,,Felix! Hör auf so eine scheiße zu machen! Komm sofort darunter, bitte!" Seine Stimme. Rewis Stimme. Rewis wunderschöne, unbeschreibliche Stimme die sonst so voller freude war. Bin ich etwa daran Schuld, dass sie sich jetzt so zerbrechlich und ängstlich anhört? Nein, Rewi würde niemals so besorgt um mich sein. Warum er dennoch genau in diesem Moment bei mir war ist mir nach wie vor ein Rätsel. Ein Rätsel, von das ich wohl niemals die Lösung hören werde die ich mir wünsche. Meine Wünsche... Sie würden niemals in Erfüllung gehen. Es sind nur Träume. Träume die man nicht verdrängen kann, egal wie oft und wie sehr man es versucht. Sie schieben sich immer weiter in den Vordergrund und man kann an nichts anderes denken. Man fühlt sich als würde man auf weichen Wolken liegen aber dann kommt die Realität die dich wach rüttelt und deine weichen Wolken in ein Nadelbett verwandeln und dir jedlichen noch so schönen Traum nimmt. Und was ist ein Mensch ohne Träume? Genau, eine leere Hülle die man nicht mehr auf füllen kann da sie voller Risse ist und ein jedlicher Inhalt sofort wieder aus ihr entweichen würde. Mich selbst betrachtete ich noch nicht einmal mehr als eine solch kaputte Hülle. Ich betrachtete mich nicht einmal als "etwas". Ich war einfach da um wieder zu geh'n. Mein Herz, dass einst so freudig und laut geklopft hatte ist schon vor einiger Zeit verstummt. Ob es in scherben verfiel oder einfach nur aufhörte zu schlagen weiß ich nicht. ,,Verdammt nochmal, Felix!" Schon wieder seine Stimme. Damals hat mich diese Stimme immer aufgeheitert. Ich wurde durch ihr glücklich und Lebens froh. Ich wurde durch IHN glücklich und Lebens froh. Alles was er machte ließ mich verstehen, was es heißt zu leben. Jedoch auch, was es heißt zu sterben. Ich selbst wusste die ganze Zeit, dass dies eigentlich nur die Stimme in meinem Kopf war, die mich versuchte runter zu ziehen und selbst ein Kleinkind weiß, dass man die Positiven, und nicht die Negativen Aspekte des Lebens sehen soll. Aber ich? Ich wusste dies auch besser als alles andere aber dennoch... Meine Stimme im Kopf hatte gesiegt. Er ist nicht schwul, nicht so wie du Felix. Er wird DICH ganz bestimmt niemals lieben, nicht mal im Traum. Es ist rein platonisch diese Freundschaft, in wirklichkeit mag er dich nicht einmal. Der selbsthass wurde von Zeit zu Zeit größer. Ich versuchte alles zu überspielen. Das passte alles nicht zum ach so fröhlichen Felix. Genau, NICHTS passte zu mir. Ich war schwul und sollte dies irgendjemand, irgendwann, irgendwie herausbekommen... Ich würde anders behandelt werden, gehasst werden, davon gescheucht werden. Aber das aller wichtigste war, ich würde IHN verlieren. Genau deshalb spielte ich weiter das fröhliche, naive Kind. Das Kind, das heimlich in seinen besten Freund verliebt war und dieser die Gefühle des Kindes niemals erwiedern würde, das Kind dafür hassen würde und das Kind verlassen würde. Das Kind, dass selbsthass entwickelte. Das Kind wessen Körper langsam mit Schnitten überseht wurde, da es nicht mehr klar kam, auf seine Gefühle, Mitmenschen und alles weitere. Das Kind... Das kleine, naive Kind welches nur ein Platzhalter war und welches nur noch darauf wartete ersäzt zu werden. Eigentlich hätte ich es vielleicht noch etwas länger geschaft dieses Gefühl, diese Schmerzen, zu überstehen aber ER hatte sie gesehn... Die Schnitte, die blutenden Wunden.. Und warum? Weil ich unvorsichtig war. Nur weil ich von dem Bord fallen musste. Nur weil ER sich vorsichtshalber mein Knie anschauen wollte. Nur weil ER sicher gehen wollte, dass ich NICHT verletzt bin hat er mein Bein gesehn. Mein Bein welches genauso wir das andere und meine Arme geschmückt mit hässlichen, roten Schnitten war. Er wollte darüber reden, war besorgt, wollte mich beschützt wissen. Ich hatte Angst, bin weg gelaufen, weg gelaufen vor meinen Gefühlen. Nur weil ich ein verdammter Angsthase war! Warum? Warum lebte ich jetzt noch? Ich seufzte leise und drehte meinen Kopf. Dort stand ER, Rewi, wollte das ich hier runter komme. Wo runter kommen? Von dem Rand einer Brücke welche nur ein Schritt davon trennte mich von dieser Welt zu entlassen. Meine Augen waren stark verheult jedoch tat dies nichts zur Sache da auch meine Kleidung stark durch nässt ist. Der Regen war gekommen um mir noch einmal den Abschied zu wünschen. Meine durch die Tränen rot gewordenen Augen richteten sich noch einmal auf Rewi. Sein Gesicht war mit Angst beschrieben und man konnte ihn nur zugut ansehen das er mein Verhalten nicht verstand. Wie den auch? Selbst ich verstand es nicht. Verstand mich nicht. Verstand die Welt nicht. Ich lächelte ihn noch einmal traurig an wärend sich ein Schlurzen zu verlauten lies und meine Hand noch einmal die Tränen aus meinen Augen Winkel zu entfernen versucht. ,,Felix... Ich bitte dich.. Ich kann ohne dich nicht! Es ist vielleicht ein falscher Zeitpunkt es jetzt zu beichten aber... Aber ich habe mich in dich verliebt! Du bist mein ein und alles! Ich will dich nicht verlieren und vorallem nicht so!" Meine Augen weiteten sich. Hatte er dies grade ernst gemeint? Auch ihn kamen langsam die Tränen und erst jetzt verstand ich wirklich wie verdammt dumm mein Vorhaben war! Ich würde Menschen verletzten die mir nahe standen und ich wäre nie wieder in der Lage auch nur eine Sekunde mit Rewi zu verbringen. ,,Rewi! Ich... ich liebe dich auch...", sagte ich vollkommen verweint und mit sich selbst überschlagender Stimme. Noch mehr Tränen bildeten sich in meinen Augen. Ich war so dumm! ,,Felix! Lass uns bitte gemeinsam nach Hause gehn! Du kannst mir alles erklären sobalt du bereit bist aber ich möchte dich in meinen Armen halten können! Lass mich nicht allein..." Ich schlurzte immer lauter und wollte zu ihm runter, zu meinem Rewi. ,,Rewi, ich werde für immer dein sein und-" Schock Moment. Stille. Zeitlupe. Zu schnell umgedreht. Ich sah wie Rewis Augen sich vor schreck weiteten. Mein Kopf war leer aber dennoch verstand ich alles was grade passierte. Ich war wirklich so dumm. Ich lächelte Rewi noch ein letztes mal an. Noch ein letztes mal bevor ich fiel. Durch den Regen war ich aus gerutscht als ich mich drehte. Er wollte mir wohl wirklich aufwiedersehn wünschen. ,,Felix!" Alles passierte in Zeitlupe. Ich wollte nicht mehr gehen aber erstaulich schnell fand ich mich ab mit dem Gedanken. Es war immerhin meine eigene Dummheit. ,,Es tut mir leid Rewi. So leid. Vielleicht, vielleicht in einem anderen Leben?" Ich konnte Rewis gequälten Gesichs Ausdruck nicht mehr ertagen also schloss ich meine Augen. Ich fiel. Immer tiefer. Immer tiefer. ,,Aufwiedersehn mein Geliebter Rewi. Bis in einem anderen Leben..." Schwärze, endlose, einsame Schwärze.
