es dir anders gehen.“ ,gab ich zurück. Sie lachte wieder mit ihrer glockenklaren Stimme und legte einen Arm um mich. Ihren zierlichen Körper presste sie nah an meinen. Heute Abend lies ich sie gewähren. Normalerweise hätte ich sie abgewiesen, denn sie war in mich verliebt, das wusste ich. Schon so oft hatte ich ihr erklärt, dass ich nichts von ihr wollte, doch sie gab nicht auf. Langsam nervte es wirklich. Sie war zwar wirklich hübsch mit ihren blonden Locken und den blauen Augen, aber ich war schwul. Nur, dass das keiner wusste.

Lachend gingen wir alle zusammen zu 'Modestep' ,dem härtesten Club hier in der Stadt. Er hatte einen bösen Ruf und schon viele Geschichten, aber heute war es egal. Heute war alles egal. Also torkelten wir ,schon leicht angetrunken, durch die Straßen, bis wir an der Tür des Clubs ankamen.

„Wie viele?“ ,fragte ein bulliger Türsteher uns.

„Sechs.“ ,antwortete Babo. So nannten wir ihn alle, da seine Eltern ihn Barbarossa getauft hatten. Unsere Eltern hatten alle einen an der Klatsche, das war es, was unsere Clique ausmachte. Jeder von ihnen war steinreich, hatte keine Zeit für uns und erwartete doch, das wir Musterkinder, gute Schüler und Multitalente waren. Wir mussten brav sein, unseren guten Ruf halten, durften in der Schule nur in der Clique miteinander reden; wenn wir uns trafen, keinen Mist bauen und später Karriere machen. Das alles wurde von uns erwartet, war perfekt von unseren Elern geplant, aber sie taten nichts davon. Trotzdem war unsere Clique immer genau so, wie es von uns erwartet wurde. Nur einmal im Jahr, in genau dieser Nacht- da war uns alles egal. Wir taten das, was man mal getan haben musste, was man verpasst hatte, was eigentlich verboten war. Diese eine Nacht im Jahr nahmen wir uns.

Der Türsteher lies uns hinein. Direkt schlug mir der typische Geruch entgegen. Schweiß, Drogen, Alkohol...

Sofort seilten Josh und Babo sich in die Menge ab. Brad marschierte mit Penny zur Bar, sodass nur noch Lydia und ich übrig blieben. Diese lächelte mich verführerisch an, ehe sie mich auf die Tanzfläche zog. Dort legte sie ihre Hände um mich, presste sich erneut gegen mich und begann wild zur Musik zu tanzen. Ich fühlte mich direkt unwohl, tanzte aber mit. Mit der Zeit begannen wir zu schwitzen und ihre nackte, klebrige Haut rieb an meiner. Das wurde mir zu viel.

Ich entschuldigte mich kurz und drängte mich durch die Menge hinaus. Erleichtert schnappte ich nach frischer Luft und lehnte mich ein paar Meter vom Eingang entfernt an die Wand. Einige Minuten verharrte ich genauso, bis mich plötzlich eine Stimme meine Ruhe brach. Ich erschrak und fuhr hoch. Vor mir stand ein relativ großer Junge, mit eisblauen Augen, vielen Tattoos und blonden, hochgestylten Haaren. „Hey.“ ,hatte er gesagt. Wow, hatte er eine Stimme! Extrem tief und rau. Sowas von sexy. Ehm...cool meinte ich!

„Hey.“ ,meinte ich möglichst lässig. Ich wurde nicht so oft angesprochen. Schon gar nicht von gutaussehenden Typen. Von verdammt gutaussehenden Typen. Wenn, dann nur von Mädchen, aber auch bei denen selten, da ich als der behütete Schnösel galt. Trotzdem sagten mir alle Mädchen, ich sehe gut aus. Muss man das verstehen? Ich merkte, dass ich so in meine Gedanken versunken war, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte. Schnell blickte ich zu Boden. Aber einen guten Körper hatte er schon. Muskulös, nicht zu protzig, mit den Tattoos sah er noch cooler aus...nicht abschweifen, Ardy!

Bloß eine Nacht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt