Rosen sind rot

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Mir lief der Schweiß über die Stirn, als ich meinem Hund Bailey hinterherrannte. Er war zwar gut trainiert aber sobald er den Geruch von Rosen in der Nase hatte, war er in seiner eigenen Welt.
Bailey war nicht mehr der jüngste und bewegte sich nicht mehr so viel. Also saßen wir auf manchen Spaziergängen einfach nur für ein paar Stunden auf einer, mit Rosen übersäten, Wiese. Sein Kopf lag dann immer in meinem Schoss und ich las meist ein Buch.
So wie auch jenem Tag als ich ihn endlich an unserer Lieblingswiese eingeholt hatte. Ich bin jedesmal aufs neue überrascht wie schnell er noch rennen kann.
Als ich ankam hatte er sich bereits hingelegt und ich musste schmunzeln. Denn das platt gedrückte Gras hatte an der Stelle schon eine Hundeform angenommen.
Ich setzte mich neben ihn und begann ihm aus meinem Buch vorzulesen. Sein Kopf lag wie immer auf meinem Schoss und meine freie Hand legte ich auf seinen Bauch. Ich merkte wie sein Atem sich von der Anstrengung erholte und langsamer wurde.
Die Sonne hüllte die ganze Wiese in einen goldenen Schimmer während Bailey's Atem mich an meinem Bein kitzelte. Ich legte mein Buch zur Seite um den Moment voll und ganz zu genießen.
Ich musste jedes mal aufs neue kichern, als Bailey's Bauch sich schnell hob und senkte, weil er wieder den angenehmen Geruch der Rosen riechen wollte.
Meine Hand hebt und senkt sich gleichmäßig in einem angenehmen Rhythmus, als sie von mal zu mal langsamer wird. Erst dachte ich mir nichts dabei, doch als die Abstände zwischen seinen Atemzügen immer größer wurden bekam ich Angst. Vorsichtig hob ich mit beiden Händen seinen Kopf an, sodass ich ihm in die Augen schauen konnte und das brach mir das Herz. Seine Augen sahen so überglücklich aber erschöpft aus. Auch wenn ich es nicht wahr haben wollte wusste ich was das zu bedeuten hatte. Seine Zeit war gekommen. Mir schossen die Tränen in die Augen und landeten auf einer blutroten Rose. Mit Bailey's letzter Kraft hob er seinen Kopf aus meinen Händen und schmiegte ihn an meinen Bauch. Er versuchte mich aufzumuntern. Er war immer da für mich und auch jetzt wollte er mir die Angst nehmen. Also legte ich meine Arme um seinen Hals und beugte mich über ihn. Einmal wollte ich für ihn da sein. Dabei flüsterte ich ihm ins Ohr: „Alles wird gut. In meinen Armen bist du sicher." Ich schluchzte als ich ganz sanft und langsam mich wiederholte. „Alles wird gut. Ich pass auf dich auf."
Und während ich mein Gesicht in seinem Fell vergrub, merkte ich wie er seine Augen schloss und sich ein letztes mal sein Bauch hob und senkte.
Auf einmal wurde es ganz still. Es war so friedlich, als ob es nichts böses auf dieser Welt gäbe. Ich hob meinen Kopf und sah den Himmel, der in allen rot- pink- und Orangtönen aufleuchtete. Als plötzlich ein sanfter Wind meine Haare aus meinem Gesicht wehte.
Ich bin mir bis heute sicher, dass das Bailey's Seele war, die ihren letzte Reise Richtung Himmel machte.
Ich verweilte noch ein par Stunden mit ihm in meinem Arm, bis die Sonne ganz untergegangen war.
Meine Augen waren von dem vielen Weinen angeschwollen als ich meinen Vater anrief um uns beide abzuholen. Als er aus dem Auto stieg und mich mit Bailey dort sitzen sah brach auch er in Tränen aus. Später haben wir ihn bei uns im Garten begraben. Ich hatte eigentlich vor ihn bei unserer Lieblingswiese zu begraben, aber ich brach es nicht übers Herz dort hinzugehen.
Ein par Wochen später entschloss mich doch dazu, unsere Wiese zu besuchen. Doch als ich dort ankam bereute ich es. Das platt gedrückte Gras, welches die Form von Bailey hatte war nicht mehr zusehen. Nicht mal mehr ansatzweise. Es brach mir das Herz. Denn das war der Moment, als es mir wirklich bewusst wurde, dass er auf ewig fort ist.
Es vergingen viele Jahre und ich besuchte die Wiese nicht ein einziges Mal. Trotzdem dachte ich immer noch oft an ihn. Besonders heute. Es ist der 8.12, Bailey's Geburtstag. Ich weiß nicht warum ich mich genau in diesem Jahr dazu entschieden habe, aber ich ging zu unserer Wiese.
Ich hatte keine großen Erwartungen, da es Winter ist und eine ein Meter dicke Schneedecke liegt. Aber ich war froh, dass ich es gemacht habe. Denn als ich ankam, sah ich schon von weitem einen roten Fleck der meine Aufmerksam erregte. Alles war zu dieser Jahreszeit farblos. Der Boden weiß und der Himmel ein kaltes fahles blau. Und dazwischen dieser rote Punkt. Ich ging näher und konnte nicht anders als zu lächeln. Es war eine Rose. Es war die Rose. Die Rose auf die ich vor vielen Jahren geweint hatte. Ich konnte es nicht fassen. Diese kleine zierliche Rose hatte sich ihren Weg durch die Schneedecke gebannt.
Und von diesem Tag an setzte ich mich täglich zu dieser Rose und las ihr die gleichen Geschichten vor, welche ich auch Bailey immer vorlas.

Long lost friend Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt