1) Kurzgeschichte: Die Spinne

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„Gute Nacht!", rief ich und ließ mich auf mein Bett fallen. Meine Mutter warf mir eine Kusshand zu, knipste dann das Licht aus und schloss die Tür hinter sich. Dunkelheit empfing mich, und ich machte es mir gemütlich. Heute werde ich schnell einschlafen, dachte ich, denn morgen muss ich früh raus. Doch nach einer gefühlten Stunde konnte ich noch immer nicht schlafen, da das Mondlicht so hell durch den Rollladenschlitz fiel.
Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Knall und es war taghell in meinem Zimmer. Erschrocken setzte ich mich auf und schaute mich vorsichtig um. Bläuliches Licht kam aus der Richtung der Zimmertür und vorsichtig schlug ich meine Bettdecke zurück und stand auf. Mit vorsichtigen Schritten lief ich zu der Tür und legte meine Hand auf den Griff. Sollte ich die Tür wirklich öffnen? Nach ein paar Sekunden siegte meine Neugier und ich drückte die Klinke herunter. Im gleichen Moment schob sich etwas von der anderen Seite mit einer enormen Kraft gegen die Tür und ich stolperte rückwärts. Langsam hob ich den Kopf und blickte in zwei blau leuchtende Augen, die... meinem Vertretungslehrer von der letzten Deutschstunde gehörten?
Meine übliche Deutschlehrerin war gestern krank gewesen und wir hatten stattdessen den gruseligen Herrn Schwarz in Vertretung bekommen, der passend zu seinem Namen nur schwarze Sachen trug und immer so seltsam gelächelt hatte. Mir und meiner besten Freundin war er sofort verdächtig vorgekommen. Doch was machte er jetzt in meinem Zimmer? Und das dazu mitten in der Nacht? Ein unheimliches Lächeln umspielte seine blassen Lippen und er hob langsam die Hand. Ich schrie auf, als sich eine fette, handtellergroße Vogelspinne aus seinem Ärmel schob, sich von seinem Arm abseilte und dann direkt auf mich zukrabbelte. Auch von allen anderen Seiten kamen plötzlich Spinnen auf mich zu, von unter dem Teppich, aus meinem Kleiderschrank und sogar direkt aus der Zimmerdecke! Panisch und kreischend tritt ich um mich, um die Ekeldinger von mir abzuhalten, als sich auf einmal etwas veränderte. Die Spinnen hatten ihre Richtung geändert! Statt weiter auf mich zuzukrabbeln, versammelten sie sich jetzt auf meinem Teppich und fingen an, eine auf die andere zu klettern und sich so zu stapeln. Moment mal, das konnte nicht sein, das sprach doch gegen die natürliche Lebensweise dieser Tiere! Doch mir blieb keine Zeit zum Nachdenken mehr, denn mittlerweile reichte der Spinnenturm schon bis zur Zimmerdecke. Er schwankte hin und her, bis auf einmal acht gigantisch große, haarige Beine aus dem Turm herausbrachen, und zu meinem Entsetzen veränderte sich auch der restliche Turm. Meine Augen weiteten sich, als ich erkannte, welchem Wesen ich da gegenüberstand. Die tausende kleinen Vogelspinnen hatten sich in eine riesige Monsterspinne verwandelt, die mich nun aus ihren feuerroten acht Augen anglupschte.
Ein hysterischer Schrei kam aus meiner Kehle und ich taumelte rückwärts.
Selbst mit kleinen Hausspinnen hatte ich wegen meiner Spinnenphobie schon seit ich denken konnte ein Problem, aber das hier war eine ganz andere Liga. Und als sich die Monsterspinne jetzt auch noch mit einem ihrer haarigen Beine nach mir ausstreckte, konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich stieß mich einfach ab und sprang in die Luft. Es ging total einfach, und ich hatte so viel Schwung, dass ich durch die Zimmerdecke und das Hausdach krachte und die Riesenspinne hinter mir ließ. Meine Arme machten ganz automatisch die richtigen Flatterbewegungen, und ich glitt in einer Mordsgeschwindigkeit durch die Luft. Unter mir lagen bestimmt zehn Meter Abstand bis zum Boden, doch ich genoss die kühle Nachtluft, die mir die verschwitzen Haare aus dem Gesicht wischte. Ein Auto fuhr unter mir die Hauptstraße entlang und ich lächelte in mich hinein. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht schneller wäre! Also verdoppelte meine Geschwindigkeit mit ein paar kräftigen Beinschlägen und sauste durch die Nachtluft. Das Auto unter mir bog gerade auf die Autobahn ab, und ich tat es ihm gleich. Ein spannendes Wettrennen begann, von dem nur ich Bescheid wusste. Mein Rivale gab nun Vollgas. Anfangs versuchte ich noch, mitzuhalten, aber schließlich verließen mich meine Kräfte und ich drosselte sowohl die Geschwindigkeit, als auch die Höhe. Ein Waldstück neben der Autobahn schien mir geeignet für eine Landung und ich ließ mich langsam zurück auf den Boden sinken.
Kaum dass ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, vernahm ich ein schmatzendes Geräusch hinter mir. Es schien langsam näher zu kommen, und ich drehte mich vorsichtig um. Das Letzte, was ich sah, waren die haarigen Beine und das weit geöffnete Maul der Monsterspinne, bevor sie mich bei lebendigem Leib verschlang.
Schweißgebadet fuhr ich hoch und riss die Augen auf. Wo war ich? Orientierungslos sah ich mich um. Sonnenstrahlen, die durch das Fenster fielen, die bunten Poster an den Wänden, mein Kuschelteppich auf dem Parkettboden, der weiße Kleiderschrank an der Wand... Ich war in meinem Zimmer. So erleichtert hatte ich mich in meinem ganzen Leben noch nie gefühlt. Der gruselige Vertretungslehrer, das Wettrennen gegen den Autofahrer und die monströse Riesenspinne... das alles hatte nicht wirklich existiert, sondern war nur ein Traum gewesen. Ein Albtraum. Dachte ich zumindest.

Bis ich die Vogelspinne auf meinem Bein bemerkte.


(837 Wörter)
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Vorgaben: nicht mehr als 1000 Wörter/mindestens eine spannende Stelle
Meine erste Kurzgeschichte, die ich je geschrieben habe :)

felycitaz ich hoffe, das passt so ^^

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